Es wird genascht, geküsst, geplanscht oder auf Strohballen posiert. Dorothee Bär gibt sehr eigene Einblicke auf Instagram. Kaum ein Politiker gibt sich so nahbar in Social Media. Ein Instaview.
watson: Frau Bär, konnten Sie
als Digitalministerin schon die Rohrpost im Kanzleramt abschaffen?
Dorothee Bär: Das habe ich ehrlich gesagt noch gar nicht versucht. Ich
habe erst vor Kurzem erfahren, dass es wohl das einzige Medium sei, das sich
nicht hacken lässt (lacht). Die Rohrpost war für mich zum Start als
Staatsministerin für Digitales eher eine interessante Metapher: Flächendeckendes
W-Lan gibt es nicht, aber die Rohrpost im Kanzleramt ist noch installiert.
Laut einer repräsentativen
Umfrage der Vodafone Stiftung stößt jeder zweite Jugendlichen zwischen 14 und
24 Jahren regelmäßig auf Desinformationen und Hassrede im Netz. 66 Prozent sorgen
sich, dass die Verbreitung von Fake News die Gesellschaft spalten könnte. Was
tun?
Wir müssen den Schülerinnen und Schülern in den Schulen in
ganz jungen Jahren Medienkompetenz an die Hand geben. Es braucht für jedes
Medium eine unterschiedliche Herangehensweise. Die Studie sagt ja auch, dass es
den Jugendlichen viel zu lange dauert, bis in solchen Fällen dann tatsächlich
auch Hilfe da ist. Dass sich Jugendliche allein gelassen fühlen und keinen
Ansprechpartner haben, muss man ernst nehmen. Das kann nicht allein vom
Elternhaus geleistet werden.
Wie gehen Sie denn
persönlich mit dem Druck um, der über sozialen Medien kommt?
Ich habe mich heute zum Beispiel geärgert. Es ging um blaue
Häkchen. Ich habe auf eine WhatsApp-Nachricht nicht sofort geantwortet, was
daran lag, dass ich einfach noch etwas recherchieren wollte. Wenn dann drei Mal
nachgefragt wird, ist das wirklich übertrieben und unangenehm. Wenn es aber um
Hass und Drohungen geht: ignorieren, blockieren und melden. Und an die Polizei
weitergeben muss natürlich bei strafrechtlich relevanten Fällen auch gehen.
Der Hass im Netz ist mittlerweile
auch auf der Straße. Sie haben erst kürzlich auf dem Oktoberfest diese
Erfahrung machen müssen.
Ja. Es hat mich jemand allein aufgrund der Tatsache
angesprochen, dass ich Politikerin bin. Der Mann ist mich nicht nur verbal,
sondern auch körperlich angegangen. Das habe ich in der Form noch nicht erlebt.
Er hat mir die Dinge gesagt, wie ich sie bisher nur aus dem Internet kannte. Aber ich wiederhole das jetzt nicht.
Sie sagen auch, dass
Sie die sozialen Kanäle ganz unterschiedlich nutzen. Facebook für die Älteren,
Instagram für eine jüngere Zielgruppe. Was ist Ihr Lieblingsmedium?
Mit Abstand Instagram.
Dort steht, Sie seien "Instalover".
Es ist halt ein sehr flauschiges Medium. Die Leute sind in
der Regel nett. Wenn mich einer auf Instagram angepöbelt hat, habe ich auch
schon mal gesagt: "Geh rüber auf Twitter. Da kannst du pöbeln." Wenn sich die
Leute nicht darauf einlassen, das Medium zu wechseln, dann fliegen sie raus. Das
heißt nicht, dass man nur Lobeshymnen hören will. Konstruktive Kritik ist
völlig in Ordnung. Aber ich möchte, dass der Anstand gewahrt bleibt. Das
erwarte ich auf Twitter schon gar nicht mehr Politikern gegenüber. Auf Twitter
gehen die Leute nicht gut miteinander um. Das sollte man natürlich nicht hinnehmen.
Aber dort ist es wahnsinnig schwer, noch einen Erziehungsprozess einzuleiten.
Twitter ist offenbar nicht
ihr Lieblingsmedium.
Das Medium ist ja nicht das Problem. Twitter kann ja nichts
dafür, dass die Leute es so nutzen. Die, die es missbrauchen, sind das Problem.
Ich nutze es weniger, um politische Botschaften in die Bevölkerung hineinzutragen.
Twitter ist ja eher ein Medium für Journalisten.
… und für Politiker
und Psychopathen. Ich zitiere nur.
Ich habe für diese Aussage mehr Zuspruch als Kritik
bekommen.
Als Horst Seehofer
angekündigt hat, zu twittern, waren Sie skeptisch und sagten, dass ein Medium
auch immer zur Person passen müsse. Welches Medium passt zu Seehofer?
