Neuer alter Präsident der USA: Donald Trump lacht. Unserer watson-Redakteurin macht das richtig schlechte Laune.Bild: AP / Evan Vucci
Meinung
07.11.2024, 10:4607.11.2024, 10:49
Donald Trump ist ab Januar wieder Präsident der USA und ich kann kaum beschreiben, wie sehr mich das frustriert.
Trump ist ein verurteilter Sexualstraftäter. Ein Typ, der sich damit brüstet, Frauen, wann immer er will, begrapschen zu können ("grab them by the pussy"); der sich auch im Wahlkampf wiederholt maximal misogyn geäußert hat. Das ist schlimm. Aber das war auch vorher klar.
Es ist nicht Donald Trump, auf den ich wirklich wütend bin. Das eigentliche Problem ist größer.
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Es ist nicht so, dass die Wähler:innen nicht gewusst hätten, wem sie da ihre Stimme geben. Das Votum für ihn war kein Fehler, kein Versehen. Es ist in vollem Bewusstsein passiert. Amerika bekommt den Präsidenten, den es gewollt hat.
Das sagt viel darüber aus, wie der Großteil der US-amerikanischen Wähler:innen tickt: rein egoistisch. Bei dieser Wahl ging es nicht um das, was Amerika als Gesellschaft bewegt. Es ging vor allem um ganz individuelle, persönliche Interessen.
Die Kandidatin der Demokraten: Kamala Harris hat sich verrechnet. Bild: imago images / Kimberly P. Mitchel
Warum wählen Migranten und Frauen Donald Trump?
Entschieden haben die Wahl vor allem die jungen Männer. Bei ihnen hat Trump für die Republikaner die meisten Gewinne gutgemacht. Es ist natürlich so, dass sie die Wählergruppe sind, die von Trumps sexistischen und rassistischen Ausfällen noch am wenigsten betroffen sind. Und die deshalb offenbar am ehesten auch darüber hinwegsehen können. Solange es nicht um die eigenen Ehefrauen und Töchter geht, gibt es Wichtigeres: Für sie spielen zum Beispiel die steigenden Preise, vor allem bei den Mieten, eine zentrale, ja: wahlentscheidende Rolle.
Aber auch Schwarze und Latinos haben Trump gewählt. Wie kann das sein, obwohl sie von ihm rassistisch beleidigt werden? Nun ja. Was für diese Wähler:innen-Gruppe wirklich entscheidend ist, ist auch hier: Das, was übrig bleibt im eigenen Geldbeutel. Sie merken vor allem: Jetzt geht’s ihnen schlechter als vor vier Jahren.
Das hat natürlich weniger mit den Demokraten zu tun als mit der Inflation. Aber Trump hat es geschafft, im Gegensatz zu Harris, dass die Wähler:innen in ihm einen starken Mann sehen, denjenigen, der das ändern will und kann.
Und für diese Hoffnung können sie selbst über Trumps offen ausgetragenen Rassismus hinwegsehen. Seine Angriffe und Beleidigungen ("Müll") werden dann abgetan als Gerede, das man nicht so ernst nehmen muss. Oder man bewundert ihn noch heimlich dafür. Weil Trump "so anders als andere Politiker:innen ist". Einer, "der sich nichts verbieten lässt".
Trump mit seinem Vize J.D. Vance.Bild: AP / Evan Vucci
Wahlkampf-Thema ist nicht Abtreibung – sondern Inflation
Und dann gibt es noch die Frauen, die Trump wählten. Obwohl er ein Sexist ist. Obwohl er sich in den vergangenen Wochen mehrfach frauenfeindlich geäußert hat.
Lange habe ich gedacht, das wichtigste Thema in diesem Wahlkampf sei die Abtreibung. Nicht nur für Frauen. An diesem Thema hat sich die gesamte Gesellschaft gespalten: Kamala Harris, die sich für das Recht auf Abtreibung starkmachte, gegen Donald Trump, der das Abtreibungsverbot befürwortet und damit Frauen die Freiheit, selbst über ihren Körper zu bestimmen, nehmen will. Ich habe mich getäuscht. Am Ende ging es um die Wirtschaft, das Geld und die Inflation. Und die Migration, die in Trumps Logik damit zusammenhängt.
Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup bestätigt das. Wir alle kennen den Ausspruch von Bill Clinton: "It's the economy, stupid." Noch besser trifft auf diese Wahl zu: I"t's the inflation, stupid."
Die Inflation tut vielen Menschen in den USA richtig weh. Viele haben ohnehin schon immer mehr als einen Job, weil einer zum Überleben nicht reicht. Seit der Wahl von Joe Biden im November 2020 hat sich das Preisniveau in den USA um 21 Prozent erhöht. Es ist leider so: Die Unsicherheiten und Zukunftsängste, die sich daraus ergeben, wiegen am Ende so viel mehr als die Empörung über den Sexismus, die Eskapaden und den schlechten Charakter von Donald Trump.
Die US-Amerikaner:innen haben Trump nicht gewählt, weil sie ihn so sympathisch finden. Sondern weil sie ihn für kompetenter halten, wenn es um Wirtschaft geht.
Weil er dafür sorgen will, dass es ihnen wieder besser geht. Weil der Frust der Menschen groß genug war. Und weil die Menschen ihm geglaubt haben. Wie realistisch die Erfolgsaussichten seiner konkreten Vorhaben – Strafzölle, Steuersenkungen – wirklich sind, ist dann gar nicht mehr so wichtig.
USA: Der Ex-Präsident ist der neue Präsident
Dass die Amerikaner:innen es besser wissen müssten, hilft am Ende auch nichts: 2016 ist Trump zum ersten Mal ins Amt gewählt worden. Seitdem sind acht Jahre vergangen. In der Zwischenzeit haben ihn Expert:innen immer wieder zu einem der schlechtesten US-Präsidenten aller Zeiten gekürt. Dazwischen liegt die #MeToo-Bewegung von 2017, bei der die Gesellschaft doch dazu gelernt hatte. Eigentlich.
Im vergangenen Jahr wurde Trump sogar wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Das Wahlergebnis zeigt: Darüber wird im Notfall eben hinweggesehen.
Man kann, man will und man darf einzelnen Wähler:innen ihre Sorgen nicht vorwerfen. Im Gegenteil. Man hätte sie viel mehr ernst nehmen sollen. Lösungen anbieten, Ihnen zuhören. Doch selbst, wenn man das tut, bleibt die Erkenntnis: der Egoismus schlägt am Ende den Anstand. Das ist, diese Wut lasse ich mir heute nicht verbieten, traurig und frustrierend.
Weil es zeigt, wie unwichtig elementare gesellschaftliche Werte am Ende für einen Großteil der Gesellschaft sind.
Werte, die eine Gesellschaft ausmachen soll(t)en. Wenn wir uns auf die nicht mehr verlassen können, ist das Problem viel, viel größer als Donald Trump.
Seit Wochen brodelt es in der Ampel-Regierung. Dabei gerieten vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) regelmäßig aneinander. Die Ampel-Parteien konnten sich in Wirtschafts- und Finanzfragen einfach nicht einigen.