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Griechenland-Rettung: Bund verdient heftig am Zinsgewinn

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Griechenland verlässt den Rettungsschirm. So viel hat Deutschland daran verdient (!)

21.06.2018, 13:3522.06.2018, 07:18
peter riesbeck
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Am Donnerstag treffen in Luxemburg die Finanzminister der Euro-Staaten zusammen. Ganz oben auf der Agenda. Griechenlands Abschied vom Euro-Rettungsschirm. "Es ist Zeit, dass Griechenland auf eigenen Füßen steht", sagt EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici.

Die Rettung, wie Wolfgang Schäuble den IWF (und den Bundestag) austrickste und wie viel Deutschland an Griechenland verdiente. Das Drama in 5 Akten:

Griechenland tritt fast aus dem Euro aus

Knapp 274 Milliarden Euro an Hilfskrediten hat Griechenland von seinen internationalen Geldgebern erhalten, in drei Rettungsprogrammen, umgangssprachlich auch Rettungsschirm genannt.

  • Im Mai 2010 beschließen die europäischen Partner und der Internationale Währungsfonds (IWF) ein erstes Hilfsprogramm im Wert von 110 Milliarden Euro. Die Kredite werden direkt von den Euro-Staaten vergeben.
  • Im Oktober 2011 folgt ein zweites Hilfsprogramm von knapp 174 Milliarden Euro auf.
  • Im Juli 2015 wird ein drittes Rettungspaket über 86 Milliarden Euro vereinbart. 16 Stunden dauert der entscheidende EU-Gipfel in Brüssel. Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras will in der Nacht eine 4er-Krisenrunde mit Kanzlerin Angela Merkel ("Scheitert der Euro, dann scheitert Europa"), Frankreichs Präsident Francois Hollande und EU-Ratspräsident Donald Tusk vorzeitig verlassen. Das wäre gleichbedeutend mit Griechenlands Austritt aus dem Euro gewesen. Tusk stellt sich ihm in der Tür in den Weg. Tsipras dreht um, Griechenland bleibt im Euro.

Die Sparprogramme in Athen und der Kampf des Yannis Varoufakis

Für die Hilfen ziehen Griechenlands Regierungen harte Sparprogramme und Strukturreformen durch. Rentenkürzungen, Lohnkürzungen, Steuererhöhungen, Umbau der Verwaltung – Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit gepaart mit Ausgabenkürzungen bringen viele Griechen in Not und das politische System ins Wanken. Staatliche Firmen werden privatisiert. Den Hafen von Piräus sicherten sich ein Konsortium aus China. Beim Flughafen in Athen schlug der Frankfurter Airport zu. 

Zwei Leidenschaftliche, keine Lösung

Wolfgang Schäuble und Yannis Varoufakis. 
Wolfgang Schäuble und Yannis Varoufakis. Bild: AP Photo

Regierungschef Alexis Tispras (Linke) pokerte hoch. Unter anderem ließ er 2015 ein Referendum zum Verbleib in der Eurozone abhalten. Sein zeitweiliger Finanzminister Yannis Varoufakis brachte seine Euro-Kollegen teilweise zur Verzweiflung. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat schon zuvor den legendären Satz geprägt: 

"S'isch over."
Wolfgang Schäuble, CDU

Merkel vs. Schäuble

Die Debatte um Griechenland wird auch zur Belastungsprobe für das Verhältnis von Angela Merkel und ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble. 

  • Im Frühjahr 2010 lehnt Schäuble zunächst eine Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) an der Euro-Rettung ab. Merkel holt ihn dennoch an Bord. Taktisch geschickt. Der IWF hat Erfahrung mit der Sanierung von Krisenländern. Und in den kommenden acht Jahren wird manch unliebsame Entscheidung auf die Experten aus Washington geschoben.
  • Im Juli 2015 lässt Schäuble am Tag vor dem entscheidenden EU-Gipfel in Brüssel auf einem Treffen der Euro-Finanzminister ein Papier verbreiten. Die Forderung: Grexit – Griechenlands Abschied aus dem Euro. Schon zuvor hatten enge Mitarbeiter Schäubles eine unliebsame Fragenstellerin auf den Brüsseler Fluren mal kurz zurechtgewiesen. "Sie haben immer gefragt: 'Arbeiten Sie an einem Plan B. Da konnten wir ruhig antworten: 'Nein!'. Denn wir hatten Plan B schon längst in der Schublade."
    Merkel lehnt den Grexit ab. Griechenland bleibt im Euro. 2:0 für die Kanzlerin. 
  • Der Bundestag knüpft seine Zustimmung zum dritten Rettungspaket an eine Beteiligung des IWF. Finanzminister Schäuble gibt den Abgeordneten sein persönliches Wort. 
    Schäuble ist nun Bundestagspräsident, der IWF beim dritten Rettungspaket aber immer noch nicht an Bord. Ein Makel über den Schäuble (und die Union) lieber schweigen. (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi sagt watson.de:

"Der IWF wird sich wohl nicht mit eigenem Geld am dritten Griechenlandprogramm beteiligen. Damit hätte Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble den Bundestag und die Öffentlichkeit vor der Bundestagswahl getäuscht."
Fabio De Masi, Vize-Fraktionschef Die Linkspartei

Die politischen Nebenkosten sind ohnehin hoch. 2013 gründen der Ökonom Bernd Lucke und Frauke Petry mit missionarischem Eifer die deutschmarknostalgische Partei AfD. Beide haben die Partei inzwischen verlassen, die hat ohnehin ein neues Thema: rechte Agitation gegen Zuwanderung. 

