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Kongo-Krieg eskaliert: Wie Ruanda im Konflikt die Strippen zieht

26.01.2025, Demokratische Republik Kongo, Goma: Menschen, die durch die Kämpfe mit den M23-Rebellen vertrieben wurden, machen sich auf den Weg ins Zentrum von Goma. Foto: Moses Sawasawa/AP/dpa +++ dpa ...
Goma, Kongo: Menschen, die durch die Kämpfe mit den Rebellen vertrieben wurden.Bild: AP / Moses Sawasawa
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Binnenflucht, Gewalt und Schmuggel mit Rohstoffen: ein Blick in den Ostkongo

27.01.2025, 18:00
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Seit mehr als 30 Jahren ist der Osten der Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) von einem blutigen Konflikt geprägt. Er forderte bereits über sechs Millionen Menschenleben. Nicht nur durch Gewalt, auch durch indirekte Folgen wie Hunger und Krankheiten. Nun eskaliert die Lage im Osten des Landes erneut: Die M23-Rebellenmiliz konnte zuletzt immer mehr Gebiete einnehmen.

Nach eigenen Angaben vom Montag soll nun auch die wichtige Provinzhauptstadt Goma an die M23 gefallen sein. Unabhängig bestätigt ist dies nicht. Klar ist jedoch: Hunderttausende befinden sich derzeit auf der Flucht, die Vereinten Nationen haben Medienberichten zufolge damit begonnen, ihre Mitarbeitenden aus der Stadt in Sicherheit zu bringen.

"Die Lage ist katastrophal und unübersichtlich", sagt Jakob Kerstan auf Anfrage von watson. Er ist Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in der Demokratischen Republik Kongo und gibt einen Einblick in die aktuellen Geschehnisse.

Kongo: Menschen leiden unter blutigen Konflikten

Der UN-Sicherheitsrat hatte bereits am Sonntag bei einer Dringlichkeitssitzung vor einer Ausweitung des Konflikts gewarnt. "Die Straßen sind blockiert und der Flughafen kann nicht mehr für Evakuierungen oder humanitäre Hilfe genutzt werden", sagt Bintou Keita, Leiterin der UN-Mission im Kongo, vor dem Sicherheitsrat. "Mit anderen Worten: Wir sitzen in der Falle."

Trotz milliardenschwerer Budgets konnten UN-Missionen wie Monusco den Konflikt bisher nicht nachhaltig eindämmen.

Mittlerweile sollen Mitarbeitende von Monusco und ihre Familien an der Grenze zu Ruanda angekommen sein, berichteten der ruandische Sender RBA und die Zeitung "The New Times" übereinstimmend auf X. Von der Hauptstadt Kigali aus fliegen sie in ihre jeweiligen Heimatländer. Auf X waren Bilder von mehreren Bussen an der Grenze zu sehen.

26.01.2025, Demokratische Republik Kongo, Goma: Menschen, die durch die Kämpfe mit den M23-Rebellen vertrieben wurden, machen sich auf den Weg ins Zentrum von Goma. Foto: Moses Sawasawa/AP/dpa +++ dpa ...
Menschen fliehen ins Zentrum von Goma.Bild: AP / Moses Sawasawa

Nicht so einfach ins Ausland fliehen kann die Zivilbevölkerung. "Die Gemengelage ist sehr schwierig, viele Menschen sind im Vorhinein nach Bukavu, Gisenyi/Kigali oder Burundi geflohen und warten ab", erklärt Jakob Kerstan. Es gibt ihm zufolge im Ostkongo sieben Millionen Binnenvertriebene, 400.000 allein seit Beginn des Jahres.

Viele seien mehrfach geflüchtet, aufgrund der aktuellen Entwicklungen erneut auf der Flucht. "Die humanitäre Lage ist katastrophal", warnt er.

Viele Akteure im Kongo verfolgen eigene Interessen

Chronisch überfüllte und unterfinanzierte Flüchtlingslager sowie katastrophale hygienische Bedingungen waren schon vor den aktuellsten Geschehnissen ein Problem. Die schlimmen Verhältnisse erreichen nun ein neues Ausmaß.

