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Brandenburg-Wahl: 5 Lehren nach der Landtagswahl im Osten und der Woidke-Faktor

22.09.2024, Brandenburg, Potsdam: Dietmar Woidke, Ministerpr
Ohne den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke wäre der SPD der Sieg wohl nicht gelungen.Bild: dpa / Sebastian Christoph Gollnow
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Vom Woidke-Faktor bis zur Kanzlerfrage: Die fünf Lehren aus der Brandenburg-Wahl

23.09.2024, 07:4523.09.2024, 11:28
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Am Sonntag haben Brandenburgs Bürger:innen für ihren neuen Landtag gestimmt. 2,1 Millionen Menschen waren aufgerufen, ihre Stimmen abzugeben – darunter etwa 100.000 Erstwähler:innen. Die Wahlbeteiligung lag bei über 73 Prozent und war damit so hoch wie nie seit 1990.

Für die SPD war es eine Aufholjagd mit gutem Ausgang: Sie lässt die AfD bei der Landtagswahl knapp hinter sich. Realistisch möglich sind nun entweder ein Bündnis mit dem BSW oder eine Dreier-Koalition mit BSW und CDU.

Doch der SPD-Sieg bedeutet nicht, dass es bei der Partei so läuft, wie es aus ihrer Sicht laufen sollte. Es gibt einige Erkenntnisse, die diese Ost-Wahl liefert – und die meisten davon sind aus demokratischer Sicht wenig erfreulich.

Der Woidke-Faktor der SPD

Der beliebte SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke war einige Wochen vor der Wahl ein hohes Risiko eingegangen – und sein Plan scheint aufgegangen zu sein. Seine Ankündigung, dass er nur weitermachen werde, wenn die SPD vor der AfD liege, wirkte wie ein Druckmittel gegenüber den Wähler:innen. Dazu passte auch der Wahlspruch auf einem der Wahlplakat-Ausführungen der SPD: "Wer Woidke will, wählt SPD."

Dietmar Woidke, SPD, Wahlplakat zur Landtagswahl in Brandenburg am 22.09.2024, Potsdam, Brandenburg, Deutschland *** Dietmar Woidke, SPD, Election poster for the state election in Brandenburg on 22 09 ...
Woidke hat der SPD wohl den Sieg verschafft.Bild: imago images / Schöning

Diese Strategie hat jedoch funktioniert, trotz schlechter Umfragewerte der Bundespartei: Der "Ministerpräsidenten-Bonus" hat auf den letzten Metern gegen die AfD gezogen, ähnlich wie bei CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer in Sachsen. Angesichts der knappen Ergebnisse sollten sich SPD und CDU in Zukunft jedoch nicht mehr auf diesen Effekt verlassen.

Die Kanzlerfrage rund um Scholz bleibt

Woidke hat im Wahlkampf den Einzelkämpfer gemimt und mied jeden Kontakt zur unbeliebten Bundespartei um Kanzler Olaf Scholz. Denn: Die SPD stürzt in Umfragen schon seit Längerem ab. Aktuell verliert sie etwa in der sogenannten Yougov-Sonntagsfrage ("Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre?") deutlich an Zustimmung, mit aktuell nur noch 14 Prozent.

22.09.2024, Brandenburg, Potsdam: Dietmar Woidke, Ministerpr�sident und Vorsitzender der SPD in Brandenburg, wartet vor einem TV-Studio, um geschminkt zu werden. In Brandenburg fand am Sonntag die Lan ...
Dietmar Woidke ist wohl der Grund für den Wahl-Sieg in Brandenburg.Bild: dpa / Kay Nietfeld

Dass Woidke in Brandenburg sich abgrenzte, findet auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert legitim, wie er im Interview mit watson klarstellte. Er sagte vor der Wahl: "Ich würde auch jeden Strategieberater feuern, der ihm empfohlen hätte, im Wahlkampf möglichst viel mit Bundespolitikern unterwegs zu sein."

Scholz' Stuhl wackelt

Die Botschaft richtet sich insbesondere an Kanzler Scholz: Er soll nicht länger nur als Vermittler in der Koalition agieren, sondern "kämpferischer" und "näher an den Bürgern" auftreten. Sollte ihm das nicht gelingen, steht auch seine Zukunft als Kanzlerkandidat der SPD auf dem Spiel. Denn bislang wurde Scholz von der SPD noch nicht offiziell nominiert, und es wird erwartet, dass die Entscheidung darüber erst im kommenden Jahr fällt.

