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Sondervermögen und Schuldenbremse: Konsum bleibt tabu

ARCHIV - 27.06.2024, Baden-Württemberg, Neckartailfingen: Ein Lehrer macht im Unterricht einer vierten Klasse einer Grundschule einen Tafelanschrieb, während an der Tafel Zettel mit der Aufschrift «Fl ...
"Herr Meyer, was passiert mit Konsumausgaben?"Bild: dpa / Marijan Murat
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Lehrermangel und Bürgergeld: Politik spart am Menschen

Deutschland modernisiert – aber nur das, was keinen Lohn braucht. Während Milliarden in Straßen und Stromnetze fließen, bleibt für Lehrer, Pflegekräfte und Bürgergeld kaum etwas übrig. Konsumausgaben gelten weiter als Teufelszeug – und die Schuldenbremse als heilige Kuh. Warum diese Logik gefährlich ist.
25.08.2025, 18:2325.08.2025, 18:23
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Mit ihrem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität lockern Union und SPD die fiskalpolitische Bremse. Es ist der überfällige Auftakt einer Modernisierungsoffensive. Jahrzehntelang vernachlässigte Straßen, Schienen, Stromnetze und Schulen sollen dank Finanzspritze aufpäppelt werden. Leider fällt die Dosis viel zu gering aus.

500 Milliarden Euro soll es in zwölf Jahren geben – das sind umgerechnet 42 Milliarden Euro jährlich. Nur liegt der Bedarf öffentlicher Investitionen, konservativ geschätzt, bei 60 Milliarden Euro. Hunger gibt es überall, volle Teller bleiben aber erstmal aus. Noch problematischer ist, dass Konsumausgaben kaum eine Rolle spielen.

Keine Löhne für Lehrer, aber Geld für Schulen: halbe Sachen

Gehälter für Lehrkräfte, für Verwaltungsangestellte, für Gesundheitspersonal, für Feuerwehrleute, Geld für öffentliche Einrichtungen, für Sozialleistungen: Konsumausgaben sind wichtiges Schmiermittel für die Gesellschaft.

Um es überspitzt zu formulieren: Modernste Schulen bringen nichts, wenn niemand in ihnen unterrichtet. Weit hergeholt ist das nicht. Bis 2035 sollen rund 46.000 Lehrkräfte fehlen, wertete unter anderem die Bertelsmann Stiftung aus.

Trotzdem wettern FDP, SPD, Unions-Parteien, Grüne, vereinzelt sogar Linke gegen zu hohe Ausgaben für Konsum. Das Label "Steuergeschenke" soll diese maximal abwerten, sie zum Rattenfängermittel verklären. Lupenreine Demokrat:innen sollen schließlich sparen, bis es quietscht, und nicht auf unlautere Methoden zwecks Wählermobilisierung zurückgreifen.

Die Formulierung ist ein rhetorischer Trick Liberaler wie Konservativer, um vor allem Sozialausgaben kleinzuhalten. Höhere Konsumausgaben könnten sich auch in höheres Bürgergeld übersetzen. SPD und Union sind gleichermaßen dagegen.

Wer Geld hat, kann auch shoppen

Ob Gehälter oder Bürgergeld: beides bietet einen langfristigen Nutzen. Bringt der Staat mehr Geld in Umlauf, sprich: füllt Menschen die Taschen, die zuvor weniger hatten, haben diese auch mehr zum Ausgeben. Konsum wird angekurbelt, Unternehmen können mehr verkaufen, Wachstum ist so möglich. Genau das, worauf Standortpolitiker:innen aus sind, zumal mehr Wachstum mehr Steuereinnahmen mit sich bringt.

Sich dem zu versperren, zeigt ein widersinniges Verständnis von Wirtschaftspolitik. Ein Umdenken ist aber völlig ausgeschlossen. Eigentlich wäre sinnvoll, gerade mit Blick auf unternehmerische Unsicherheiten, die Konsumausgaben deutlich anzuziehen. Möglich wärs, wenn da nicht die Schuldenbremse im Weg stünde.

Hier fehlt es aber noch an Reformwillen, Stichwort: Steuergeschenke. Komischerweise sind Politiker:innen bei Rüstungsausgaben deutlich entspannter – die sind neuerdings ausgenommen. Irrsinnig ist, Rüstungsausgaben als Investitionen zu labeln. Granaten taugen bekanntermaßen nicht zur langfristigen Nutzung.

Völlig ausgenommen sind Konsumausgaben vom Sondervermögen aber nicht. Beim Posten "Sofort-Hilfe für Krankenhäuser" soll ein Teil als Unterstützung für die Betriebskosten dienen, sagt der Gesundheitsökonom Boris Augurzky zum "Deutschlandfunk". Die Rede ist von Gehältern, Medikamenten und anderen laufenden Kosten. Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta kritisierte das bereits. Investitionsmittel würden zweckwidrig verwendet werden.

Es bleibt beim Trauerspiel

Die Empörung ist irrsinnig, vor allem von einer Politikerin, deren Partei dem Sondervermögen im Bundestag bereits zugestimmt hat. Oppositionelle Kritik treibt die Logik mitunter an ihre Grenzen. Im Haushaltsausschuss müssen sich SPD und Union dennoch sehr wahrscheinlich zu diesem Punkt rechtfertigen.

Damit bleibt an den Konsumausgaben weiterhin der Ruf des Verruchten haften. Wie beim Sondervermögen für Infrastruktur und Klima selbst können wir auch in diesem Punkt also keine großen Sprünge erwarten.

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