Für den ständigen Druck auf die zahlenmäßig unterlegenen Ukrainer:innen werden viele russische Soldaten an der Front geopfert. Dazu nutzt der Kreml bei Weitem nicht nur Landsleute.
Dass Russland in großem Stile Männer aus dem globalen Süden – etwa aus afrikanischen Staaten – nach Moskau lockt, ist schon länger bekannt. Dennoch gibt es weiterhin Berichte über immer neue Vorwände, mit denen der Kreml die Menschen teilweise austrickst, um sie an die Front und sehenden Auges in den Tod zu schicken.
In zwei neuen Fällen etwa waren es besonders dreiste Lügen.
Jean Onana ist ein Betroffener der russischen Anwerbungs-Maschinerie in Afrika. Wie der "Telegraph" berichtet, wurde auch er unter falschen Vorwänden erst nach Russland gelockt und dann in die Ukraine geschickt. In Kameruns Hauptstadt Jaunde habe der 36-Jährige keinen Job gehabt, um seine Frau und drei Kinder zu ernähren, wie Onana laut der britischen Zeitung ukrainischen Ermittlern erklärte.
Dann habe er ein verlockendes Stellenangebot für eine Shampoo-Fabrik in Russland gesehen, habe auf ein Flugticket gespart und sei schließlich nach Moskau gereist.
Dort sei er jedoch kaum angekommen gewesen, als er zusammen mit zehn weiteren Männern aus Ländern wie Bangladesch, Ghana, Simbabwe und Kamerun festgenommen und gezwungen worden sei, einen einjährigen Militärvertrag zu unterzeichnen.
Statt einer Fabrikarbeit habe ihn demnach eine fünfwöchige militärische Ausbildung in Rostow und Luhansk erwartet. Während dieser Zeit habe er noch telefonieren dürfen – doch auf dem Weg zur Front seien ihm laut Bericht Handy und Ausweispapiere abgenommen worden.
Anfang Mai habe er mit acht weiteren Soldaten einen Frontbunker besetzen sollen – dieser sei kurz darauf bombardiert worden. Alle anderen seien getötet worden, nur Onana habe schwer verletzt überlebt und sechs Tage lang im Schutt gelegen, bevor er sich aus den Trümmern habe befreien können und schließlich gefangen genommen worden sei.
Malik Diop, ein 25-jähriger Student aus dem Senegal, ist laut "Telegraph" ein weiterer Fall dieser systematischen Rekrutierungspraxis, der ebenfalls vor Kurzem publik wurde.
Er habe in Russland studiert, als ihn Rekrutierer in einem Einkaufszentrum angesprochen hätten. Sie haben ihm demnach versprochen, in Luhansk als Küchenhilfe zu arbeiten – angeblich für 5.700 Dollar (etwa 4.968 Euro) im Monat.
Nur eine Woche später sei ihm jedoch ein Sturmgewehr, Granaten und ein Helm übergeben und er direkt an die Front bei Torezk gebracht worden. Den ukrainischen Ermittlern habe er erzählt:
Sobald es ihm möglich war, habe er Uniform und Waffen weggeworfen und sei desertiert. Nach zwei Tagen Flucht sei er aufgegriffen worden.
In der Vergangenheit gab es bereits viele Berichte junger Menschen aus dem globalen Süden, unter anderem aus afrikanischen Staaten, die mit falschen Versprechungen über Jobs oder hohe Löhne nach Russland gelockt wurden – nur um dann entweder an die Front geschickt oder in Kriegsindustrien eingesetzt zu werden.
Kameruns Regierung hat laut dem "Telegraph" wegen der vielen Deserteure aus den eigenen Streitkräften im März die Ausreise von Militärangehörigen erschwert. Auf Social Media würden derweil inzwischen zahlreiche Suchaufrufe nach vermissten Landsleuten, oft mit Bildern in russischer Uniform kursieren.
Auch afrikanische Frauen würden laut einem Bericht der Global Initiative Against Transnational Organised Crime nach Russland gelockt werden – jedoch nicht an die Front, sondern in russische Drohnenfabriken.
Auch ihnen seien demnach Versprechungen von Bildung und Gehalt gemacht worden, ohne ihnen zu offenbaren, dass sie in einer militärischen Produktionsstätte arbeiten sollen. Die Fabrik sei im April 2024 schließlich von ukrainischen Drohnen angegriffen worden, wobei mehrere der Frauen verletzt worden seien.