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Friedrich Merz und die Union: Für Frauen droht jetzt Stillstand

dpatopbilder - 06.12.2024, Berlin: Friedrich Merz (CDU,M), CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, steht im Plenum des Bundestags mit Abgeordneten der Unions-Fraktion zusammen. Thema i ...
Friedrich Merz und die Frauen der Union: weiblich, aber nicht feministisch? Bild: dpa / Kay Nietfeld
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Unter Friedrich Merz und der Union drohen Frauen jetzt vier Jahre Stillstand

08.03.2025, 08:06
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"Kein Merz im März": Dieser Schriftzug stand Anfang Februar auf vielen Plakaten bei den großen Demos gegen rechts. Viele wollten CDU-Chef Friedrich Merz als Kanzler verhindern. Auch jene, die für die Rechte von Frauen einstehen. Doch die Hoffnung, dass er nicht als Sieger der Bundestagswahl hervorgehen könnte, hat sich nicht erfüllt.

Am diesjährigen feministischen Kampftag sind die Vorbereitungen für Merz im Kanzleramt bereits in vollem Gange. Friedrich Merz wird wohl der nächste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Das könnten lange vier Jahre werden, vor allem für Frauen, queere Menschen und andere marginalisierte Gruppen.

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Solche Plakate hat man auf den Demos gegen rechts oft gesehen.Bild: IMAGO images / nordphoto GmbH / Hafner

Friedrich Merz und Union sind gegen das Selbstbestimmungsgesetz

Das Selbstbestimmungsgesetz, das eine wichtige Errungenschaft für trans*, inter und nicht-binäre Menschen darstellt, steht auf der Kippe. Merz möchte das Gesetz lediglich anpassen, behauptete ein Sprecher des CDU-Bundesvorstands kurz vor der Wahl gegenüber "Welt". Der Kanzlerkandidat habe nicht von einer Abschaffung geredet.

Doch mit dem offiziellen Wahlprogramm der Partei stimmt das nicht überein. Demnach möchten die Konservativen das Selbstbestimmungsgesetz nämlich klar wieder abschaffen. Als Grund wird der Kinder- und Jugendschutz genannt: Das Erziehungsrecht der Eltern dürfe nicht untergraben werden, heißt es.

Dabei ist im Selbstbestimmungsgesetz schon jetzt festgeschrieben, dass Minderjährige ab 14 Jahren die Erklärung nur mit Zustimmung der Eltern abgeben dürfen.

Im Grundsatzprogramm heißt es außerdem, einen "ideologischen Genderbegriff" lehne man ab. An der "rechtlichen Unterscheidung der beiden biologischen Geschlechter" halte man fest. Angesprochen auf die Politik von US-Präsident Donald Trump, wonach es nur zwei Geschlechter gebe, erklärte Merz im ersten TV-Duell, das sei "eine Entscheidung, die ich nachvollziehen kann".

Angesichts dessen hätte man sich das pro forma abgegebene Versprechen zu besserer Unterstützung und zum Kampf gegen Diskriminierung, wie es ebenfalls im Grundsatzprogramm steht, auch einfach sparen können.

Tatsache ist, dass die Union kaum etwas auslässt, um queeren Personen das Leben schwerer zu machen. So hat sich die CDU in der vergangenen Legislaturperiode beispielsweise dagegen ausgesprochen, Diskriminierungen wegen der sexuellen Identität ins Grundgesetz aufzunehmen, wie unter anderem das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) im Juli 2024 berichtete.

Entsprechend scheinheilig liest sich auch der Hinweis im CDU-Wahlprogramm, dass psychische Gesundheit mehr Beachtung finden müsse. Das gilt offenbar nicht für jede:n. Dabei sind laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung queere Menschen häufiger von Herzbeschwerden, Depressionen und Angststörungen betroffen. Der Grund: Diskriminierungserfahrungen.

Richtig wäre also, Diskriminierung für alle Menschen, und nicht das Selbstbestimmungsgesetz, abzubauen.

