Die öffentliche Aufmerksamkeit konzentriert sich im Ukraine-Krieg auf die vorrückenden ukrainischen Truppen in der russischen Region Kursk. Doch auch Russland rückt weiter in der Ukraine vor. Während die einfallenden Truppen dort versuchen, von den besetzten Gebieten weiter ins Landesinnere vorzudringen, leben viele Zivilist:innen in der unmittelbaren Umgebung in ständiger Angst. Das gilt zum Beispiel für die Städte und Dörfer, die zwischen Pokrowsk und dem besetzten Donezk liegen.
Dabei handelt es sich unter anderem um die ostukrainische Stadt Selydowe und die Siedlung Petriwka. Sie befinden sich praktisch genau auf dem Weg der russischen Truppen, die sich Richtung Hauptziel Pokrowsk bewegen. Das Leben für die Menschen vor Ort ist aufgrund der stets präsenten Gefahr unerträglich geworden, wie ein aktueller Bericht zeigt. Viele wollen fliehen, doch das ist offenbar nicht immer möglich.
In Selydowe findet sich eine eilig errichtete Durchgangsstation für Menschen, die aus den umliegenden Siedlungen evakuiert wurden. Zwei Betroffene aus einem Nachbarort schildern vor Ort der ukrainischen Zeitung "Kyiv Independent" ihre Situation.
"Wir kommen aus Nowohrodiwka. Dort gab es niemanden mehr, und jetzt hoffen wir, nach Chmelnyzkyi zu kommen, wo Freunde auf uns warten", sagt eine Flüchtende, die mit ihrem achtjährigen Sohn unterwegs ist, demnach.
Einige Kilometer westlich, in der Siedlung Petriwka, haben lokale und internationale NGOs Stationen mit Wassertanks und Versorgungspaketen für all jene eingerichtet, die den Ort noch nicht verlassen haben. Laut einer Helferin leben in der Stadt nur noch wenige, ältere Menschen.
"Die Menschen sind sehr verwirrt; sie wissen nicht, was sie tun oder wohin sie gehen sollen, was sie loswerden oder was sie mitnehmen sollen", sagt die Freiwillige der "Kyiv Independent". Ein Kollege ergänzt: "Jeder, der körperlich dazu in der Lage ist, geht. Aber oft bleiben ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Menschen, die kein Geld haben, zurück."
Er betont, dass er gerne flüchten würde. Doch die Mietpreise seien mittlerweile überall so hoch, dass "ich mich entscheiden müsste, ob ich für eine Wohnung oder Lebensmittel bezahlen soll".
In der Stadt Pokrowsk, dem nächsten Ziel der russischen Truppen, gehen Flüchtende ein und aus, wie die Leiterin eines Flüchtlingszentrums der "Kyiw Independent" erklärt. "Als unsere Städte bombardiert wurden, begannen die Menschen aus Bachmut und Sewersk hierher zu evakuieren", sagt sie. "Die Menschen kommen von überall her, wo sie die Russen kommen sehen. Jetzt arbeiten wir rund um die Uhr, um ihnen zu helfen."
Doch die Situation in Pokrowsk ist auch nicht besser als in den Siedlungen in der Umgebung. Die Menschen in der Stadt wurden ebenfalls zur Evakuierung aufgerufen. Denn die russische Armee sei in einem Umkreis von zehn Kilometern vom Stadtrand gesichtet worden, heißt es in dem Bericht.