Dunkler Rauch steigt auf, in der Ferne sind die konstant surrenden Motorenblätter eines Hubschraubers zu hören, irgendwo in der Ferne hört man es knallen. Was sich nach der beängstigenden Situation in einem Kriegsgebiet anhört, passiert dieser Tage in Los Angeles, Kalifornien.
Nachdem am Samstag Proteste gegen die US-Einwanderungsbehörde ICE aufgekommen waren, entschied sich Präsident Donald Trump für den Einsatz der Nationalgarde. Damit handelte er nicht nur ausdrücklich gegen den Willen des zuständigen Gouverneurs, sondern nimmt auch eine weitere Eskalation billigend in Kauf.
Am Wochenende waren im US-Bundesstaat Kalifornien öffentliche Proteste ausgebrochen. Hintergrund waren Razzien der ICE-Sicherheitskräfte am Freitag in mehreren Stadtvierteln von Los Angeles gewesen. Beamt:innen wollten Migrant:innen ohne gültigen Aufenthaltstitel festnehmen. Das Weiße Haus sprach von "normalen Abschiebeeinsätzen".
Bürgermeisterin Karen Bass und die örtliche Polizei distanzierten sich hingegen von den Einsätzen. Wie die meisten demokratisch kontrollierten Verwaltungen wollen sie in ihrem Zuständigkeitsbereich nicht mit der Bundesbehörde zusammenarbeiten, um Abschiebungen zu ermöglichen.
Demonstrierende in Los Angeles hatten bereits am Freitag einen Fahrzeug-Konvoi der ICE verfolgt und die Beamt:innen mit Eiern beworfen. Die Polizei trieb die Menge mit Blendgranaten auseinander.
Hunderte Menschen versammelten sich hinter dem Konvoi und forderten die sofortige Freilassung der Festgenommenen.
Die Sicherheitskräfte setzten laut Medienberichten auch Tränengas und Gummigeschosse ein.
Der Bürgermeisterin zufolge gab es am Sonntag einige Fälle von Vandalismus; zudem gingen mehrere Taxis in Flammen auf. Auch Einsatzfahrzeuge der Polizei wurden beschädigt. Am späten Sonntagabend verhängten die Sicherheitsbehörden schließlich ein Versammlungsverbot für die Innenstadt von Los Angeles.
Die Behörden sprachen von Protesten in einer Größenordnung, die normalerweise kaum größere Wellen schlagen würde. Die Stimmung spitzte sich jedoch zu, nachdem US-Präsident Donald Trump den Einsatz der Nationalgarde und eine Mobilisierung des regulären Militärs befohlen hatte.
Bereits am Samstag hatte Tom Homan, den Trump mit den Massenabschiebungen betraut hat, mit dem Einsatz der Nationalgarde gedroht.
Gegen den ausdrücklichen Willen des Gouverneurs Gavin Newsom befahl daraufhin US-Präsident Donald Trump den Einsatz von Soldat:innen der Nationalgarde, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.
Etwa 300 Soldat:innen der Nationalgarde – einige in Kampfmontur und mit automatischen Waffen – bezogen am Sonntag Stellung, um Gebäude des Bundes vor Protesten und Vandalismus zu schützen. Zudem stehen laut Militär rund 500 Marineinfanteristen der regulären Streitkräfte bereit, um bei Bedarf einzuschreiten.
Laut einer offiziellen Bekanntmachung soll die Nationalgarde 60 Tage im Einsatz bleiben – oder so lange, wie es der Verteidigungsminister für nötig halte.
Die Soldat:innen sollten der "Gesetzlosigkeit" im Raum Los Angeles ein Ende bereiten, erklärte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt. Trump werde als Oberbefehlshaber dafür sorgen, dass die Gesetze der Vereinigten Staaten durchgesetzt würden.
Der kalifornische Gouverneur Newsom sagte am Sonntag, mit diesem Schritt heize die US-Regierung die Lage absichtlich an und nehme eine weitere Eskalation billigend in Kauf. Ein solcher Einsatz sei nicht Aufgabe der Nationalgarde des Bundesstaats "und wird das Vertrauen der Öffentlichkeit erschüttern", warnte der Demokrat.
Jeder Bundesstaat hat seine eigene Nationalgarde, die bei Waldbränden, Wirbelstürmen, Überflutungen oder Unruhen im Inneren eingesetzt werden kann. Sie steht dann unter dem Befehl des jeweiligen Gouverneurs.
Der US-Präsident kann das Kommando eigentlich nur übernehmen, wenn es zum Krieg oder zu nationalen Notfällen kommt. Seit 1965 hatte kein US-Präsident mehr die Nationalgarde eines Bundesstaats gegen dessen erklärten Willen übernommen.
Newsom betonte, dass es im Rahmen der Proteste keinen Mangel an Sicherheitskräften gegeben hatte. Die Regierung wolle schlicht "ein Spektakel" inszenieren. Er appellierte an die Demonstrierenden, friedlich zu bleiben und der Regierung keinen Vorwand zu bieten.
Doch eine weitere Eskalation ist nicht ausgeschlossen. Unmittelbar vor der Erklärung des Weißen Hauses hatte Trump bereits eine Drohung losgelassen: Wenn Gouverneur Newsom und die Bürgermeisterin von Los Angeles ihre Jobs nicht ordentlich machten, werde die Regierung einschreiten und das Problem mit "Unruhen und Plünderern" lösen.
Anstatt den korrekten Nachnamen des Gouverneurs zu nutzen, bezeichnete Trump ihn in seinem Post auf der Plattform Truth Social als "Newscum". Damit wollte er offenbar auf das Wort "scum" anspielen – zu Deutsch "Abschaum".
Die Beleidigung kommt nicht von ungefähr. Newsom gilt als möglicher Interessent für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bei der Wahl 2028. Und: Newsom regiert einen enorm wirtschaftsstarken Bundesstaat mit knapp 40 Millionen Einwohner:innen.
Trump will einen Einsatz von Soldat:innen auch in anderen Städten der USA nicht ausschließen. Es werde geprüft, "Truppen überall zu haben", sagte Trump.
Das Dekret zur Mobilisierung der Nationalgarde spricht von "einer Form der Rebellion" gegen die Staatsmacht – nennt aber Los Angeles nicht explizit. Es könnte also überall in den USA angewendet werden.
Auf Nachfrage wollte Trump auch nicht ausschließen, eine Art Kriegsrecht zu verhängen. Momentan gebe es demnach dafür aber keine Notwendigkeit.
Expert:innen warnen vor einem möglichen Einsatz der regulären Armee im Inneren wie Trump sie ebenfalls angekündigt hat. Er forderte am späten Sonntagmorgen über Truth Social: "Holt die Truppen dazu!!!"
Eine Mobilmachung des regulären Militärs im Inneren wäre in den USA ein noch größerer Tabubruch als der Einsatz der Nationalgarde. Newsom übte heftige Kritik. "Das ist geistesgestörtes Verhalten", sagte er zu der Drohung.
Die Republikaner hingegen scheinen gesammelt hinter der US-Regierung zu stehen. FBI-Direktor Kash Patel drohte ebenfalls mit einem Einsatz seiner Agenten. Trumps stellvertretender Stabschef, der Hardliner Stephen Miller, sprach gar von einem "gewaltsamen Aufstand" gegen die Staatsgewalt. Er begrüßte den Einsatz der Nationalgarde und schrieb auf X: "Wir werden uns Amerika zurückholen".
(mit Material der dpa)