Spielt ein gefährliches Spiel mit der US-Justiz: Ex-Präsident Donald Trump.Bild: AP / Andrew Harnik
USA
Donald Trump hat viele Anklagen am Hals. Dass der ehemalige US-Präsident es mit den Gesetzen nicht so genau nimmt, ist bekannt. "Der Präsident hat eine einzigartige verfassungsmäßige Rolle, aber er steht nicht über dem Gesetz", warnt Ermittler James Pearce in einer Anhörung am Dienstag. Er gehört zum Team des Sonderermittlers Jack Smith, der Trump an den Kragen will.
Es geht um die Rolle Trumps während der Präsidentschaftswahl 2020 und dem Sturm auf das Kapitol durch seine Anhängerschaft. Der ehemalige US-Präsident erscheint persönlich vor Gericht, obwohl er es nicht müsste. Doch für ihn geht es bei der Anhörung zur Frage seiner Immunität um nicht weniger als seine politische Zukunft. Für die USA geht es um noch viel mehr.
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Ein Berufungsgericht soll klären, ob Trump wegen seiner Versuche, das damalige Wahlergebnis zu kippen, auf Bundesebene strafrechtlich verfolgt werden kann – oder ob er durch seine Immunität als Präsident geschützt ist.
Trump will die Karte "Immunität" ausspielen – und schießt übers Ziel hinaus
Das Argument von Trumps Anwälten: Der Republikaner kann nicht rechtlich für Handlungen belangt werden, die sie zu seinen Pflichten als Präsident zählen. Diese Idee stößt einigen im Gerichtssaal wohl sauer auf. Denn: Diese Auffassung würde US-Präsidenten zu De-facto-König:innen machen, die über dem Gesetz stehen.
Was sich wohl Trump insgeheim wünscht. Schließlich sagt er offen, am ersten Tag seiner Wiederwahl ins Weiße Haus, eine Runde Diktator spielen zu wollen. Passend dazu kündigt er an, verbotene Hinrichtungsmethoden wieder einführen zu wollen, unter anderem Erschießungskommandos.
Und vor der Ermordung von politischen Gegnern würde er wohl auch nicht zurückschrecken.
Ermordung von Rivalen – laut Trump-Anwalt hätten Präsidenten grünes Licht
Auf das Argument von Trumps Rechtsanwalt John D. Sauer, dass Trump eine Art "präsidiale Immunität" genieße, die ihn vor strafrechtlichen Konsequenzen schütze, stellt eine der Berufungsrichter:innen eine hypothetische Frage:
"Könnte er dem Seal Team Six befehlen, einen politischen Rivalen zu ermorden?", fragt die Richterin. "Das ist eine Amtshandlung, ein Befehl an Seal Team Six." (Zum Hintergrund: Das Seal Team Six ist eine US-Spezialeinheit der Navy Seals.)
"Er müsste angeklagt und schnell verurteilt werden, bevor er strafrechtlich verfolgt werden kann", behauptet Sauer. Sprich, Trumps Anwalt geht davon aus, wenn Trump Navy Seals einsetzen würde, um etwa einen demokratischen Rivalen zu töten, wäre er immun gegen Strafverfolgung. Es sei denn, der Kongress würde ihn anklagen und verurteilen.
Mit anderen Worten: Ein von den Republikanern kontrolliertes Repräsentantenhaus oder ein von den Republikanern kontrollierter Senat könnte laut Sauer ihren republikanischen Präsidenten völlig ungestraft davonkommen lassen.
Eine Zeichnung von der Anhörung. Donald Trump (r.) nimmt persönlich teil.Bild: FR31454 AP / Dana Verkouteren
"Was wäre, würde er nicht angeklagt und verurteilt werden? Gäbe es dann keine strafrechtliche Verfolgung? Keine strafrechtliche Verantwortung dafür?", hakt die Richterin nach. Trumps Anwalt reagiert darauf mit einem Wortsalat aus Juristensprache, um die Frage zu umgehen, und die Richterin unterbricht ihn: "Ich habe Ihnen eine Ja- oder Nein-Frage gestellt. Könnte ein Präsident, der das Seal Team Six mit der Ermordung eines politischen Rivalen beauftragt, der nicht angeklagt wurde, strafrechtlich verfolgt werden?"
