Ukraine-Soldaten, die es aus russischer Gefangenschaft lebend schaffen, berichten von grausamen Zuständen. (Symbolbild) Bild: Press service of 24 Mechanised b / Oleg Petrasiuk
Ukraine
Triggerwarnung: Im folgenden Text werden Gewalthandlungen geschildert, die belastend und retraumatisierend sein können.
Ukrainische Soldat:innen berichten immer wieder von brutalen Erlebnissen, die sie in russischer Gefangenschaft erleben. Das zeigen die zahlreichen Berichte von ukrainischen Soldat:innen, die es lebend aus der russischen Hölle schafften – darunter auch der Veteran Vladyslav Zadorin.
Ein ukrainischer Soldat umarmt nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft seinen Kameraden.Bild: AP / Evgeniy Maloletka
Beinahe zwei Jahre lang verbrachte er nach eigener Aussage in einem russischen Gefängnis und gibt einen Einblick, was er und seine Kameraden durchstehen mussten.
Ukraine-Krieg: Russlands perfide Folter von Gefangenen
Vladyslav war einer der Soldat:innen, die zu Beginn des Großangriffs Russlands im Februar 2022 die Schlangeninsel verteidigten. Diese gilt heute als Symbol des ukrainischen Widerstands durch einen Vorfall unmittelbar nach Beginn der russischen Invasion.
Das russische Kriegsschiff "Moskwa" forderte damals die auf der Insel stationierten Ukrainer:innen auf, sich zu ergeben. Ihre Antwort lautete: "F*** dich, russisches Kriegsschiff!" Der Spruch ging um die Welt. Doch an diesem Tag begann für Vladyslav die russische Gefangenschaft.
Nachdem die Russen sie auf der Schlangeninsel gefangen genommen hatten, lagen sie laut des Veteranen zwölf Stunden lang auf einem Pier.
"Es war Ende Februar, es war kalt. Das Meer war stürmisch und das eiskalte Wasser spritzte ständig auf uns", beschreibt er die ersten Stunden der Gefangenschaft. Auch nach der Ankunft in der Kolonie standen er und seine Kamerad:innen stundenlang im kalten Schnee.
In der Kolonie bekamen sie eine Schale mit klarem Wasser, in der sich ein einzelner Rübenstrang befand. "Als wir fragten, was das sei, sagten sie: 'Das ist euer ukrainischer Borschtsch'", berichtet Vladyslav in einem Interview. Der ukrainische Übersetzer und Journalist Volodymyr Tretyak teilt Auszüge aus dem Video auf der Plattform X. Die Schilderungen können derzeit nicht unabhängig überprüft werden.
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"Wenn dir die Kraft ausgeht, setzen sie einen Elektroschocker ein. Sie setzten den Taser überall ein – in unserem Mund, an den Genitalien und sogar im Rektum", erzählt der Ukrainer. Ein Wärter habe Gefangene besonders heftig geschlagen.
Russland ließ Ukraine-Gefangene auf Deutsch zählen
"Er schlug uns auf die Wirbelsäule und versuchte, die Wirbel nach innen zu drücken", sagt Vladyslav. Dabei habe der Wärter Enkelkinder in Charkiw in der Ukraine, meint der Veteran.
Auf dem Weg zur Dusche mussten die Gefangenen auf Deutsch 'eins, zwei, drei, vier' rufen. "Die Russen sagten, wir seien Faschisten und wir sollten in der 'Sprache der Faschisten' schreien." Zudem mussten sie Vladyslav zufolge 30 bis 50 Mal am Tag die russische Hymne singen.
Vladyslav Zadorin in Uniform. Er postete das Bild Ende Januar 2022.
Er spricht auch von sexualisierter Gewalt. Einige wurden zu Tode geprügelt. Die Russen haben laut ihm die Gefangenen mit barbarischen Foltermethoden gequält, etwa wurde einem Kameraden die Zunge wie bei einer Schlange in zwei Teile geschnitten. Die Zähne wurden mit einer Zange gelockert, sodass sie mit der Zeit ausfielen.
Vladyslav spricht auch von mentaler Folter. Die Russen verteilten das Essen etwa ungerecht; einige bekamen fast gar nichts, andere einen vollen Teller. "Das geschah, um einen tierischen Instinkt auszulösen. Das führte manchmal zu Schlägereien", sagt der junge Mann.
Er selbst litt an Unterernährung. "Ich aß Würmer, um zu überleben. Eiweiß ist Energie, und man braucht sie zum Überleben. Manche Leute haben sogar Klopapier gegessen und es in die Suppe getunkt."
Vladyslav hatte Glück und gehörte zu jenen, die durch einen Austausch zurück in die Heimat durften.
Der ukrainische Veteran Vladyslav Zadorin vor (r.) und nach seiner Russland-Gefangenschaft.bild / screenshot instagram
"Nach der Gefangenschaft hatte ich Gallensteine, Hirnverletzungen, beschädigte Halswirbel, verfaulte Finger und ein ausgekugeltes Becken. Vor der Gefangenschaft wog ich 120 Kilogramm, danach nur noch 60", sagt er.
Seit über 1000 Tagen herrscht bereits Krieg in der Ukraine. Und das, obwohl der russische Präsident Wladimir Putin das kleinere Nachbarland binnen weniger Tage einnehmen wollte. Nach bald drei Jahren herrscht eine enorme Kriegsmüdigkeit – nicht nur in der Ukraine.