Geschlechtergerechte Sprache ist nicht so ihr Ding. Das "Binnen-I" als auch das "Gender-Sternchen" findet Dorothee Bär "total gaga". "Dass man Sprache so verhunzt und vergewaltigt – da halte ich gar nichts davon", sagte sie kürzlich dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Kein Zweifel. CSU-Frau Dorothee Bär polarisiert.
Sie setzt andere Prioritäten im Verteilungskampf der Geschlechter. Lieber auf das Wesentliche, auf den Kampf um praktische Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Alltag konzentrieren, sagt sie. "Wir sind noch weit weg von Gleichberechtigung. Familie und Beruf lassen sich heute durchaus in Einklang bringen. Die Frage ist nur, ob sich Familie und Karriere vereinbaren lassen", sagt Bär, die selbst drei Kinder hat.
Dorothee Bär ist Staatsministerin im Kanzleramt für Digitalisierung. Sie ist die erste ihrer Art. Das Amt ist neu. Deutschland hat es dringend nötig. Bär soll retten, was in Sachen Digitalisierung seit Jahren in rostigem Tiefschlaf liegt. Bär selbst kommt in Bamberg zur Welt, wächst in Maintal zwischen Weinbergen auf und tritt mit 14 Jahren in die Junge Union, mit 24 in die CSU ein. 2002 schafft sie erstmals den Sprung in den Deutschen Bundestag. Mittlerweile ist sie stellvertretende CSU-Vorsitzende.
Die "Bild" betitelt sie als eine "Erscheinung", eine "statueske Germania", als die "Liz Taylor vom Bundestag". Nun ja. Doch Bär macht das einzig Richtige mit solchen Zuschreibungen: Mal spielt sie mit – und erscheint im Dirndl im Plenarsaal. Mal ist es ihr egal – dann sitzt sie im Trikot des FC Bayern im Bundestag.
Ohne Frage. Die 40-Jährige kann Inszenierung. Kaum ein Politiker gibt sich so nahbar in Social Media. Bei ihr ist das Private nicht zwangsläufig politisch, eher nutzt sie soziale Netzwerke, um Privates zu politisieren. Ganz besonders auf Instagram. Das ist nämlich ihr Lieblingsmedium. Im Gegensatz zu Twitter. Das ist etwas für Politiker, Journalisten und Psychopathen, sagt Bär. Und wer ihr auf Instagram blöd kommt, dem empfiehlt sie, auf Twitter weiterzupöbeln.
Auf Instagram aber gibt Doro Bär Vollgas. Mal posiert sie mit Dackel, ...
In einem anderen Bild lehnt sie an der Haube eines Oldtimers, nascht, küsst, planscht oder macht irgendwas mit Strohballen.
Wer allerdings aus guten Gründen keine Ahnung hat, was Instagram jetzt eigentlich ist und soll, dem hilft der Blick auf Bärs Instawelt auch nicht weiter. Aber er oder sie kann zumindest sagen, hey, Söder, guck mal, geht auch anders.
Und wenn Authentizität heute die Währung der Politik ist, dann ist Bär so etwas wie das smart schimmernde Wasserzeichen auf einer 500-Euro-Note. Weil sie das Spiel mit Echtheit, so wie es in sozialen Netzen gespielt wird, verstanden hat. Der Grat zwischen echt und inszeniert ist dabei nicht nur schmal, er ist völlig wurscht.
Denn: Während sich andere Politiker noch fragen, wie authentisch und echt sie rüberkommen, legt Bär schon einen zweiten Filter drüber und feuert Herzchen aus der Hüfte. Für andere ist Social Media Arbeit. Für Bär ist Social Media Social Media. Andere müssen Echtheit angestrengt simulieren. Sie simuliert im Vorbeigehen.
Robert Habeck hat kürzlich seinen Rückzug von Twitter und Facebook erklärt. Dorothee Bär aber geht lieber nach vorn. Das ist nicht ohne Risiko. Weil sich Bär dabei immer der Unmittelbarkeit sozialer Medien aussetzt. Und das in beide Richtungen. Wut und Bestätigung, das macht was mit einem. Vor allem macht es angreifbar. "Digitalisierung ist ja nicht nur der Breitbandausbau", sagte Bär im vergangenen Jahr und erzählte von Visionen und Flugtaxen. Gelächter war ihr sicher – und es war groß. Visionen sind verdächtig. Vielleicht auch, weil Frau in Deutschland besser nicht allzu sehr über den tagesaktuellen Tellerrand hinausschauen sollte. Kein Jahr später steht sie dann mit einem fliegenden Taxi auf dem Rathausplatz von Ingolstadt. Und lächelt.