"Wenn er zuerst angeklagt und verurteilt würde", antwortet der Anwalt.
"Ihre Antwort ist also nein", will die Richterin wissen. Sauer fährt fort, dreht sich mit seinen Aussagen im Kreis, aber sein Standpunkt wird dennoch deutlich: Seiner Auffassung nach können Präsidenten tun, was sie wollen, solange sie einen willfährigen Kongress haben, der nicht bereit ist, sie anzuklagen.
Und das sind Menschen, die Trump juristisch beraten, ihn unterstützen und beistehen.
Frage um Immunität könnte große Folgen für die USA haben
Die Frage, ob Trump aufgrund der Immunität geschützt sei, ist demnach eine fundamental wichtige Frage für ihn – für das Wahljahr in den USA und die politische Zukunft des Landes: Schützt das Präsidentenamt vor Strafverfolgung?
Von der Entscheidung dieser Frage hängt viel ab. Sollten US-Präsidenten wirklich Immunität genießen, könnten sie Straftaten im Amt begehen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
US-Expert:innen und ehemalige Mitarbeitende Trumps warnen: Der 77-Jährige wolle die Demokratie zerstören. Bild: AP / Charlie Neibergall
Zum einen steht und fällt damit die Anklage gegen Trump wegen versuchten Wahlbetrugs. Auch für den Wahlkampf ist der Ausgang entscheidend. Trump will noch einmal ins Weiße Haus einziehen. Die Vorwahlen für die Kandidatur stehen kurz bevor. Trump führt in parteiinternen Umfragen mit Abstand. Bisher deutet alles auf eine Neuauflage des Wahlkampfs zwischen ihm und Amtsinhaber Joe Biden hin.
Trump, der insgesamt mit vier strafrechtlichen Anklagen konfrontiert ist, stellt sich immer wieder als Opfer der Justiz dar. Das verfängt bei seinen Anhänger:innen. Ein Erfolg in der Immunitätsfrage dürfte ihm weiteren Auftrieb verleihen. Um dieses Narrativ zu stärken, ist Trump wohl auch am Dienstag persönlich vor Gericht erschienen – obwohl er dazu nicht verpflichtet war. "Ich habe nichts falsch gemacht", sagt er nach der Anhörung. Als Präsident müsse man völlige Immunität genießen.
Am Ende wird wohl der Supreme Court entscheiden
Das Team von Sonderermittler Jack Smith fordert das Gericht auf, den Antrag des Ex-Präsidenten abzulehnen. Die Staatsanwaltschaft gibt außerdem zu bedenken, dass unbegrenzte strafrechtliche Immunität eines Präsidenten Tür und Tor öffnen würde für kriminelle Handlungen jeglicher Art.
So könnte ein US-Präsident nach der Logik, die Trumps Anwalt Sauer vertritt, zum Beispiel politische Gegner töten, ohne belangt zu werden. Vor einigen Wochen hatte bereits die zuständige Richterin in dem Verfahren einen entsprechenden Antrag abgelehnt und deutlich gemacht, dass das Kippen eines Wahlergebnisses nicht zu den offiziellen Pflichten eines Präsidenten zähle.
Auch das Berufungsgericht deutet nun an, der Argumentation von Trumps Anwälten nicht zu folgen. "Ich denke, es ist paradox zu sagen, dass seine verfassungsmäßige Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Gesetze getreu ausgeführt werden, ihm erlaubt, gegen das Strafrecht zu verstoßen", zitiert der Sender CNN eine Richterin.
Wie auch immer das Berufungsgericht entscheiden wird – der Fall dürfte wegen seiner immensen Bedeutung ohnehin am Ende vor dem Obersten Gericht der USA landen.
(Mit Material der dpa)