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Friedensplan für Gaza: Hoffnung oder Symbolpolitik?

29.09.2025, USA, Washington: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schüttelt US-Präsident Donald Trump nach einer Pressekonferenz im State Dining Room des Weißen Hauses die Hand. Foto: Alex Bra ...
Israels Premier Netanjahu und US-Präsident Trump sind sich schon mal einig. Bild: AP / Alex Brandon
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Trumps Gaza-Plan: "Frieden bleibt Zukunftsmusik"

Ein Friedensplan für Gaza – ohne Frieden? Trump präsentiert gemeinsam mit Netanjahu einen 20-Punkte-Plan, der Hoffnung wecken soll. Doch zentrale Fragen bleiben offen. Expert:innen warnen im Gespräch mit watson vor Symbolpolitik.
30.09.2025, 19:5630.09.2025, 19:56

Gemeinsam mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat US-Präsident Donald Trump einen 20-Punkte-Plan für ein Ende des Gaza-Kriegs vorgestellt. Aus Deutschland gab es bereits Applaus dafür. Bundesaußenminister Johann Wadephul bezeichnete ihn als "Hoffnung für Hunderttausende". Die Reaktion kommt nicht von irgendwo.

Gaza soll dem Plan zufolge eine deradikalisierte, terrorfreie Zone werden; die Region wird vollständig entwaffnet; Israels Truppen ziehen sich schrittweise zurück; alle Geiseln und Gefangenen werden freigelassen; Gaza soll mithilfe eines Expertengremiums, bestehend aus Palästinenser:innen und internationalen Regierungsköpfen – darunter Donald Trump – wiederaufgebaut und in eine wirtschaftlich prosperierende Region verwandelt werden.

Ein Friedensdiktat für Gaza

Dabei handelt es sich nur um ein paar Punkte. Das Papier verspricht noch mehr, unterschlägt aber ebenso viel. Die Anerkennung eines Palästinenser:innenstaats etwa kommt darin nicht zur Sprache. Ungeklärt bleibt auch, wie lange der Truppenabzug dauern soll und was es für Gaza bedeutet, wenn die USA zusammen mit internationalen Partnern eine Stabilisierungstruppe für die innere Sicherheit einsetzt.

Ob ein Friedensdiktat, wie es Trumps Plan vorsieht, auch funktioniert, ist fraglich. "Für Frieden bräuchte es Verhandlungen darüber, wie die palästinensische Seite staatliche Unabhängigkeit erlangen kann, die tatsächlich auch in der Substanz Bestand hat – die also nicht nur von außen anerkannt wird", sagt Claudia Baumgart-Ochse, die sich im Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung mit transnationaler Politik beschäftigt, zu watson.

Perspektivisch seien ein territorialer Zusammenhang der palästinensischen Gebiete und eine gesamtpalästinensische, funktionsfähige Regierung nötig. Diese müsse das Westjordanland und den Gazastreifen umfassen. Das sei aber derzeit unwahrscheinlich.

"Gerade im Westjordanland stehen die Zeichen eher auf schleichender Annexion durch Israel, das dort immer mehr Siedlungen baut." Frieden als Zukunftsmusik also.

Die Zweistaatenlösung wird es mit Israels Regierung nicht geben

Eine Zweistaatenlösung bleibt nach Einschätzung von Expert:innen zwingend nötig, damit nicht innerhalb der angestrebten Friedensordnung ein neuer Konflikt entbrennt. Nicht nur im Plan findet diese keinen Platz – auch in Israels Regierung. "Israels Premierminister hat mehrfach öffentlich bekundet, dass er einen palästinensischen Staat verhindern will – und damit ja auch die Zweistaatenlösung."

Selbst ohne Israels Hardliner bleibt die Zweistaatenlösung schwer umsetzbar. Sehr viel Konfliktfragen müssten gelöst werden: die nach der Hauptstadt Jerusalem etwa, auf die beide Seiten Anspruch erheben; die nach den Grenzen; die nach den Siedlungen und ihren mehr als 700.000 Einwohner:innen; die nach der Verteilung der Wasservorkommen und die zur Zukunft der palästinensischen Flüchtlinge, die während des israelischen Unabhängigkeitskrieges 1948 ihre Heimat verloren. Fragen, mit denen sich der Gaza-Plan nicht wirklich beschäftigt.

