Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist auch die Kriegsführung revolutioniert worden. Er bedeutet die erste kriegerische Auseinandersetzung, in der massiv auf Drohnen zurückgegriffen wird. In keinem Konflikt zuvor sind so viele Drohnen eingesetzt worden – was zuvorderst daran liegt, dass sie erheblich günstiger sind als Artilleriegeschosse oder Raketen.
Nach knapp drei Jahren haben sich gerade ukrainische Einheiten spezialisiert. Der Angriff über Drohnen aus der Luft ist zentraler Bestandteil der Kriegstaktik. Und einer der wesentlichen Gründe, warum es der Ukraine noch immer gelingt, sich gegen den Aggressor zu wehren.
Der "Kyiv Independent" hat Einblick erhalten in die Arbeit des Achilles Strike Drone Battalion, einem Teil der 92. Angriffsbrigade der Ukraine. Sie ist eine der effektivsten Drohneneinheiten des Landes.
Gerade jetzt, wo die Ukraine mit nachlassenden Infanterie-Kapazitäten zu kämpfen hat, übernehmen Drohnen einen "Löwenanteil" daran, russische Angriffe abzuwehren, heißt es in dem Bericht.
Für den 26-jährigen Kommandanten und Navigator Skhid beginnt der Tag um 6 Uhr morgens. Knapp zwei Kilometer von den russischen Stellungen entfernt öffnet er in einem wohlig eingerichteten Unterstand seinen Laptop und versucht, mittels Wärmesignaturen die Position russischer Soldaten zu ermitteln.
Und während Strilok in einem benachbarten Unterstand eine 18 Zentimeter große Drohne mit Splittermunition ausrüstet, setzt sich Pilot Skuba neben Oleksandr und bereitet sich darauf auf seine Abschüsse vor.
Die Durchschlagskraft ukrainischer Drohnen wirkt sich auch direkt auf den Krieg und das Vorgehen Russlands aus. Je schwieriger es für ukrainische Drohnen ist, das Schlachtfeld zu beobachten und darin einzugreifen, desto größer sind die Chancen kleiner russischer Infanteriegruppen, unbeschadet zu ukrainischen Stellungen vorzudringen. Deswegen, heißt es im "Kyiv Independent", neigen russische Soldaten dazu, bei schlechtem Wetter vorzurücken.
An der ostukrainischen Front gehe Russland mit einer Mischung aus Panzerangriffen und schleichenden Angriffswellen von Infanterietruppen vor. Da die russischen Streitkräfte nicht in der Lage seien, wirksame kombinierte Waffenoffensiven größeren Ausmaßes durchzuführen, beschränkt sich ihre Taktik dem Bericht zufolge oft darauf, möglichst viele Soldaten so schnell wie möglich ins Feld zu bringen. Zum Vorteil der ukrainischen Drohnenexperten.
"Sie haben ihre vorherbestimmten Routen, auf denen ihre Infanterie Stellung für Stellung vorrückt", sagt der Kommandant Skhid. "Wir wissen, wo diese Stellungen sind, und wir beobachten sie ständig. Sobald unsere Aufklärung eine Gruppe oder auch nur ein paar von ihnen sieht, machen wir uns an die Arbeit."
Eine zentrale Rolle nehmen dabei sogenannte First-Person-View-Drohnen (FPV-Drohnen) ein. Verteidigungsminister Rustem Umerow erklärte im Dezember letzten Jahres, dass der Staat im Jahr 2024 über 1,5 Millionen FPVs ausliefern werde.
Dabei handelt es sich um Kamikazedrohnen, an deren Unterseite Splittermunition befestigt ist, die auf Knopfdruck detoniert. Sie haben keinen eingebauten Stabilisator und reagieren extrem empfindlich auf kleinste Richtungsänderungen. Schon ein herumliegender Ast kann die Drohne zum Einsturz bringen.
Als Reaktion auf den vermehrten Einsatz von Drohnen tragen mittlerweile beide Seiten vermehrt Schrotflinten mit sich, um das Flugobjekt mittels gezielter Gewehrsalve abzuschießen, schreibt der "Kyiv Independent".
"Manchmal kommen während der Arbeit aufgrund äußerer Ereignisse Gefühle hoch", sagt Pilot Skuba. "Es kann etwas mit der Familie zu tun haben, mit geliebten Menschen, eine Tragödie im Zusammenhang mit dem Krieg." Das könne sich anhäufen und eine Wut und Ressentiments gegenüber den Russen aufbauen.
"Aber manchmal", sagt er, "manchmal ist es einfach Zen, es ist einfach diese reibungslose, konstante Arbeit. Wir sehen die Ziele und wir greifen sie an."
Eine andere alltägliche Aufgabe ist es, liegengebliebene Panzer und Fahrzeuge der russischen Streitkräfte zu zerstören, bevor sie diese evakuieren und reparieren können. Dabei kommt es auch zum Wettstreit mit benachbarten Brigaden, heißt es im "Kyiv Independent".
Geschildert wird eine Szene, in der die Kampfeinheit Achilles in Echtzeit mit anderen Einheiten darum konkurriert, das begehrte Video der zerstörten Panzer zu ergattern, um es ihren persönlichen Berichten hinzuzufügen.
Weil der Einsatz von Drohnen immer wichtiger wird und im Vergleich zum Infanterieeinsatz weniger gefährlich ist, ist der Wachstumssektor laut dem Bericht auch für all jene am interessantesten, die jetzt noch freiwillig oder durch Mobilmachung der Armee beitreten.
"Im Moment beobachten wir eine sehr starke Konzentration von Drohnen in diesem Sektor – nicht nur von unserer Einheit", sagt der Kommandant Skhid. "Wir haben hier relativ umfangreiche Beobachtungen und es gibt viele Leute, die mit allen möglichen Arten von Drohnen arbeiten."
Wenn aber niemand mehr physisch in der Baumgrenze sitzt, könne man nicht viel erreichen. "Wir können nicht einfach eine Drohne dort parken (...) Es ist eine massive Kombination verschiedener Elemente."