22.09.2024, USA, New York: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), spricht beim UN-Zukunftsgipfel vor Beginn der 79. Generaldebatte der UN-Vollversammlung teil. Bei dem Gipfel sollen Staats- und Regierungsch ...
Bislang wurde Scholz von der SPD noch nicht offiziell nominiert.Bild: dpa / Michael Kappeler

Die Grünen – ein beispielloser Absturz

Die Grünen regierten bisher in Brandenburg, gemeinsam mit der SPD und der CDU. Doch bald sind sie weg vom Fenster: Sie haben weder die Fünf-Prozent-Hürde erreicht noch ein Direktmandat ergattert.

Es ist ein Fall, der tiefer kaum sein könnte.

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Die Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang sieht die Verluste ihrer Partei bei der Landtagswahl in Brandenburg als Folge einer Polarisierung im Wahlkampf. Die vergangenen Wochen seien von einem "Kopf-an-Kopf-Rennen" zwischen SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke und der AfD geprägt worden, sagte sie am Sonntagabend in der ARD. Die Wähler:innen hätten dann taktisch gewählt, um die AfD zu verhindern. Dabei seien die Grünen "unter die Räder gekommen".

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Für Robert Habeck und Ricarda Lang ist die Brandenburg-Wahl ein weiterer Rückschlag.Bild: imago images / Chris Emil Janßen

Taktisches Wählen war sicherlich ein nicht zu vernachlässigender Faktor, aber eben nicht der einzige. Dass die Grünen generell massiv an Beliebtheit verloren haben, lässt sich wohl kaum von der Hand weisen.

Lang räumte ein, dass es einen negativen Trend für die Grünen gebe: "Da werden wir uns gemeinsam rauskämpfen." Wirtschaftsminister Robert Habeck, der als mutmaßlicher Kanzlerkandidat der Grünen gehandelt wird, sei "ein großartiger Politiker", der Menschen in unsicheren Zeiten wieder Orientierung geben könne und Probleme nicht einfach wegreden.

Sperrminorität und die kaum aufhaltbare AfD

Auch wenn die AfD letztlich knapp den zweiten Platz erreicht hat, bestätigt das Ergebnis Tendenzen, die sich auch nach den Siegen in Thüringen und Sachsen gezeigt haben: Die Ganz-weit-Rechtsaußen-Partei in Ostdeutschland ist auf dem Vormarsch. Dass die AfD in Brandenburg so erfolgreich abschneiden konnte, obwohl ihr Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt in Sachen Beliebtheit deutlich hinter Ministerpräsident Woidke und selbst hinter CDU-Kandidat Redmann zurückliegt, zeigt die Stärke der Partei selbst.

22.09.2024, Brandenburg, Potsdam: Alice Weidel, AfD-Bundessprecherin, Hans-Christoph Berndt (2.v.l), stellvertetender Vorsitzender der AfD Brandenburg und Spitzenkandidat, Rene Springer (l), AfD-Lande ...
Trotz zweitem Platz ist die Freude bei der AfD groß.Bild: dpa / Christoph Soeder

Die vielen Wähler:innen der AfD scheinen sich auch nicht davon abhalten zu lassen, dass Berndt vom Verfassungsschutz als klar rechtsextrem eingestuft wird.

Zudem kommt die Partei nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis auf 30 von 88 Sitzen und erlangt damit die sogenannte Sperrminorität, für die es ein Drittel aller Sitze benötigt. Das heißt: Sie kann Beschlüsse blockieren, für die es eine Zweidrittel-Mehrheit braucht.

Ministerpräsident Woidke sagte dazu: "Lehren müssen wir auch aus dieser Wahl ziehen, weil es in der Tat so ist, wenn eine Partei mit fast 30 Prozent reüssiert hier in Brandenburg, die in Teilen offen rechtsextremistisch ist, dann muss das einem Grund zum Nachdenken geben."

Im Osten droht etablierten Parteien das Aus

Besonders hart traf es die FDP unter den kleineren etablierten Parteien: Ihr Ergebnis in Brandenburg war so schwach, dass sie am Wahlabend bei ARD und ZDF gar nicht gesondert aufgeführt wurde. Zwar war die Partei auch bisher nicht im Landtag vertreten, doch zeitweise hatten die Liberalen aufgrund der Umfragen Hoffnungen auf einen Einzug gehegt.

Auch die Grünen und die Linke schnitten im Vergleich zu ihren Erwartungen katastrophal ab. Sie haben vermutlich ebenfalls unter dem polarisierten Wettstreit um den ersten Platz gegen die AfD gelitten. Sollte sich die politische Mitte im Osten weiterhin gegen die Rechtsaußenpartei verbünden müssen, droht Grünen, Linken und FDP langfristig die Rolle der außerparlamentarischen Opposition.

(Mit Material der dpa/afp)

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