In Nahost brodelt es gewaltig. Der Krieg zwischen der Terrorgruppe Hamas und Israel wirft Funken um sich. Die Angst besteht, sie könnten jederzeit ins Pulverfass fliegen und zu einer gewaltigen Explosion führen.
Denn mehrere Akteure mischen mittlerweile kräftig mit, darunter auch der Iran. Die islamische Republik sorgt immer wieder für Aufregung, sei es durch Raketenangriffe auf Irak oder Syrien. Bei einem Drohnenangriff auf einen Militärstützpunkt im Nordosten Jordaniens nahe der Grenze zu Syrien starben zuletzt drei US-Soldat:innen, etwas mehr als 30 Menschen wurden verletzt.
US-Präsident Joe Biden macht pro-iranische Gruppen für den Vorfall verantwortlich und kündigt einen Vergeltungsschlag an. US-Medien veröffentlichen zu diesem "Rache-Plan" nun Details.
Demnach sollen die USA Pläne für eine Reihe von Angriffen auf iranische Ziele in Syrien und im Irak genehmigt haben. Das teilen Beamte etwa den US-Sendern CNN und CBS News mit. Es heißt, dass die geplanten Angriffe über mehrere Tage hinweg stattfinden. Der Start sei abhängig von der Wetterlage.
Die Biden-Regierung gerät zunehmend unter Druck, schnellstmöglich auf den Angriff zu reagieren. Vor allem aus dem republikanischen Lager kommt harsche Kritik an Bidens Zögerlichkeit.
"Wir werden reagieren, wo wir wollen, wann wir wollen und wie wir wollen", sagt US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bei einer Pressekonferenz zu der verzögerten militärischen Reaktion. "Ich denke, jeder ist sich der Herausforderung bewusst, die damit verbunden ist, dass wir die richtigen Leute zur Verantwortung ziehen müssen", führt er aus. Er betont, es gebe Möglichkeiten, dies so zu handhaben, dass es nicht außer Kontrolle gerät.
Denn laut Expertenstimmen sind sowohl die Biden-Regierung als auch der Iran nicht an einer militärischen Eskalation interessiert.
"Für einen größeren Gegenschlag oder gar eine direkte Konfrontation mit Teheran hat Washington zurzeit schlichtweg nicht genug Ressourcen – weder militärisch noch politisch", sagt Konfliktbeobachter Nikita Gerasimov auf watson-Anfrage. Er analysiert Konflikte und Kriege weltweit an der Freien Universität Berlin.
Militärisch seien die USA völlig damit ausgelastet, ihre Verbündeten in der Ukraine und Israel zu unterstützen und seit jüngster Zeit nun auch noch Luftangriffe im Jemen zu fliegen. "Politisch dominiert die wachsende Spannung rund um die Migrationskrise an der US-Südgrenze sowie die näher rückende Wahl das politische Geschehen in Washington", führt Gerasimov aus.
Die Biden-Regierung werde unter diesen Umständen wohl kaum riskieren, auch noch in eine direkte Großeskalation mit einem Gegner wie Iran zu schlittern – "von einer atomaren Eskalation braucht man erst gar nicht zu sprechen", sagt der Experte.
Diese Tatsache dürfte den regionalen Akteuren bestens bekannt sein. Demnach sei für Gerasimov der tödliche Angriff durch pro-iranische Gruppierungen auf eine US-Basis in Jordanien ein wachsender Ausdruck davon, dass es den USA zunehmend schwerfällt, ihre Rolle als Ordnungsmacht und dominierende Kraft in Nahost aufrechtzuerhalten.
Denn: "Ähnliche Angriffe auf US-Einrichtungen durch mutmaßlich pro-iranische Gruppierungen finden schon seit Monaten quer durch die Region statt, ohne dass Washington die Situation ernsthaft ändern oder die Attacken stoppen kann", sagt er. Laut ihm hat es der tödliche Angriff vom 28. Januar nur wegen der Opfer unter amerikanischen Soldat:innen in die weltweiten Schlagzeilen geschafft. "Dabei war der Angriff aber angesichts der vorherigen Tendenzen fast schon absehbar."
Nun versprechen einige US-Vertreter eine harte Antwort, manche spekulieren gar über eine Großeskalation, "jedoch dürfte sich eine US-Antwort wohl kaum direkt gegen den Iran richten, sondern vermutlich nur gegen Positionen pro-iranischer Milizen irgendwo in Syrien oder Jordanien", sagt Gerasimov.
Laut ihm werden die Schläge höchstwahrscheinlich eher symbolischer Natur bleiben und Teheran keinen systemischen Schaden in der Region anrichten können.
US-Medien zufolge wissen ihre Quellen keinen genauen Zeitplan für die möglichen Angriffe. Sie sagten, das US-Militär könne die Angriffe auch bei schlechtem Wetter durchführen, ziehe es aber vor, eine bessere Sicht zu haben, um das Risiko zu verringern, versehentlich Zivilist:innen zu treffen.
Doch mit einem "Gegenschlag" der USA wird wohl kaum Ruhe in die Region einkehren – im Gegenteil.
Nach Einschätzung Gerasimovs werde man auch in Zukunft die "rote Linien" der USA in der Region ausreizen und austesten. Denn: Die wachsende Unfähigkeit Washingtons, ausreichend militärisches Drohpotential in der Region zu projizieren, zusammen mit dem innenpolitischen Wahlkampf und weiteren Konflikten ermutigen paramilitärische, nicht-staatliche Akteure, weitere Angriffe auf US-Einrichtungen zu unternehmen.