Ich glaube, dass Facebook eigentlich das Idealste für ihn
ist. Über Bilder auf Instagram Innenpolitik zu erklären, fände ich auch
schwierig. Um eine ältere Zielgruppe zu erreichen, ist Facebook schon passender.
Wer medial auch breit
aufgestellt ist, ist Bayerns amtierender Ministerpräsident Markus Söder. Er hat, nun ja, eine sehr besondere
Bildsprache. Reden Sie eigentlich darüber? So in der Art: Hier, guck mal,
Dorothee, ich habe gerade ein Bild mit Laserschwert gepostet?
Da ich ihn nun etwas necken möchte, sage ich: Ich glaube, er
ist ein bisschen neidisch auf meinen Account. Er tut immer so, als ob seiner
toller ist als meiner.
Klingt nach einem
kleinen Wettbewerb zwischen Ihnen beiden.
Für ihn ja, für mich nicht. Weil, ganz ehrlich, ich habe
natürlich wesentlich mehr Follower als er. Da mess‘ ich mich doch gar nicht. Können Sie bitte ein Augenzwinkern an diese Stelle machen?
Natürlich. Klassisch
oder als Emoji?
Als Emoji! Unbedingt.
(Anmerkung der Redaktion: 😂)
Am Sonntag wählt
Bayern einen neuen Landtag. Der CSU droht der Verlust der absoluten Mehrheit.
Die CSU wird einen Koalitionspartner brauchen. Mit wem reden Sie als CSU am
kommenden Montag? Grüne, SPD…?
Ich denke, dass wir am Montag erst einmal im Parteivorstand
untereinander sprechen müssen. Wir brauchen dann eine saubere Analyse des
Ergebnisses, das wir ja alle noch nicht kennen. Umfragen sind keine
Wahlergebnisse.
Für den Umfragegau schieben
sich Bayern und Berlin gerade den Schwarzen Peter hin und her. Wer hat Schuld: Söder
oder Seehofer?
Die Leute interessieren sich nicht für Schuldfragen. Wir
müssen die Wahl auch zum Anlass nehmen, wieder mehr bei den Menschen zu sein. Was
die Leute aufregt, ist, wenn Politiker sich nur mit sich selbst beschäftigen
und sich nicht um ihre Sorgen und Probleme kümmern. Im Großen und Ganzen
brauchen wir ernsthafte Antworten auf die Herausforderungen der Zeit. Wenn die
Digitalisierung im Land nicht ordentlich gelöst wird, dann werden wir nicht von
einer erfolgreichen Industrie zu einer erfolgreichen Digitalnation werden.
Markus Söder ist mit seiner Raumfahrtstrategie "Bavaria One" ziemlich angeeckt, Sie vor einiger Zeit mit den sogenannten
Flugtaxen. Hat Deutschland ein Problem mit Visionen? Darf man nicht groß
denken? Oder liegt es eher an der Präsentation?
Ich glaube, bei mir lag es weniger an der Darstellung. Der
Markus hatte das Problem, dass das Raumfahrtprogramm mit einem Logo in
Verbindung gebracht wurde, was gar nicht von der Staatsregierung kam, sondern von
der Jungen Union. Die wollte ihm damit einen Gefallen tun. Das ist dann bewusst
bösartig dargestellt worden. Das Logo, was die JU für ihn kreiert hat, wurde
mit den Raumfahrtplänen der Staatsregierung in einen direkten Zusammenhang
gebracht.
Das Bild hat er aber
auf Facebook und Instagram gepostet. Den Zusammenhang hat er ganz alleine
hergestellt.
Das Logo gibt es schon ein Dreivierteljahr und ist nicht neu, aber sei‘s drum. Die Kritik bei meinem Beispiel mit den Flugtaxen hatte weniger mit der Bildsprache zu tun, sondern einfach nur mit der klaren Aussage, dass Digitalisierung halt nicht Breitbandausbau ist. Wenn Sie etwas vorschlagen, dass fünf oder zehn Jahre in die Zukunft blickt, kommt immer ein: "Erstmal müsst ihr aber das und das machen." Das Schlagloch direkt vorm Haus ist immer wichtiger, als in die Zukunft zu denken. Und auf der anderen Seite wird uns Politikern gleichzeitig vorgeworfen, dass wir immer nur innerhalb von Legislaturperioden denken. Das ist ehrlicherweis auch schizophren. Politik ist auch dafür da, über den Tellerrand zu blicken. Wir leiden immer noch unter dem alten Zitat, dass man zum Arzt muss, wenn man Visionen hat.
Das geht zurück auf
Altkanzler Helmut Schmidt.
Das absolute No-Go-Zitat. Mein Politikverständnis ist das
genaue Gegenteil. Wir brauchen keine Dystopien und auch keine Utopien, aber
Visionen brauchen wir ganz dringend.