Natürlich wird die Union nicht allein in der Regierung sitzen. Am wahrscheinlichsten ist derzeit eine Koalition mit der SPD, die sich bisher hinter das Gesetz gestellt hat. Ganz entscheidend wird also sein, ob dieses die Sondierungsgespräche unbeschadet übersteht. Aber selbst wenn, eigene feministische Forderungen wird die SPD mit der Union wohl kaum durchgesetzt bekommen.

Reform von Paragraf 218 rückt in weite Ferne

Von einer bitter nötigen Revolution bei den reproduktiven Rechten muss man sich ebenso verabschieden. Friedrich Merz und die Union sind weiterhin gegen eine Abschaffung von Paragraf 218, der Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch regelt und sie unter Strafe stellt. Die Begründung ist die alte Leier um einen "mühsam gefundenen gesellschaftlichen Kompromiss", wie es im Wahlprogramm heißt.

Klar ist jedoch: Wenn es ein Kompromiss sein soll, ist es kein Guter. Die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen hat gravierende Auswirkungen, unter anderem, weil dadurch das Thema im Medizinstudium zu kurz kommt und in der Folge Frauen unter der Regelung leiden.

Auch die Gesellschaft steht in einer breiten Masse hinter einer Reform. Mehr als 80 Prozent der Bürger:innen halten die Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen für falsch. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Bundesfamilienministeriums ergeben.

Die Urteile, in denen sich das Bundesverfassungsgericht mit Schwangerschaftsabbrüchen beschäftigt hat, sind außerdem von 1975 und 1993. Dass die Richter:innen heute so argumentieren würden wie vor 30 oder 50 Jahren, ist unwahrscheinlich.

Friedrich Merz und die Frauen: Ihm fehlt das Feingefühl

Nur eine kleine Erinnerung an Friedrich Merz: Die Gesellschaft entwickelt sich weiter. Das Recht entwickelt sich weiter. Auch er sollte sich weiter nach vorne und nicht zurückentwickeln. Seine Ansichten zu Frauenrechten lesen sich zumindest teilweise so, als würde er noch in den 90ern feststecken, als er bereits ähnliche Ansichten geäußert hatte wie heute.

Zum Glück gibt es seine Ehefrau Charlotte Merz, die ihm zumindest öffentlich in einem Interview mit der "Westfalenpost" bescheinigte, dass sein Frauenbild gar nicht so veraltet ist. Und überhaupt: Seine Töchter hätten ihm längst "die gelbe Karte gezeigt", wenn er ein Frauenproblem hätte, sagte Merz 2021 in einer Rede. "Und meine Frau hätte mich nicht vor 40 Jahren geheiratet", schob er nach.

Als ob die alleinige Existenz von Frauen im eigenen Leben verhindern würde, dass man sich antifeministisch verhalten kann.

Außerdem: Frausein bedeutet nicht gleich, auch Feministin zu sein. Sie können ebenso ein veraltetes Frauenbild verinnerlicht haben und sich sogar frauenfeindlich verhalten.

Union sorgt bei Sondierungen mit Bild für Aufsehen

Bilder sprechen bekanntlich Worte: Nach der Wahl sorgte die Unions-Spitze mit einem Foto für Aufsehen. Darauf zu sehen waren neben Merz und CSU-Chef Markus Söder nur Männer an einem Konferenztisch.

Gleichzeitig frage ich mich: Was würde es wirklich ändern, wenn mit Merz Unions-Frauen mit am Tisch gesessen hätten?

Dorothee Bär, die hinterher bei den Sondierungsgesprächen ins Boot geholt wurde, wird eher nicht zu mehr feministischem Fortschritt führen. Bär hatte sich etwa klar gegen eine Streichung von Paragraf 218 positioniert, wie unter anderem der "Deutschlandfunk" berichtete.

Auch hier zeigt sich: Frauen und die queere Community werden durch eine unionsgeführte Regierung künftig deutlich weniger repräsentiert sein. Die Hoffnung liegt auf der SPD. Auf eine starke Opposition aus Grünen und Linken. Und auf eine starke Zivilgesellschaft.

Eine, die am feministischen Kampftag auf die Straße geht, weiter kämpft und die Hoffnung auf Fortschritt nicht aufgibt. Unter einer Regierung Merz umso mehr.

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