Wer sich schon einmal die Übertragung eines US-amerikanischen Sports im Fernsehen angesehen hat, kennt die dortige Faszination für Statistiken. Kein Faktor ist zu geringfügig, um nicht quantifiziert zu werden, keine Randnotiz ist irrelevant für die Datenanalysten.
Dabei beschränkt sich die Erbsenzählerei nicht auf den Sport. Doch kaum ein Segment der Gesellschaft wird so auf Zahlen und Daten durchleuchtet wie die Politik. Dutzende Meinungsforschungsinstitute, Fernsehsender, NGOs, PACs und Lobbygruppen erheben ihre eigenen Zahlen und schaffen ihre eigenen Fakten.
Daher wimmelt es im US-Wahlkampf nur so vor Umfragen, Projektionen und Analysen. Eines der jüngsten Resultate dürfte bei einem der Kandidaten Kopfschmerzen erzeugen.
Denn in einer neuen Erhebung des Marist Institut zeichnet sich ein überraschend klarer Trend ab. Demnach dominiert ein Lager das Rennen bisher in drei wichtigen Swing States. Diese gelten als Zünglein an der Waage im Rennen um die US-Präsidentschaft.
Arizona, Georgia und North Carolina sind laut dem Umfrageergebnis knapp zwei Wochen vor dem offiziellen Wahltag nämlich fest in der Hand von Vize-Präsidentin Kamala Harris.
Der Zwischenstand in drei der sieben Swing States in der Übersicht:
Wer die US-Wahlen in den letzten Jahren beobachtet hat, wird stutzen. Denn ein Vorsprung für die Demokraten sollte wenig Aussagekraft besitzen, angesichts der Verteufelung der Briefwahl durch Donald Trump und die Republikaner.
Darf man der Umfrage Glauben schenken, ist das Zwischenresultat ein klarer Fingerzeig auf einen überzeugenden Sieg für Kamala Harris. Denn trotz Harris' Führung sind es zur Verblüffung vieler Beobachter:innen registrierte Republikaner, die bisher zu größeren Teilen an die Wahlurne gepilgert sind.
Erklären lässt sich die Konstellation mit einer von zwei Möglichkeiten. Option eins beschreibt dabei einen extremen Überhang von Harris-Wähler:innen im Lager der "Unabhängigen". Die relativ kleine Gruppe könnte sich, verschreckt von Donald Trumps radikaler Rhetorik, massenweise Kamala Harris zugewandt haben.
Die andere Erklärung ist deutlich unangenehmer für den Donald Trump. Denn nach dieser Sichtweise wilderte seine Rivalin im Wählerlager der Konservativen.
Ausruhen sollten sich die Demokraten auf dem Polster allerdings nicht. Denn eine andere Umfrage des Marist Institut widerspricht der Erhebung. Wie die meisten anderen Meinungsforschungsorganisationen prognostiziert es ein Rennen mit hauchzartem Endergebnis.
Tatsächlich liegt Trump in drei der sieben Swing States laut dem Datenmedium "fivethirtyeight" mit verschwindend geringem Abstand vorn. Nur in Nevada, das mit Abstand die wenigsten Wahlleute stellt und damit am wenigsten Gewicht hat, hat Kamala Harris die Nase vorn.
Ähnliches suggerieren weitergehende Umfragen von Marist. Demnach bekannte sich die Mehrzahl der Wähler:innen, die bisher noch nicht gewählt haben, zu Donald Trump.
Es darf also mindestens noch elf Tage lang weiter spekuliert werden, wer im kommenden Januar als neue Präsidentin oder zurückkehrender Präsident im Amt vereidigt wird.