Stellt das offiziell neutrale China dem Partner Russland eigene Soldaten bereit, die in der Ukraine kämpfen? Ein großer Vorwurf, doch zumindest der Verdacht erhärtet sich laut Wolodymyr Selenskyj derzeit. Die ukrainischen Streitkräfte haben demnach zwei chinesische Staatsangehörige festgesetzt, die aufseiten der russischen Armee kämpften.
Der Vorfall soll sich im ostukrainischen Gebiet Donezk ereignet haben. Selenskyj teilte am Dienstag mit, dass es auch "Dokumente der Gefangenen" gebe, darunter "Bankkarten, persönliche Daten". Doch damit nicht genug, denn Selenskyj zufolge gebe es "Informationen darüber, dass es weitaus mehr solcher Bürger Chinas in den Einheiten der Besatzer gibt".
China wurde daher dringend um ein Statement gebeten. Dieses folgte am Mittwoch, Peking war sich jedoch keiner Schuld bewusst. Expert:innen haben indes einen anderen Verdacht, wie es zur Präsenz der zwei Chinesen auf dem ukrainischen Schlachtfeld kommen konnte.
Die chinesische Regierung reagierte deutlich auf die Vorwürfe Selenskyjs. Die Anschuldigungen, wonach weitere Chinesen in russischen Reihen stehen könnten, wies Peking entschieden zurück. Diese seien "völlig haltlos", erklärte Außenamtssprecher Lin Jian am Mittwoch.
Er unterstrich, Chinas Haltung zum Ukraine-Konflikt sei "eindeutig" und finde "breite Zustimmung in der internationalen Gemeinschaft". Zugleich appellierte er an die ukrainische Führung, "die Bemühungen und die konstruktive Rolle Chinas beim Vorantreiben einer politischen Lösung" ernst zu nehmen.
Zudem erinnerte Jian daran, dass die chinesische Regierung ihre Bürger wiederholt dazu aufgefordert habe, "Konfliktgebiete zu meiden und sich in keiner Form an bewaffneten Konflikten zu beteiligen".
Ob China in diesem Fall die Wahrheit sagt, bleibt unklar. Jedoch gibt es eine Theorie, die sowohl Selenskyjs als auch Jians Wahrheiten vereint. Diese äußerte nun das Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington.
Wie n-tv berichtet, erinnert das ISW der Vorgang an in der Vergangenheit unfreiwillig rekrutierte indische Arbeitsmigranten. Im vergangenen Jahr wurde ein Menschenhandelsnetz aufgedeckt, das Inder unter falschem Vorwand, nämlich dem Versprechen auf Arbeit, nach Russland lockte.
Dort angekommen, wurden die Inder, die sich als Arbeitsmigranten wähnten, dann aber gezwungen, Militärverträge mit dem russischen Verteidigungsministerium abzuschließen. Im Anschluss sollten sie als Soldaten für Russland an der Front in der Ukraine kämpfen.
Indische Behörden hätten gegen das Netzwerk Ermittlungen eingeleitet und Russland zudem dazu gedrängt, die Männer wieder in ihre Heimat zu schicken.
Dem ISW zufolge könnte China nun ähnlich vorgehen und auf Russland Druck zur Rücksendung möglicher Chinesen ausüben – und damit demonstrieren, "dass seine Regierung nicht in die Beteiligung seiner Bürger an diesem Krieg verwickelt ist".
(mit Material von dpa und afp)