Von allen Seiten hörte man vor allem im vergangenen Jahr die Warnung: Der Digitalpakt Schule darf nicht ohne Folgefinanzierung auslaufen. Das sei ein verheerendes Signal in Sachen Bildung und digitale Schule.
Vor Kurzem erst erschütterten die neuen Ergebnisse des Pisa-Tests Deutschland. Die Schüler:innen sind so ungebildet wie lange nicht. Da sollte man meinen, es werde fortan alles dafür getan, das wieder zu ändern.
Doch die Realität sieht in den allermeisten Schulen ganz anders aus: Lehrermangel, ausfallende Schulstunden, veraltete Materialien und Overheadprojektoren, die ihren Zenit bereits in den 90ern überschritten hatten.
Ändern sollte zumindest letzteres der Digitalpakt Schule, der 2018 von der damals schwarz-roten Bundesregierung mit fünf Milliarden Euro Fördermitteln beschlossen wurde. Doch was folgte, war viel Kritik und schleppende Diskussionen zur Folgefinanzierung – einem Digitalpakt 2.0.
Ist der Digitalpakt wirklich so sinnvoll und warum gibt es so harsche Kritik daran? Watson hat die wichtigsten Fragen zusammengefasst.
Die Digital-Probleme an Schulen sind groß. Und vielzählig. Angefangen beim fehlenden oder wackeligen WLAN, über mangelnde technische Ausstattung (man behalte sich den Overheadprojektor im Hinterkopf) und der dazugehörigen Medienkompetenz bis hin zum nicht vorhandenen Fachwissen.
Im späteren Arbeitsleben und der gesellschaftlichen Teilhabe sind aber genau diese Dinge gefragt. Wer nicht richtig mit digitalen Geräten und dem Internet umgehen kann, wird schnell abgehängt. Auch MINT-Berufe, die unter anderem dringend Nachwuchs suchen, erfordern ein gewisses Maß an Digitalkompetenz. Kurzum: Das Internet und technische Geräte sind heutzutage nicht mehr wegzudenken (95 Prozent der Deutschen nutzt derzeit das Internet täglich, Tendenz steigend).
Ganz konkret gefährdet fehlendes Wissen über den Umgang mit Medien und dem Internet die Demokratie. Das alles soll der Fördertopf Digitalpakt Schule verbessern. Der Ansatz: Schulen müssen Zugang zum Internet haben und den Schüler:innen in einer digitalen Welt, in der mehr und mehr Künstliche Intelligenz Einzug erhält, Kompetenzen im Umgang damit vermitteln. Aber auch selbst mit der technologischen Entwicklung Schritt halten.
In einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Digitalverbandes Bitkom aus dem August 2023 gaben 87 Prozent der befragten Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 19 Jahren ein schlechtes oder fehlendes WLAN als dringlichstes Problem ihrer Schule an – deutlich vor dem Lehrermangel mit 59 Prozent.
Der Digitalpakt folgt laut eigener Aussage des Bildungsministeriums unter der Leitung von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) dem Grundsatz: "Keine Förderung ohne Qualifizierung und ohne pädagogisches Konzept." Doch genau daran haperte es unter anderem in der Umsetzung.
Über den Förderzeitraum hinweg verkam der Digitalpakt Schule zunehmend zum "Tablet-Reparatur-Programm". Viele Schulen haben zunächst technische Geräte angeschafft, dann fehlte es aber entweder am technischen Know-how der Instandhaltung oder der Infrastruktur, um die Geräte wirklich umfassend einzusetzen.
Also genau das, was der Digitalpakt eigentlich vermeiden wollte. Zudem wurden die Fördergelder nur sehr schleppend abgerufen. Erst zum Ende der fünfjährigen Laufzeit galten ein Großteil der Gelder zumindest als gebunden, also für Projekte eingeplant. Noch bis ins Jahr 2024 können die Mittel ausgezahlt werden. Im Mai läuft das Programm jedoch aus.
Der Europäische Rechnungshof hat dem ersten Versuch, die Digitalisierung an deutschen Schulen voranzutreiben, im vergangenen Jahr ein verheerendes Zeugnis ausgestellt.
Die EU-Förderung ist in der Hinsicht, vereinfacht ausgedrückt, gescheitert. Lehrkräfte konnten teilweise auf ihren Dienstgeräten nicht die Software installieren, die sie für den Unterricht benötigten; manche neuen Geräte der Lehrkräfte waren nicht mit den Geräten der Schülerschaft kompatibel; andere Lehrkräfte arbeiteten weiterhin mit ihrem privaten Laptop – weil die neuen Geräte für den Einsatz in der Schule manchmal schlicht nicht geeignet waren.
Doch trotzdem wird nun vor einer Versorgungslücke gewarnt.
Die Ampelregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte es im Koalitionsvertrag versprochen: Es wird 2024 eine Folge-Finanzierung des Digitalpakts geben. Einen Digitalpakt 2.0. Mittlerweile ist klar: Er soll wirklich kommen. Das bestätigte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien Anfang Februar auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Eine Einigung solle ihr zufolge noch im ersten Halbjahr 2024 für das kommende Jahr erzielt werden. Deshalb werden nun Stimmen laut, die vor einer Versorgungslücke von mindestens sieben Monaten warnen.
Die werde es laut dem Bildungsministerium aber nicht geben, wie auf Anfrage von watson mitgeteilt wurde. Denn die Gelder seien bisher großteils nur gebunden, aber noch nicht ausgezahlt worden. So soll offenbar die Zeit überbrückt werden – zumindest in der Theorie.
Während der Bundesrechnungshof und der Europäische Rechnungshof sogar vor einer Fortsetzung warnten, da das Geld nicht vernünftig eingesetzt worden seien, fordern Lehrerverbände, Schüler-Vertreter:innen und auch die Bildungsministerin einen Digitalpakt 2.0.
Die derzeitigen Haushaltseinsparungen, mit denen die Bundesregierung zu kämpfen hat, machen das jedoch noch schwieriger. Zudem hätte das im Februar beschlossene Startchancen-Programm ganz klar Priorität gehabt, sagte Bildungsministerin Stark-Watzinger auf einer Pressekonferenz dazu Anfang Februar zu watson.