2020 wappneten sich Washingtons Geschäfte mit Holzverschlägen. Das Gefahrenpotenzial ist auch 2024 hoch.bild: imago/acabapress
USA
Der US-Wahlkampf nähert sich dem Siedepunkt. Elf Tage vor dem finalen Wahltag hat das Rennen ums Weiße Haus einen vorläufigen Höhepunkt an Beleidigungen und Drohungen erreicht. Doch die Atmosphäre droht sich erst am Wahltag so richtig zu entladen.
Vor allem in Washington ist angesichts des Sturms aufs Kapitol durch Trumps Maga-Anhängerschaft nach der verlorenen Wahl 2020 die Anspannung greifbar. In Erwartung neuerlicher Auseinandersetzung sorgen sich Anwohner:innen und Geschäftsleute um ihr Wohlergehen. Viele davon wollen möglichst viele Kilometer zwischen sich und die US-Hauptstadt bringen.
Washington: Angst vor Ausschreitungen ist groß – viele verreisen
Das große Packen hat schon begonnen. Viele Washingtonians haben ihre Stimmen bereits per Briefwahl abgegeben und Pläne für einen vermeintlich sichereren Aufenthaltsort gemacht. Dazu gehört zum Beispiel Kate Brown. Was sie einst als Studentin nach Washington geführt, schlägt sie nun in die Flucht: Politik.
"Ich will mich einfach aus dem Staub machen", sagte die Marketingstrategin dem US-Magazin "Politico". "Ich seh nicht, wie ich damit fertig werden kann." Statt sich mit drohenden Auseinandersetzungen zu befassen, sucht sie mit ihrem Partner Ablenkung in der Wüste. Das Ziel lautet Las Vegas, "um ein paar Konzerte anzuschauen und ein bisschen Poker zu spielen".
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir die einzigen sind." Tatsächlich befassen sich derzeit viele in der Hauptstadt mit einem Exodus – wenn auch nur vorübergehend. Dasselbe hat etwa Politikwissenschaftlerin Shreya Tulsiani vor: "Ich weiß nicht, was geplant, ist. Aber ich will dabei nicht in der Nähe sein."
Holzverschläge sollen Häuser und Geschäfte am Wahltag sichern
Die Ausschreitungen am 6. Januar 2020, als aufgebrachte Maga-Anhänger:innen, teils bewaffnet, das Kapitol stürmten, beobachtet sie aus Blickweite. Denn damals lebte sie nur einen Steinwurf entfernt.
Maga: Der Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2020.Bild: imago / JOEL MARKLUND//Bildbyran
Die Erinnerung steckt ihr noch in den Knochen. "Es war eine beängstigende Zeit damals", erinnert sie sich. "Ich glaube, die Wahlwoche kann genauso verrückt werden."
Bis auf ihr Grundstück schwappte der Zustrom wütender "Demonstranten" an dem Tag. Vertreter der rechtsextremen Gruppe "Proud Boys" kamen so nahe, dass sie sogar ihren Hund streichelten. "Davon will ich nichts mehr wissen".
Auch im Stadtrat hat sich die bedrohliche Atmosphäre breit gemacht. Bei einer öffentlichen Sitzung am vergangenen Dienstag stand das Thema Sicherheit ganz oben auf dem Tableau. "Es erreichen uns bereits Anfragen von Geschäften, ob sie sich mit Holzverschlägen sicher sollen", erklärte die Distrikt-Abgeordnete Brooke Pinto.
Auch Ottonormalbürger:innen sorgen sich um die Sicherheit von Haus und Heim. Es eröffne sich die Frage, ob Mülltonnen im Haus verstaut werden sollten, um nicht Gegenstand von Vandalismus und Brandanschlägen zu werden.
Schulschließungen? Auch Museen erörtern Sicherheitsmaßnahmen
Auch Schulen, die im näheren Umkreis des Capitol Hill liegen, sorgen sich um die Sicherheit. So erwägen einige Bildungseinrichtungen, ihre Pforten am Dienstag in zwei Wochen überhaupt nicht zu öffnen.
Ähnliche Sorgen machen sich die Betreiber der Museen in der National Mall. Auf diesem Abschnitt stehen einige der bedeutendsten Museen der Welt.
"Ich will vorbereitet sein. Aber es sendet ein schreckliches Signal, sobald man sich verbarrikadiert."
Geschäftsführer eines Unternehmens in Washington
Die Befürchtung lautet, dass sich Protestler von den deutlich verstärkten Sicherheitsbarrikaden am Kapitol abschrecken lassen und daher nahegelegene "elitär wirkende" Institutionen ins Visier nehmen. Die kostenlosen Kunst-, Wissenschafts- und Natureinrichtungen erwägen daher, am Wahltag zu schließen.
Wie der Leiter einer Washingtoner Franchise-Filiale "Politico" mitteilte, habe er bereits bei den ortsansässigen Baumärkten Anfragen gestellt, zu welchem Preis Pressspanplatten verfügbar seien und ob sie wieder umtauschbar seien.
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Allerdings fürchtet er auch, sein Geschäft damit zur Zielscheibe zu machen und dem Furor eines wütenden Mobs weiter Vorschub zu leisten: "Ich will vorbereitet sein. Aber es sendet ein schreckliches Signal, sobald man sich verbarrikadiert."
Experten vermuten Gewaltausbrüche eher in den Swing States
Sicherheitsexperten sehen die Lage etwas entspannter. Jared Holt vom Think Tank "Institute for Strategic Dialogue" (ISD), analysiert, dass Washington für die Maga-Bewegung zum roten Tuch geworden ist.
"Der harte Kern von Trumps Basis, der theoretisch Fußsoldaten stellen würde, betrachtet D.C. als Feindesland."
Jared Hold, Politikanalyst
Einen großen Aufmarsch gewaltbereiter Rechter vermutet er eher anderswo. "Der harte Kern von Trumps Basis, der theoretisch Fußsoldaten stellen würde, betrachtet D.C. als Feindesland."
Seiner Ansicht nach steht die Achillessehne andernorts in den USA. Am größten sei das Bedrohungsszenario nach Trumps Abgang aus Washington nämlich in den Swing States. Hier, in den für die Wahl entscheidenden Staaten, so die Vermutung, liegt das größte Potenzial für eine gewalttätige Eskalation der Frustrierten.
Lange Zeit war es still um die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nach Ende ihrer Kanzlerschaft hatte sie nur sehr wenige öffentliche Auftritte. Aktuell steht sie aber wieder im Mittelpunkt medialer Aufmerksamkeit. Am 26. November sollen nämlich ihre Memoiren erscheinen.