Dieser Text ist schon jetzt gescheitert. Er fragt: Können wir lernen, die andauernden AfD-Aufreger irgendwie zu ignorieren? Natürlich handeln die folgenden Zeilen selbst vom Umgang mit der AfD und der scheinbar einfachen Antwort, die eine Autorin auf diese Frage gibt (zu ihrer Strategie später mehr). Deswegen ist der Versuch des Ignorierens im Grunde schon jetzt misslungen. But hear us out.
Medien, Politiker und sicher auch viele Bürger stellen sich jeden Tag die schwierige Frage: Wie gehe ich mit den immer neuen Provokationen der Rechtspopulisten von der AfD um? Die wiederum nutzen genau das aus, um sich stetig in der öffentlichen Debatte zu halten. Es ist oft schwierig zu wissen, wann ein Aufreger einen Bericht wert ist, und wann nicht. Kurz: Über welches Stöckchen soll man springen?
Na, schwirrt der Kopf schon? Hier eine kleine Erläuterung des Problems. Allein in dieser Woche passierten mindestens drei klassische "AfD-Aufreger".
Heute hat der AfD-Mann Hansjörg Müller im Bundestag ganz bewusst darauf verzichtet, nach der Rede des Holocaust-Überlebenden Saul Friedländer zu klatschen. Ein Aufreger.
Diese Woche haben AfD-Leute dem MDR vorgeworfen, Propaganda zu veröffentlichen, weil ein Mitarbeiter mit einem FCKAFD-Tshirt in einem Fernseh-Beitrag zu sehen war. Ein Aufreger.
Diese Woche hat AfD-Chefin Alice Weidel den jüdischen Publizisten Henry M. Broder auf einem Foto umarmt. Ein Aufreger. (Und ein wirklich famoses Meme #weidelhuggingthings)
Wow. Und das war nur eine Woche. Im Grunde gibt es andauernd neue dieser Geschichten zu erzählen. Welches dieser Ereignisse ist also berichtenswert? Welches sollte man auf Facebook mit seinen Freunden diskutieren? Wo ist Aufregung gefragt, und wo vielleicht nur ein Schulterzucken?
Es ist eigentlich egal, wie man antwortet: In Zeiten von Social Media findet sich immer jemand, der sich aufregt. Die AfD selbst, die AfD-Kritiker, die Medien, die Bürger. Und jedesmal wartet schon eine neue Provokation hinter der nächsten Ecke. Die Folge: Alle reden gefühlt nur noch und andauernd über die AfD. Wie gesagt, dieser Text ja gerade ebenfalls.
Vor Jahren bezeichnete das US-Magazin Mother Jones dieses Phänomen einmal als "The Shiny-Object-Stategy" – die "Strategie des glitzerndes Etwas". Damals ging es um den beginnenden Siegeszug von Donald Trump.
In Kürze besagt sie: Allein durch die Spirale der Aufregung fokussiert sich die öffentliche Aufmerksamkeit – scheinbar zumindest – völlig auf ein Thema. Anders ausgedrückt: Alle Augen richten sich auf das glitzernde Etwas.
Der Ex-Wahlkampfmanager von Trump hat vor kurzem am Beispiel Pizza erläutert, wie das funktioniert.
Schaut es euch an:
Video: watson/Max Biederbeck, Lia Haubner
Die Shiny-Object-Strategie beschränkt sich nicht nur auf Politiker wie Trump oder die AfD. Sie funktioniert auch, wenn Aktivisten rechte Plakate an die Wände von Medien-Redaktionen kleben, oder wenn ein Politiker mal wieder das Wort "Asyl" in den Mund nimmt. Stets wird die Spirale neu angekurbelt, stets werden Themen größer und relevanter, als sie es vielleicht eigentlich sind.
Aber wie sieht die Lösung aus? Für Medien bleibt sie eine tägliche und schwierige Abwegungsfrage. Nachrichten gehören zum Job, möglichst interessant sollen sie sein, aber wie gesagt: Man dan darf eben nicht über jedes Stöckchen springen. Und Medien haben Gegenspieler, PR-Experten, die genau diesen News- und Aufreger-Hunger ausnutzen, um immer wieder aufzufallen.
Autorin und Bloggerin Kathrin Weßling hat allerdings einen durchaus knackigen Vorschlag für jeden, der sich selbst im Alltag gegen die ewige Online-Aufregung und ihre Verbreitung immunisieren will. Sie schlägt Selbstdisziplin vor. Mitten in dieser neuen AfD-zentrierten Woche twitterte sie:
Wenn sich nur genug Social-Media-Anhänger ein Sparschwein zulegen, könnte die Aufregung kleiner werden. Ohne Aufregung braucht es auch weniger Berichterstattung. Die Spirale läuft zunehmend ins Leere. Wir alle könnten wegschauen vom glitzernden Objekt. Wenigstens ein bisschen.
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