Seit Tagen laufen die Vorbereitungen im pfälzischen Landau. Es gilt Hochsicherheitsalarm. Das Gerichtsgebäude im Zentrum der Stadt ist weiträumig abgesperrt, der Justizbau steht nur Prozessbeteiligten offen. Die Öffentlichkeit ist vom Verfahren ausgeschlossen. Journalisten werden schon auf dem Weg in die Stadt auf gesonderte Parkplätze hingewiesen. Direkt am Stadion der Stadt, dahinter grüßen die Container einer Flüchtlingsunterkunft.
Das Landgericht Landau verhandelt den Mord an der 15-jährigen Schülerin Mia aus dem pfälzischen Kandel. Vor Gericht muss ein mutmaßlich aus Afghanistan stammender Flüchtling verantworten, der seine Exfreundin aus Eifersucht erstochen haben soll.
Das sind die Hintergründe zum Fall, den die Rechte immer noch versucht, zu instrumentalisieren:
Am 27. Dezember vergangenen Jahres wird die 15-jährige Mia in einem Drogeriemarkt in Kandel erstochen. Der mutmaßliche Täter wird noch vor Ort überwältigt. Es ist Mias Ex-Freund Abdul D., ein Asylbewerber, der vermutlich aus Afghanistan kommt.
Die Ermittler glauben, dass er sie bestrafen wollte, weil sie sich von ihm getrennt hatte. Wenige Tage vor der Tat, am 15. Dezember, hatte Mia Anzeige wegen Beleidigung, Nötigung, Bedrohung und Verletzung persönlicher Rechte gegen ihren Ex-Freund erstattet. Zwei Tage später folgte eine Anzeige des Vaters.
Der Auftakt des Verfahrens verzögert sich am Montag. Es fehlt ein Dolmetscher.
Auch wurde vor Prozessauftakt bekannt, dass der Angeklagte von Mithäftlingen verprügelt worden sei. ("Bild")
Die Richter in Landau verhandeln unter Ausschluss der Öffentlichkeit nach Jugendstrafrecht, weil sich das genaue Alter des Beschuldigten nicht feststellen ließ. Er selbst hatte es bei seiner Einreise 2015 mit 15 angegeben, daher war er auch als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling betreut worden.
Ein Gutachten der Staatsanwaltschaft geht von einem Mindestalter von 17,5 Jahren und einem wahrscheinlichen Alter von etwa 20 Jahren aus. Im Strafrecht werden 18- bis 21-Jährige als Heranwachsende geführt.
Angesetzt sind zwölf Verhandlungstage.
Kandels Bürgermeister Günther Tielebörger, SPD, sagte der Zeitung "Die Rheinpfalz":
Die Tat hatte die Debatte über die Altersfeststellung von jungen Flüchtlingen neu angefacht.
Die Rolle von Polizei und Behörden ist ein weiterer Punkt, der die Menschen über die Region hinaus über Wochen aufwühlte. Haben die Behörden das Mädchen ausreichend geschützt? Während die Polizei angab, den Vormund des Jungen über eine direkte Bedrohung des Mädchens informiert zu haben, bestritt das Jugendamt eine entsprechende Information.
In dem pfälzischen Ort mit rund 9000 Einwohnern gibt es zahlreiche fremdenfeindliche Demonstrationen und Gegenkundgebungen zu dem Fall.
Diese Gemengelage und die Wut der Menschen in der Region nutzen immer wieder auch Rechtspopulisten aus, die noch Monate nach der Tat Demos organisieren.
Der Autor Tobias Ginsburg hat sich unter falschem Namen in die rechte Szene eingeschlichen und dazu das Buch "Die Reise ins Reich. Unter Reichsbügergern." veröffentlicht. Ginsburg beschuldigt den rechten Aktivisten Marco K., auch unter Reichsbürgern Gleichgesinnte für die Aufzüge in Kandel gesucht zu haben. Ursprünglich habe K. 500.000 Menschen für eine Demo gegen Angela Merkels Asylpolitik in Berlin gewinnen wollen. Nach dem Mord in Kandel habe er sein Engagement dann auf Aufzüge in der pfälzischen Kleinstadt verlegt. (Rheinpfalz)
Auch Politiker aus dem Umfeld der AfD mischen bei den rechten Demos in Kandel mit. Die Rechte hofft im Fall Mia wie nun im Fall Susanna auf einen Kristallisationspunkt für eine West-Pegida.
"Wir haben den organisatorischen Schulterschluss der extremen Rechten zur AfD", bilanziert Alexander Schweitzer, Fraktionschef der SPD im rheinland-pfälzischen Landtag, der aus der Gegend um Kandel stammt. (Rheinpfalz)
Kandels Bürgermeister Günther Tielebörger, SPD, sagt zum Prozessauftakt der Zeitung "Rheinpfalz":
Unter dem Motto "Wir sind Kandel" bildeten sich auch Gegendemonstrationen für ein weltoffenes Miteinander. Die Situation in der rheinland-pfälzischen Gemeinde beruhigte sich inzwischen wieder etwas. Nach dem Mord an der 14-jährigen Schülerin Susanna in Wiesbaden aber war dort bei einer Mahnwache auch wieder ein Banner mit der Aufschrift "Kandel ist überall" zu sehen.
Tielebörgers Lehre aus dem Fall Mia für den Fall Susanna in Rhein-Main: zivilgesellschaftliches Engagement.
Das Leben nach der Tat in seiner Stadt beschreibt Tielebörger wie folgt:
(mit Material von dpa/afp)