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Paula López Vicente ist 27 Jahre jung und eine von drei Vorsitzenden der Tierschutzpartei.bild: privat
Nah dran
Paula López Vicente ist keine gewöhnliche Politikerin. Das merkt man schon nach wenigen Minuten. Die Freude über das Interview ist groß. Sie erzählt munter drauflos, sie verhaspelt sich auch mal, ihre Augen funkeln.
Paula ist keine Berufspolitikerin, Interviewanfragen erhält sie selten. Sie ist Vorsitzende der Partei Mensch Umwelt Tierschutz, die alle nur Tierschutzpartei nennen. Sie ist 27 Jahre alt. Und sie übt ihr Amt in ihrer Freizeit aus.
Ihre Partei hat nur rund 2500 Mitglieder, holte bei der Bundestagswahl 2021 aber 1,5 Prozent und bei der Europawahl 2024 1,4 Prozent. Anders ausgedrückt: Jede:r 67. Wähler:in wählt die Tierschutzpartei. Sehr viele davon sind junge Menschen.
Watson wollten wissen: Was treibt Paula an? Ein Annäherungsversuch.
Paula López Vicente: der Gegenentwurf zu Christian Lindner
Von FDP-Chef Christian Lindner sind vor sieben Jahren alte Aufnahmen viral gegangen. "Stern TV" hatte ein Video gefunden, das den 18-jährigen Lindner zeigt. Lindner wirkte schon kurz vor dem Abi wie ein Manager von morgen, trug einen Anzug und gab stolz zu Protokoll: "Seit ich 14 bin, ist die FDP meine politische Heimat."
Man fühlt sich an diese Aufnahmen erinnert, wenn man mit Paula López Vicente spricht. Weil Paula das genaue Gegenteil ist. Und damit ist nicht das Outfit gemeint. Paula hatte vor dem Abitur keine politische Heimat, sondern wählte Politikwissenschaften ganz bewusst ab: "Es hat mich damals einfach nicht interessiert", sagt sie heute.
Dann fuhr Paula in den Süden. Ihr Vater kommt, man erkennt es klischeehaft am Namen, aus dem Norden Spaniens. Dort sah sie in einem Supermarkt ein Schwein. Genauer gesagt: ein ganzes in Folie eingeschweißtes Ferkel.
Das Ferkel sollte Paulas Leben verändern.
"Man kann Tierschutz nicht denken, ohne über den Klimaschutz zu sprechen."
"Ich habe früher ganz normal Fleisch gegessen", sagt Paula, und schiebt dann hinterher: "Na ja, was heißt normal?" Es sind Momente wie dieser, die zeigen, wie die Debatte über den Fleischkonsum noch immer geführt wird: Normal ist das Schnitzel, der Sonderwunsch das vegane Gericht.
"Das hat mich so getriggert, dass ich aktiv wurde, aber ich habe schnell gemerkt: Es muss sich etwas in der Politik ändern, wenn es um Tierschutz und Tierrechte geht", sagt sie. Sie fand die Tierschutzpartei. Und ist nie wieder gegangen.
2019 trat sie in die Partei ein, wurde schnell Beisitzerin des Landesvorstands und dann Landesgeschäftsführerin in Hessen. "Der Tierschutz ist der eine Punkt, der uns von allen anderen Parteien sehr deutlich abhebt", und dennoch "sind wir keine Ein-Themen-Partei. Wir heißen ja nicht zufällig Partei Mensch Umwelt Tierschutz. Man kann Tierschutz nicht denken, ohne über den Klimaschutz zu sprechen".
Wähler:innen der Grünen merken das, wenn sie ihre Antworten in den Wahl-O-Mat eingeben: Wer meistens Grün wählt, bekommt sehr oft zwei Alternativen in den Topergebnissen ausgespielt: Volt auf der einen, die Tierschutzpartei auf der anderen Seite.
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Auch für Paula läuft der Wahlkampf aktuell auf Hochtouren.bild: privat
Tierschutzpartei: Wenn Politik das wichtigste Hobby ist
Ihre Partei führt Paula als eine von drei Vorsitzenden seit 2023. Es ist ein Ehrenamt, das beinahe die ganze Freizeit füllt. Wenn die 27-Jährige über Hobbys spricht, dann erzählt sie von Familie, Freund:innen, ab und zu mal Netflix. "Und ich backe gern." Zu mehr fehle ihr die Zeit: "Mein Hobby ist die Partei Mensch Umwelt Tierschutz."
In ihrer Heimat Rodgau überredete sie 2021 zwei Freund:innen, in die Partei einzutreten, weil man vier Mitglieder brauchte, um zur Wahl der Stadtverordnetenversammlung antreten zu dürfen. Die Rechnung ging auf: Paula und ihre Mitstreiter:innen holten 3,8 Prozent der Stimmen und ergatterten zwei Sitze. "Da habe ich gelernt", sagt Paula, "dass uns viele einfach wählen wollen".