Auch in der Union rumort es. Zuletzt lehnen im Juni 2018 die Mittelstandsvereinigung der CDU sowie CSU-Chef Horst Seehofer und Bayerns Staatschef Markus Söder die Pläne von Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für eine Reform der Eurozone ab. (Frankfurter Allgemeine Zeitung) Die Gemeinschaftswährung spaltet noch immer.

Der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi sagt watson.de: 

"Die Zukunft Griechenlands droht erneut auf dem Altar bayerischer Suppenkasper wie Markus Söder geopfert zu werden."
Fabio De Masi, Vize-Fraktionschef Die Linke

Und was kostet Deutschland das Ganze nun?

Deutschlands Anteil an den Krediten für Griechenland beträgt rund 27 Prozent, wie der renommierte ARD-Journalist und Brüssel-Kenner Christian Feld herausarbeitete. Das macht:

  • 15,2 Milliarden Euro an Kredithilfen für das erste Paket (Mai 2010)
  • Rund 38 Milliarden Euro an Kreditbeiträgen für das zweite Paket (Oktober 2011)
  • Knapp 22 Milliarden Euro für das dritte Rettungspaket (Juli 2015)

Das macht in der Summe rund 75 Milliarden Euro. Kredite wohlgemerkt. Und darauf fallen Zinsen an. Und zwar reichlich. 

Nach Angaben der Bundesregierung auf eine Anfrage des Grünen-Haushaltspolitikers Sven-Christian Kindler erzielte Deutschland mit den Griechenland-Krediten bislang einen Zinsgewinn von 2,9 Milliarden Euro. (Tagesspiegel)

Kindler forderte, die deutschen Zinsgewinne mit den griechischen Schuldtiteln, wie vereinbart an Griechenland zu überweisen. "Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung mit Milliarden an griechischen Zinsgewinnen den deutschen Haushalt saniert", kritisierte der aufstrebende Grünen-Politiker.

Zu den Zinsgewinnen aus den Krediten an Griechenland kommen weitere Ersparnisse für den Bundeshaushalt hinzu. Weil im Zuge der Finanz- und der Eurokrise die Zinsen weltweit gefallen sind, haben Bund, Länder und Gemeinden seit 2008 rund 280 Milliarden Euro an Zinslasten gespart. (Handelsblatt)

Kindlers Fazit lautet: 

"Entgegen allen rechten Mythen hat Deutschland massiv von der Krise in Griechenland profitiert.“
Sven-Christian Kindler, Bündnis90/Die Grünen

Und war's das jetzt für Griechenland?

In den vergangenen drei Jahren beschloss die Regierung von Alexis Tsipras nach Angaben der EU-Kommission auf Druck der Gläubiger 450 Einzelmaßnahmen zur Sanierung des Haushalts und des Staatswesens. Nun lobt Moscovici die Erfolge: 1,4 Prozent Wirtschaftswachstum 2017, 1,9 Prozent geschätzt in diesem Jahr. Ein Haushaltsüberschuss von 0,8 Prozent, ohne Schuldendienst sogar 4,2 Prozent. So weit die Brüsseler Erfolgsrechnung. 

Dem stehen harte Einschnitte an sozialen Leistungen gegenüber. Zudem dringt der Internationale Währungsfonds auf einen Schuldenschnitt für das das Land, die Euro-Staaten sind aber derzeit höchstens zu längeren Laufzeiten oder günstigeren Zinsen für die Griechen-Kredite bereit. Damit das Land nicht erneut in Turbulenzen gerät, soll es zudem mit einem Milliardenpuffer ausgestattet werden. Statt der ursprünglich zum Ende des dritten Programms erwogenen Auszahlung von 11,7 Milliarden Euro könnte es deshalb zum Abschluss des Programms um eine spürbar höhere Summe gehen.

Der Linken-Bundestagsabgordnete Fabio De Masi, zuvor in Brüssel im Europaparlament mit Griechenland befasst, sagt watson.de: 

"Die Bundesregierung will Griechenland mit Liquiditätsreserven aus dem laufenden Programm auszustatten, so dass ein Offenbarungseid bis nach den nächsten Bundestagswahlen ausbleibt. Griechenland bleibt somit Geisel deutscher Wahlkämpfe."
Fabio De Masi, Vize-Fraktionschef Die Linke

Der Linken-Politiker fordert einen Schuldenschnitt für Griechenland und kritisiert die große Koalition: 

"Die Bundesregierung blockiert die Umschuldung über eine Übernahme höher verzinster IWF Kredite durch den ESM. Griechenland bleibt Schuldenkolonie, um noch Jahrzehnte der Nachprogrammüberwachung und somit der Fernsteuerung aus Brüssel und Berlin zu rechtfertigen. Um die Erholung der griechischen Wirtschaft oder Wahrhaftigkeit gegenüber den Steuerzahlern geht es dabei nicht....
Die Griechenland-Pakete waren schizophren: Athen wurden weitere Kredite aufgezwungen, aber über die Kürzung von Investitionen, Löhnen und Renten sowie die Privatisierung öffentlichen Vermögens untersagt, Einkommen zu erzielen. Eine Schuldenerleichterung ist daher weiterhin unvermeidlich und wäre bei Ausbruch der Krise billiger zu haben gewesen. Griechenland muss endlich wieder über seine eigene Zukunft bestimmen und braucht Spielraum für Investitionen."
Fabio De Masi, Vize-Fraktionschef Die Linke

Auch der zuständige EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici räumt ein:

"Griechenland hat einen langen Weg zurückgelegt. Sind alle Probleme gelöst.? Natürlich nicht."

(mit dpa und afp)