Zwei Jahre lang war es "nur" eine Spezialoperation in der Ukraine. So zumindest Wladimir Putins Version seines völkerrechtlichen Angriffskrieges auf das Nachbarland. Eigentlich wollte er das Land einfach innerhalb von wenigen Tagen einnehmen und sich zu eigen machen.
Doch diese Rechnung hatte er ohne die Ukrainer:innen gemacht, die sich seitdem mit allem, was sie haben, gegen Russlands Angriffe wehren. Inzwischen spricht sogar der Kreml selbst von Krieg. Längst haben die meisten Menschen in Russland verstanden, was wirklich vor sich geht.
Immer wieder vermelden beide Seiten kleinere Erfolge, zuletzt musste Russland allerdings auch herbe Rückschläge hinnehmen. Die Streitkräfte leiden an Mangel von Kriegsgerät und fehlenden Soldaten.
Immer wieder wird über ein mögliches Kriegsende spekuliert. Jetzt sollen kremlnahe Quellen Details zu Putins Strategie in der Ukraine aufgedeckt haben, die nahelegen, wie ein Kriegsende aussehen könnte.
Laut einem neuen Bericht der ukrainischen Wochenzeitung "Kyiv Post" soll Putin dabei vor allem zwei Szenarien in Betracht ziehen. Ihre Informationen bezieht die Zeitung von anonymen Informant:innen aus kremlnahen Kreisen, die mit dem russischen Exilmedium "Meduza" gesprochen haben.
Den Quellen aus dem Bericht zufolge geht die russische Elite wohl davon aus, dass Putin weiter Krieg führen wird. Doch die Einschätzungen darüber, welche Ziele er sich derzeit für seine "Spezialoperation" setzt, gehen auseinander.
Einige der Gesprächspartner:innen gehen demnach davon aus, dass der Kremlchef an der Front Schwachstellen erkannt haben könnte und deshalb dazu bereit sein könnte, einen "entscheidenden Triumph" vorzubereiten. Das könnte auf eine Eroberung Kiews hindeuten.
Dort wurden in den vergangenen Tagen vermehrt Explosionen gemeldet, nachdem die Stadt längere Zeit von größeren Angriffen verschont geblieben war.
Dennoch wäre die Einnahme der Hauptstadt eine erhebliche Anstrengung für Russland, in Anbetracht der schwächelnden Wirtschaft und der sich daraus ergebenden drohenden Geldnot für Putin. Er scheitert bereits daran, genügend kampftüchtige Soldaten für die Front sowie moderne Panzer zu beschaffen.
Derzeit werden alte Sowjet-Panzer aufgerüstet und modernisiert, um im Kampf in der Ukraine zu unterstützen. Das konnte die Ukraine bislang allerdings gut kontern – und zwar mit vergleichsweise billigen, umfunktionierten Drohnen.
Eine etwas realistischere Option wäre für Putin, die zweitgrößte Stadt Charkiw im Osten des Landes einzunehmen. Das vermutet zumindest eine andere Fraktion der kremlnahen Quellen von "Meduza".
Putin hatte bereits mehrfach auf die strategische Bedeutung Charkiws für die russische Militärstrategie hingewiesen. Eine sogenannte Sanitärzone um die grenznahe Region Belgorod könnte laut dem Kremlchef hilfreich sein, um grenznahen Beschuss einzudämmen.
Das erklärte auch Kremlsprecher Dmitri Peskow bei der staatlichen Nachrichtenagentur Tass:
Hochrangige Sicherheitsbeamte sollen laut "Kyiv Post" Berichten zufolge trotz sich daraus ergebender Herausforderungen der Überzeugung sein, dass es möglich wäre, Charkiw einzunehmen.
Den kremlnahen Quellen zufolge würde das allerdings auch eine Mobilisierung im Land und eine weitere militärische Aufrüstung nötig machen. Kurz gesagt: Die Soldaten und das Kriegsgerät sind derzeit zu knapp, um eine großangelegte Offensive zu überstehen.
Die Region Charkiw ist seit Beginn der russischen Invasion ein Brennpunkt. Denn die ukrainischen Streitkräfte haben nach einer Gegenoffensive im Jahr 2022 einen Großteil des Territoriums zurückerobert. Die Stadt selbst blieb jedoch weiterhin ein Ziel russischer Bombardierungen.