Seit knapp einem Jahr dreht sich auch ihr Beruf um die Politik: Paula ist nach Brüssel gezogen, um im Büro des einzigen deutschen Europaparlamentariers der Tierschutzpartei, Sebastian Everding, zu arbeiten. Wobei sie, wie in allen vergleichbaren Fällen, auf die Trennung von Arbeit im Parlament gegen Bezahlung und Arbeit für die Partei in der Freizeit achten muss.
Dennoch helfe ihr die Doppelfunktion, um die Schnittstelle zwischen Europapolitik, der Partei an sich und den kommunal gewählten Parteivertreter:innen zu sein. "Wir sind in vielen Städten in Ämtern, aber aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde in keinem Landtag und auch nicht im Bundestag vertreten", sagt sie.
Das zu ändern, ist selbstredend ihr großer Traum. Und wenn man mit ihr darüber spricht, wirkt es, als würden sich ihr heutiger Job und ihr Studium doch nicht widersprechen. Paula hat in Aschaffenburg BWL studiert. "Der Aspekt Marketing hat mich besonders interessiert", sagt sie. "Vor allem, wie man eine Marke aufbaut." Und genau das hat sie mit der Tierschutzpartei vor.
"Was mich antreibt, ist es, Strukturen zu schaffen, um die Partei von innen heraus aufzubauen", sagt Paula. "Wir haben ganz viele Dinge nicht, die für andere Parteien selbstverständlich sind." Sie sagt: "Wenn die Struktur steht, würde ich mich freuen, selbst richtig in die Politik einsteigen zu können. Ich habe mich ja auch schon aufstellen lassen und kann mir vorstellen, irgendwann Abgeordnete zu sein."
Womöglich Seite an Seite mit ihrem Freund Fabian Schelsky. Die beiden sind seit der Schulzeit ein Paar, haben gemeinsam zur Tierschutzpartei gefunden. Paula strahlt, wenn sie über seine Loyalität spricht: "Es ist toll, jemanden an der Seite zu haben, der einen so unterstützt und die gleichen Werte vertritt."
Gemeinsam haben sie nicht erst einmal darüber diskutiert, ob die Partei einen griffigeren Namen brauche. "Mensch Umwelt Tierschutz könnte man perfekt mit MUT abkürzen", sagt sie. Doch das ist keine Option: In Bayern existiert bereits eine Partei mit diesem Namen.
Die internen Diskussionen über einen neuen Namen flammen immer wieder auf, sagt Paula. Denn sie weiß: "Der Name klingt, als würde es uns nur um den Tierschutz gehen. Dass wir beim Klimaschutz deutlich weiter gehen als die Grünen, erfährt man erst, wenn man sich wirklich mit uns beschäftigt."
Zum Ende des Gesprächs wollen wir von Paula wissen: Wenn sie eine Sache einfach auf Knopfdruck umsetzen könnte: Was würde sie tun? "Es wäre das Ende der Massentierhaltung. Mit keiner anderen Sache könnte man so viel für Tiere tun."
"Ich bin mir sicher, dass viele umdenken würden, wenn sie wüssten, wie Massentierhaltung funktioniert."
Auf dem Weg zu diesem Ziel möchte sie auch an Kleinigkeiten arbeiten. "Der Tierschutz leidet noch immer an der Aufklärung", sagt sie. "Wenn ich mit Menschen diskutiere, sage ich oft: 'Ich verurteile niemanden, der Fleisch isst, ich habe das selbst getan.' Aber ich bin mir sicher, dass viele umdenken würden, wenn sie wüssten, wie Massentierhaltung funktioniert."
Darüber versucht sie nun im Wahlkampf zu informieren, wenn sie an Wochenenden Plakate klebt oder an Wahlkampfständen steht.
Wahl-O-Mat: Kritik an den gestellten Fragen
Bildung sei auch ein elementares Element: "In der Schule gibt es Lehrmaterial, bei dem Schüler:innen Bilderpaare zusammenbringen müssen. Und die Lösung ist: Das Kotelett gehört zum Schwein."
All jenen, die sich informieren möchten, empfiehlt sie den Film "Dominion". Wobei Paula auch warnt: "Ich konnte ihn nie zu Ende schauen. Es war zu heftig."
Im Wahlkampf geht es für die Tierschutzpartei dennoch auch intensiv ums Klima. "Wir haben vorher über den Wahl-O-Mat gesprochen", sagt sie. "Der hilft uns, bekannter zu werden. Dennoch: Im Wahl-O-Mat gibt es so gut wie keine Frage zum Klima. Das war zur Hochzeit von Fridays for Future noch anders. Ich hätte mir gewünscht, dass die Verantwortlichen da anders vorgehen und sich nicht treiben lassen von Debatten wie der um die Migration, die von einzelnen Parteien gezielt gepusht wurden."