
Wladimir Putin in Moskau: Der russische Präsident wird von westlichen Politiker:innen zunehmend als Bedrohung für Europa eingestuft.Bild: Pool Sputnik Kremlin / Alexander Kazakov
Deutschland
Politik und Militär warnen vor einem möglichen Russland-Angriff im Jahr 2029. Doch mehrere Sicherheitsexperten halten das Szenario für übertrieben – und beziehen sich auch auf einen militärischen Angriff in Deutschland.
26.05.2025, 10:3726.05.2025, 10:37
Deutschland rüstet auf – als Reaktion auf mögliche Bedrohungen durch Russland und seinen Präsidenten Wladimir Putin. Politik und Militär verweisen dabei immer wieder auf das Jahr 2029 – als mögliches Datum für einen russischen Angriff auf Nato-Gebiet.
Grundlage ist unter anderem ein internes Nato-Papier, das laut Aussagen deutscher Offizieller darauf hinweist, dass Russland bis dahin über ausreichend militärische Kapazitäten für einen großmaßstäblichen Angriff verfügen könnte.
Doch mehrere Sicherheitsexpert:innen äußern Zweifel an der Belastbarkeit dieses Szenarios. So auch der Politikwissenschaftler Carlo Masala, Professor an der Universität der Bundeswehr in München. Er widerspricht der Alarm-Rhetorik.
Sicherheitsexperte hält Russland-Angriff für unwahrscheinlich
Ein Angriff auf europäisches Gebiet sei für Russland derzeit und in den kommenden Jahren zu riskant, sagte Masala in einem Interview mit der "Zeit". Stattdessen halte er "kleine Nadelstiche" für wahrscheinlicher – etwa gezielte Provokationen in baltischen Grenzregionen. Russland könne versuchen, einen kleinen Ort im Baltikum oder ein Stück Finnland zu besetzen, "vielleicht sogar eine unbewohnte Gegend in Kanada".
Die genannte Jahreszahl 2029 bewertet Masala kritisch. Er selbst habe das zugrunde liegende Nato-Dokument nicht gelesen. Gegenüber der "Zeit" erklärte er: "Niemand hat es lesen können. Ohnehin wird die Zahl 2029 von Politikern strategisch genutzt. Sie müssen sagen, dass Russland 2029 einen Krieg führen könnte, um die Menschen auf höhere Verteidigungsmaßnahmen einzustimmen."
Auf die Frage, ob er eine konkrete Gefahr für Deutschland sehe, antwortete Masala: "Ein russischer Einmarsch in Deutschland ist für mich ausgeschlossen." Damit meint er explizit militärische Angriffe. Hybride Angriffe, etwa durch Desinformation oder Cyberoperationen, finden bekanntermaßen bereits seit Jahren statt.
Warnung vor Eskalationsspirale durch Aufrüstung
Masala sprach außerdem von einem "Sicherheitsdilemma", in dem die Aufrüstung beider Seiten sich gegenseitig verstärke. Dennoch halte er militärische Stärkung für notwendig – solange sie defensiv bleibe.
Auch der französische Sicherheitsexperte Élie Tenenbaum vom Thinktank Ifri äußert Zweifel an einer konkreten Jahreszahl. Das 2029-Szenario werde "politisch benutzt", sagte Tenenbaum in der "Zeit". Die Zahl solle die Europäer:innen für eine verstärkte militärische Ausrüstung mobilisieren, "hat aber letztlich keinen Wert".
Seine Einschätzung zur Gefährlichkeit Russlands stützt er auf ein Papier des russischen Außenministeriums aus dem Winter 2021, in dem der Rückzug der Nato aus allen seit 1997 erweiterten Gebieten gefordert wurde. "Man muss Putins Worte ernst nehmen", sagte Tenenbaum. Gleichzeitig betonte er: "Russland kann auch morgen angreifen – wer weiß das schon."
Russland: Szenarien für Provokationen – aber keine Invasion
Der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel hält einen militärischen Angriff Russlands auf Deutschland ebenfalls für unwahrscheinlich. Auf die Frage, ob er mit einem Angriff vor dem Sommer 2026 rechne, antwortete er der "Zeit": "Nein, ich halte es für ausgeschlossen, dass Putins Panzer in Berlin oder Paris auflaufen." Neitzel rechnet eher mit Versuchen Russlands, die Nato-Staaten in Osteuropa unter Druck zu setzen – etwa durch ein Vordringen in die baltischen Staaten.
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Er verweist außerdem darauf, dass das oft zitierte Nato-Papier ursprünglich 2023 entstanden und 2024 veröffentlicht worden sei – weshalb sich die Warnung faktisch auf das Jahr 2028 beziehe. Russland werde wohl kaum abwarten, "bis die Nato verteidigungsbereit ist", sagte Neitzel. Die Zeit bis 2028 sei daher aus seiner Sicht "die gefährlichste".
Auch Neitzel sieht Risiken in einem verstärkten Wettrüsten. "Wir können heute die Folgen des Aufrüstens nicht kennen – schreckt es Russland ab, oder hat es den gegenteiligen Effekt?", fragte er in der "Zeit". Zwar halte er Abschreckung für wahrscheinlich, eine Garantie sei das aber nicht.
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