Es ist der 10. Oktober in einem Krankenhaus in Saalfeld in Thüringen. Ein werdender Vater steht neben seiner Frau im Kreißsaal, seine Frau liegt in den Geburtswehen.
Gegen zwei Uhr morgens klingelt es an der Kreißsaaltür. Acht uniformierte Polizeibeamten und mindestens ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde Saalfeld-Rudolstadt stehen an der Tür. Sie sind gekommen, um den Mann abzuschieben.
Er soll nach Italien, das Land, das gemäß dem Dublin-Abkommen für seine Abschiebung an die Elfenbeinküste zuständig ist.
So berichtet der Thüringer Flüchtlingsrat über die Geschehnisse in seiner Pressemitteilung von Dienstag. Ohne Rücksicht auf den grundrechtlichen Schutz der Familie, das besondere Ereignis für das junge Paar und das gesundheitliche Wohl der Frau und des noch ungeborenen Kindes, sei der Mann unter demütigenden Umständen abgeführt und zum Flughafen nach Frankfurt gebracht worden.
In der Mitteilung heißt es weiter:
Außerdem sei den Behörden bekannt gewesen, dass das junge Paar traditionell verheiratet war, ein gemeinsames Baby erwarte und eine vorgeburtliche Vaterschaftsanerkennung vorliege, sagt Gertrud Jermutus von der Caritas Saalfeld.
Wie die "Thüringer Allgemeine" berichtet, sei auch der Sprecher des Krankenhauses Saalfeld "bestürzt" über das Vorgehen der Behörde gewesen.
Die zuständige Ausländerbehörde beim Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt erklärte der "Thüringer Allgemeinen" ihr hartes Vorgehen damit, dass Überstellungen und Abschiebungen langfristig vorbereitet werden. "Dass in diesem Fall der Termin auf den konkreten Termin der Niederkunft der Frau fiel, war nicht abzusehen. Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde stehen bei Abschiebungen und Überstellungen unter erheblichem Druck."
Es sei in diesem Jahr bereits der zweite Versuch, Asylbewerber direkt aus einem Thüringer Krankenhaus abzuschieben. Im Mai konnten Arnstädter Ärzte in letzter Minute die Abschiebung einer Nigerianerin vom Krankenbett weg verhindern, die wegen einer Risikoschwangerschaft in der Klinik lag.
Zum Fall der abgebrochenen Abschiebung eines werdenden Vaters sagt Thüringens Migrationsminister Dieter Lauinger gegenüber watson.de: „Mit Unverständnis habe ich die Entscheidung des Bundesamtes zur Kenntnis genommen. Mit ihr wurden die Rechte der jungen Familie und das Schicksal des Kindes missachtet.“
Von dem Fall sei das Migrationsministerium vorab nicht unterrichtet gewesen, da es sich um eine sogenannte Dublin-Überstellung handelt. Für diese sei allein das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig, insbesondere auch für die Prüfung von Abschiebehindernissen. Die Ausländerbehörde hatte das Bundesamt zuvor über die Sorgeerklärung, die Anerkennung der Vaterschaft und bevorstehende Geburt unterrichtet und ausdrücklich angefragt, ob dennoch an der Überstellung festgehalten werden soll. Das BAMF habe entschieden, dass trotz dieser vorgebrachten Tatsachen „noch keine familiäre Bindung“ bestehe und somit kein Abschiebehindernis vorliege.
Laut Ausländerbehörde wurde für das Paar die Abschiebung inzwischen ausgesetzt, für das Kind ein Asylantrag gestellt.