Das Erste spendierte seinen Zuschauern am Montag einen Heimatabend: Erst die Dokumentation Heimatland, dann den entsprechenden Talk bei "Hart aber fair". Frank Plasberg stellte darin die Frage: Wer gehört dazu? Die eindeutige Antwort seiner Runde: Es kommt drauf an.
Plasberg begann seinen Talk mit einer Verführung: Wie beschreibt man Heimat sinnlich? Da war viel Olfaktorisches dabei: vom Geruch des Buchsbaums über den der thüringischen Bratwurst bis hin zum türkischen Chai-Tee. Differenzierter ging es zu, als die Diskutanten es in Worte fassen sollten. Für Aiwanger bedeute Heimat in Zeiten der Globalisierung Geborgenheit. Göring-Eckhardt sah es ähnlich romantisch: "Heimat ist dort wo man sein kann, ohne sich zu rechtfertigen." Auf alle Fälle denke sie europäisch. Man dürfe keinesfalls den Rechten die Deutungshoheit über Heimat überlassen.
Baydar fragte umgehend: Ob Heimat nicht etwas mit Verwurzelung zu tun habe? Warum manche trotz Wurzeln in Deutschland irgendwie nicht dazugehörten? Auch Frank Plasberg war Göring-Eckardts Aussage zu unkonkret. Für die Grüne Jugend sei Heimat ein Begriff der Gegenaufklärung und Irrationalität. Die Grüne musste also nachlegen. Das Wort Heimat dürfe die Gesellschaft nicht abschottend verwenden. So einfach wollte Plasberg die Runde nicht davon kommen lassen. Ob Heimat nicht ein Begriff des rechten Lagers sei, fragte er.
Aiwanger fing den Ball. Er betonte, man müsse den Menschen die Sehnsucht auf die Heimat lassen. Baydar ließ hier das erste Mal durchscheinen, wozu sie gebucht war: um Feuer zu machen. "Gilt das auch für die türkische Heimat? Kann ich zwei Heimaten haben?", fragte sie Aiwanger. Der antworte leicht stoisch, wenn sie sozial so geprägt sei, dann durchaus.
Nassehi erdete die Diskussion mit seinem soziologischen Ansatz. Man könne jedem Satz der Runde zustimmen, selbst wenn sie sich widerspräche. Heimat habe nicht nur eine Bedeutung als Wort, sondern auch einen performativen Sinn. Wer von Heimat spreche, transportiere mit der Verwendung eine individuelle Sichtweise, die andere anerkennen müssten. Blome war das zu wenig: Man habe den Begriff Heimat nun "maximal harmlos" beschrieben und festgestellt: "Heimat ist für alle da."
Er fragte, ob es nicht zur Integration gehöre, sich für ein Land zu entscheiden. Baydar bezeichnete das als "Frechheit". Özil habe das ausreichend getan. Blome legte nach. In einem Ausschnitt aus der Dokumentation im Vorprogramm zum Talk betonte ein türkischer Vater, er sei froh, dass seine Kinder mit hellen Haaren und blauen Augen geboren seien. Er selbst habe noch um Anerkennung kämpfen müssen.
Die Beurteilung der Menschen nach Merkmalen wie der Hautfarbe sei eine Frage von Toleranz und Intoleranz des Einzelnen, so Blome. Allerdings müssten Migranten sich Mühe geben, Heimat zu erwerben. Es sei ihre Bringschuld. Baydar platzte die Hutschnur: Ob sie – obwohl in Deutschland geboren – beweisen müsse, wie integriert sie sei? Blome konterte, die dritte Generation von türkischen Migranten sei das nicht mehr so gut wie die zweite. 60 Prozent der Stimmen bei den türkischen Wahlen 2018 von in Deutschland lebenden Türken für Staatspräsident Recep Erdogan seien der Beweis. Warum dem so sei, fragte er Baydar.
Die Kabarettistin drehte weiter auf: Sie könne es nicht ertragen, dass ihre Identifikation als Türkin zwangsläufig negativ konnotiert sei. Sie frage Blome ja auch nicht, ob er ihr erklären könne, warum Deutsche am KZ-Schalter gearbeitet hätten. Dieser Vergleich tat nicht nur dem anwesenden Publikum weh.
Plasberg gelang es mit Hilfe von Göring-Eckardt und dem Schlagwort Heimatministerium die Diskussion ein wenig abzufangen. Die These der Grünen: Wenn bundesweit einheitliche Voraussetzungen in der Infrastruktur im ländlichen und urbanen Raum geschaffen werden, klappt es auch mit gegenseitiger Anerkennung und dem passenden Heimatgefühl. Nur: Was macht eigentlich ein Heimatministerium?
Hier ein paar Fakten:
(Dieser Text ist zuerst auf t-online.de erschienen)