Politisch weist der Plan offensichtlich einige Leerstellen auf. Doch auch wirtschaftlich gibt es eine Vielzahl an Mängeln.

Trumps Gaza-Plan: wirtschaftlich ein schwieriges Thema

Ziel ist zwar der Wiederaufbau Gazas, doch wie genau dieser ablaufen soll, bleibt offen. Fakt ist: Das Zerstörungsausmaß macht ihn zur Mammutaufgabe. Die Vereinten Nationen schätzten im Dezember 2024 anhand von Satellitenbildern, dass 69 Prozent der Gebäude im Gazastreifen zerstört sind, darunter 245.000 Wohnhäuser. Mehr als 50 Millionen Tonnen Schutt bedecken die Region, Baumaterial fehlt, die Infrastruktur ist vielerorts beschädigt bis vollständig zerstört.

"Der Wiederaufbau wird extrem aufwändig, insofern braucht es erhebliche Finanzmittel und Unterstützung von so vielen Geberländern wie möglich."
Claudia Baumgart-Ochse

Ein zeitaufwendiges Unterfangen. 350 Jahre bräuchte es laut den Vereinten Nationen, bis das Pro-Kopf-Einkommen wieder auf Vorkriegsniveau käme. Wirtschaftliche Unterstützung ist also entscheidend, um Gaza zu rehabilitieren. Bisher geht nicht aus dem Plan hervor, woher das Geld kommen soll – und in welcher Form. Vergangenes Jahr forderte der palästinensische Ministerpräsident, Mohammed Schtajjeh, einen Marshallplan für den zerstörten Küstenstreifen.

Die Idee hält Houssein Malla, Forscher am Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, erst einmal für richtig. Allerdings sagt er gegenüber watson: "Ein Marshallplan hieße: internationales Sicherheitsmandat, ein mehrjähriger Fonds mit harten Bedingungen und klaren Marktöffnungen. Ohne Garantien für Material und Investitionen bliebe er nur ein Schlagwort."

Wie wird der Wiederaufbau von Gaza nun finanziert?

Der Plan sieht Hilfen und Entwicklung vor, bleibt aber bei Aufsicht, Importen und Finanzierung vage. Realistisch wird der Wiederaufbau erst, wenn Sicherheit, Lieferketten und Finanzierung gleichzeitig geregelt sind, sagt Malla. "Aufbau ist möglich, aber nur als Sicherheits-, Finanz- und Logistikprojekt in einem."

Ein Marshallplan wäre die eine Idee. Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten, den Wiederaufbau Gazas umzusetzen. Ökonom Patrick Kaczmarczyk hält zur langfristigen Lösung einen "New Deal für Palästina" für nötig, wie er im Wirtschaftsmagazin "Surplus" schreibt. Dieser stehe auf drei Säulen.

Ein Ende der Besatzungs- und Siedlungspolitik (letztere schließt Trumps Plan nicht direkt aus), massive Investitionen in palästinensische Infrastruktur und industriepolitischer Spielraum zur Diversifizierung der Wirtschaft. Das bedeutet: keine Abhängigkeiten von einzelnen Märkten, Produkten und Branchen zwecks Risikovermeidung.

Letztlich hängt aber auch das an einer enormen Finanzspritze, die zumindest im Gaza-Plan festgeschrieben ist. Da es ohne Geld von außerhalb nicht geht, wird es zwangsläufig auf Kredite hinauslaufen. Entscheidend werden die Bedingungen sein, also die Zinslast und die Freiheit in Sachen wirtschaftlicher Ausgestaltung. Trumps Regierung, aber auch andere Länder, werden kaum eine alleinige palästinensische Kontrolle akzeptieren.

Die wirtschaftliche wie auch die politische Ausrichtung werfen ein großes Problem auf: die Kontrolle des Gebiets. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Hamas abzieht. Entsprechend gibt es bisher auch keine Zustimmung vonseiten der Terrororganisation.

"Ohne glaubwürdige Finanzierung, Aufsicht und Durchsetzung droht das Ganze eher Show als Substanz zu werden. Der Plan öffnet Türen, baut aber noch keine Treppe", sagt Malla. Solange weder Staatlichkeit noch Finanzierung geklärt sind, droht er mehr Schaufensterpolitik als substanziell zu sein – und der Frieden bleibt Zukunftsmusik.

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