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Trump-Vize Vance wettert gegen Dating-Apps, doch vergisst Entscheidendes

President Donald Trump, left, and Vice President JD Vance depart an event for Military Mothers, in the East Room of the White House, Thursday, May 8, 2025, in Washington. (AP Photo/Alex Brandon)
Trump vorne, Vance im Windschatten: Der US-Vizepräsident tritt oft als kultureller Brandstifter im Sinne seines Präsidenten auf.Bild: AP / Alex Brandon
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Technik, Tinder, Traditionalismus: Vance erklärt Dating zum Kulturkampf

US-Vizepräsident JD Vance hält Dating-Apps für gesellschaftlich gefährlich. In einem Interview stellt er Technologie als Hauptursache für Beziehungsarmut dar – und blendet ökonomische Realitäten junger Menschen konsequent aus.
26.05.2025, 15:2926.05.2025, 15:29

Tinder, Bumble, Hinge oder Okcupid – kaum eine gesellschaftliche Entwicklung hat das Liebesleben junger Menschen so verändert wie Dating-Apps. Sie versprechen Nähe in Zeiten der Vereinzelung und Zugang zu Beziehungen jenseits sozialer Milieus. Doch für Kritiker:innen wie JD Vance ist genau das ein Problem.

Der US-Vizepräsident macht Dating-Plattformen für die Erosion traditioneller Werte verantwortlich. In einem Interview warnt er vor den "destruktiven" Effekten moderner Kommunikation – und skizziert ein Gesellschaftsbild, in dem nicht fehlende Perspektiven, sondern Dating-Apps der Hauptfeind junger Familien sind.

JD Vance wettert gegen Dating-Apps: "Unsere Jugend verliert sich"

Vance nennt im Interview mit der "New York Post" Dating-Apps "vermutlich destruktiver, als wir vollständig schätzen". Junge Menschen verstünden sich nicht mehr, sprächen nicht mehr miteinander, so der 40-Jährige – und seien deshalb beziehungsunfähig. "Wenn sie nicht daten, heiraten sie auch nicht und gründen keine Familien", erklärte er.

Dass diese Zuspitzung stark verkürzt ist, scheint Vance dabei nicht zu stören. Seine Analyse folgt einer kulturellen Lesart, in der Technik als Ursache und nicht als Symptom gesellschaftlicher Umbrüche erscheint. In Rom sprach er das Thema Medienberichten zufolge sogar beim neuen Papst Leo XIV an – als Ausdruck seiner Sorge um die "verlorene Generation".

JD Vance sieht KI und Dating-Apps als alleinigen Sündenbock

Auch die zunehmende Rolle von künstlicher Intelligenz sieht Vance kritisch: Er warnt vor Teenager:innen, die emotionale Bindungen zu Chatbots aufbauen – und echte Begegnungen verlernen. "Vielleicht macht KI weniger einsam, obwohl man es ist", sagte er.

Ein Chatbot, der auf schnelle Bestätigung programmiert sei, könne reale Beziehungen als "weniger lohnend" erscheinen lassen – ein Prozess, den Vance als gefährlich beschreibt.

Der Techjournalist Lucas Ropek bewertet Vances Aussagen in einem Kommentar für "Gizmodo" als gezielte Ablenkung von drängenderen KI-Fragen. Während Vance die Debatte auf Dating-Apps lenke, würden zentrale Themen wie Desinformation, Arbeitslosigkeit oder Datenschutz ausgeklammert – zugunsten eines kulturkonservativen Familienbilds, das sich gut ins gesellschaftspolitische Narrativ der Trump-Regierung einfüge.

Auch auf Reddit wurde Vances Aussage über Dating-Apps teils hämisch, teils kritisch kommentiert. Während die Mehrheit ihn verspottet, äußerten sich einige User:innen auch ernsthaft. Ein User schrieb, er habe durch Tinder seine heutige Ehefrau kennengelernt – so "destruktiv" könne das kaum sein.

Tatsächlich zeigt die Studienlage ein ambivalentes Bild: Dating-Apps werden von vielen Nutzer:innen als stressfördernd erlebt und stehen im Verdacht, das Selbstwertgefühl – insbesondere bei Frauen – zu beeinträchtigen. Studien belegen auch, dass Dating-App-User:innen häufiger unter Beziehungsunzufriedenheit und Entscheidungsüberforderung leiden.

Gleichzeitig zeigen andere Untersuchungen, dass Beziehungen, die über Apps entstehen, genauso stabil sein können wie offline begonnene Partnerschaften – und dass die Plattformen insbesondere in strukturschwachen Regionen neue Chancen bieten.

Transparenzhinweis

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Vances Argumentation ist auf technologische Phänomene fokussiert, während strukturelle Ursachen wie Zeitmangel, finanzielle Unsicherheit oder fehlender Wohnraum keine Rolle spielen.

Trump-Vize Vance liefert konservatives Gesellschaftsbild

Der Wunsch nach "mehr Familiengründungen" ist nicht neu bei Vance – wohl aber der Ton, mit dem er Technik zur Hauptschuldigen macht. Dass junge Menschen mit befristeten Jobs, steigenden Mieten und fehlender Unterstützung im Alltag kämpfen, blendet er systematisch aus.

Wer sich keine Familie leisten kann, wird bei Vance zum Kulturproblem erklärt. Diese Haltung ist nicht nur selektiv, sondern politisch bequem: Sie erlaubt konservative Identitätspolitik ohne soziale Verantwortung – und lenkt von realen, politisch lösbaren Ursachen ab.

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