Mindestens vier Tote, dutzende Verletzte, Feuer im Regierungsgebäude: Die Drohnen-Attacken Russlands in der Ukraine, besonders in der Hauptstadt Kiew, in der Nacht von Samstag auf Sonntag waren in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich.
Noch nie seit dem Kriegsbeginn im Februar 2022 hat Aggressor Russland sein Nachbarland mit einer derart hohen Anzahl an Drohnen, mehr als 800 waren es, angegriffen. Noch nie wurde das ukrainische Regierungsgebäude dabei beschädigt.
Und all das vor dem Hintergrund angeblich kurz bevorstehender Friedensgespräche zwischen Russlands Machthaber Wladimir Putin und Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj, angeleiert und herbeifantasiert von US-Präsident Donald Trump.
Putin zeigt klar, in welche Richtung die russischen Angriffe gehen sollen. Getrieben könnte er dabei auch von seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping sein.
Die Anzahl an abgefeuerten Drohnen ist zwar eine neue Dimension. Militärexperte Nico Lange zufolge ist aber nicht damit zu rechnen, dass sie in Zukunft eine Ausnahme bleibt.
Er erklärte im Interview mit dem ZDF am Sonntag, dass Russland lediglich fortsetze, was es vor einiger Zeit begonnen habe: Der Massenproduktion von Geran-2-Drohnen, von denen "immer mehr" eingesetzt würden. Dieses Mal seien es 800 in einer Nacht gewesen, doch es werde wahrscheinlich so weitergehen.
Lange äußerte beim ZDF die Befürchtung, dass man bald sogar "1000, 1500 oder 2000 Drohnen sehen" könne. "Die größte Gefahr" seien bei einem derart großen Angriff die schiere Zahl an Drohnen, von denen man nicht alle abwehren könne und die auch Trümmerteile produzieren würden, die auf Dächer abfielen, wie jetzt auf das Regierungsgebäude.
In Zukunft könne Russland in seinen "Hyperfabriken" womöglich "10.000-12.000 Drohnen im Monat" produzieren. "Dann wird man auch in großen Wellen Angriffe starten, wie gestern Nacht." Effektiv würden dagegen aus ukrainischer Sicht nur Angriffe gegen die russischen Drohnenfabriken helfen.
Hintergrund der Angriffe sei laut Lange, "dass es am Boden für Russland nicht läuft", dort würden die Truppen trotz vom Kreml angekündigter Offensiven nicht viel erreichen. Daher also die Konzentration auf Luftangriffe.
Doch es dürfte einem anderen Experten zufolge noch einen weiteren Grund für die aggressiveren Angriffe geben: Chinas Machthaber Xi Jinping.
Politikwissenschaftler Thomas Jäger erklärte am Sonntag gegenüber ntv, dass es für Putin gegenüber Xi, den er jüngst für eine große chinesische Militärparade besuchte, etwas unangenehm sein dürfte, dass Russland im Ukraine-Krieg nicht vorankomme.
Die jüngsten Angriffe Russlands seien der Versuch, den Krieg "mit der Brechstange zu gewinnen". Die Angriffe auf zivile Strukturen würden darauf abzielen, den Willen der Ukrainer zu brechen. Militärisch hätte es Russland schwer, den Krieg zu gewinnen, weil es eben kaum Durchbrüche an der Front gäbe – für den großen Machthaber Putin womöglich peinlich? Jäger erklärt:
Russland sei offensichtlich "über Jahre hinweg" nicht in der Lage, den Krieg zu gewinnen. Dies spreche in der gemeinsamen Partnerschaft eben "nicht mehr für Augenhöhe" zwischen Putin und Xi. Die intensiver werdenden russischen Angriffe, auch auf zivile Strukturen, würden eine Botschaft Richtung Ukraine senden: "Wir zerstören dieses Land, wenn es sich nicht ergibt."
Bei den heftigen russischen Luftangriffen in der Nacht waren nach Angaben von Ukraine-Präsident Selenskyj vier Menschen ums Leben gekommen. Auf Social Media teilte er mit, dass allein in Kiew dutzende Verletzte zu beklagen seien.
Laut Behördenangaben sind unter den Toten auch eine Frau und ihr erst drei Monate altes Baby. In Saporischschja seien durch die Angriffe über 20 Wohnhäuser und ein Kindergarten beschädigt worden, berichtete Selenskyj weiter.
Selenskyjs Fazit: "Die Welt kann die Kreml-Verbrecher zwingen, das Töten zu beenden." Dazu brauche es "nur den politischen Willen". Kritik richtete er auch an die USA und damit in Richtung US-Präsident Donald Trump. Selenskyj wies auf dessen leeren Androhungen von Sanktionen gegen Russland hin.
(mit Material der dpa)