Wiederkehrende Gewalt gegen Zivilist:innen, Kindersoldaten und systematische Menschenrechtsverletzungen durch alle Konfliktparteien gehören für die Bevölkerung im Osten des Landes zur Tagesordnung.

Konfliktparteien gibt es viele. Der Konflikt im Ostkongo wird von einer Vielzahl von Akteuren geprägt, die teils lokale, regionale und internationale Interessen verfolgen. Die Rebellengruppe M23 ist derzeit die militärisch stärkste Kraft und kontrolliert große Teile des Ostkongo. Sie finanziert sich durch den Schmuggel von Rohstoffen wie Coltan und Gold, die für die globale Elektronikindustrie von zentraler Bedeutung sind.

Eine weitere wichtige Rebellengruppe ist die FDLR, bestehend aus Hutu-Extremisten und ehemaligen Tätern des ruandischen Völkermords von 1994, die den Sturz der ruandischen Regierung anstreben. Gleichzeitig ist die ugandische Gruppe ADF aktiv, die dem sogenannten Islamischen Staat zugerechnet wird und für Terroranschläge und Überfälle im Kongo bekannt ist.

Dazu kommen Nachbarländer wie Uganda und Burundi, die ebenfalls eigene Interessen im Kongo verfolgen und militärisch in den Konflikt verwickelt sind.

Ruanda will Kontrolle über Rohstoffe im Ostkongo

Ruanda zieht ebenfalls die Strippen, spielt eine zentrale Rolle im Konflikt und unterstützt die M23, auch mit Soldaten und Waffen. "Man kann daher von einem Stellvertreterkrieg sprechen", sagt Kerstan.

Kongos Außenministerin Thérèse Kayikwamba Wagner warf Ruanda eine "Kriegserklärung" gegen ihr Land vor. Die direkte Aggression Ruandas verstecke sich nicht länger hinter diplomatischen Manövern, sagt sie dem UN-Sicherheitsrat.

Ruanda hat dementiert, die Rebellen zu unterstützen. Eigene Soldaten im Nachbarland seien zum Schutz der eigenen Grenzen. Der UN-Botschafter des Landes, Ernest Rwamucyo, sagt aber, die Krise hätte verhindert werden können, wenn die Regierung des Kongo sich eindeutig zu einer friedlichen Lösung bekannt hätte.

Zuletzt waren Versuche, den Konflikt mit den Rebellen friedlich beizulegen, gescheitert. Die Gruppe eroberte große Landstriche entlang der Grenze zu Ruanda, dabei wurden auch mehrere UN-Blauhelm-Soldaten getötet.

Das Nachbarland verfolgt sowohl politisch als auch wirtschaftliche Interessen im Ostkongo, insbesondere durch die Kontrolle über die dortigen Rohstoffe. Dazu sagt der KAS-Büro-Leiter: "300.000 US-Dollar werden laut Experten im Monat alleine über die Mine in Rubaya verdient. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass auch vor der erneuten M23-Offensive viele Rohstoffe nach Ruanda geschmuggelt wurden und davon auch Kongolesen profitierten und noch immer profitieren."

Die kongolesischen Streitkräfte (FARDC) kämpfen dagegen an, allerdings mit schlechter Organisation und mangelnder Finanzierung. Auch Korruption ist ein Problem. "Gerade im Sicherheitssektor profitieren beispielsweise viele Akteure vom Rohstoffschmuggel", sagt Kerstan. Sie sind deshalb ein schwacher Gegenspieler, wie der Experte in einem früheren Bericht klarstellte.

Zudem profitieren internationale Konzerne indirekt vom Handel mit den Rohstoffen aus dem Osten des Landes, was den Konflikt zusätzlich verschärft.

Kongo im Chaos: Wie geht es jetzt weiter?

Eine schnelle Lösung des Konflikts ist aktuell nicht in Sicht. Die M23 hat sich noch nicht zu weiteren Plänen geäußert. Ihr Ziel ist es dem Experten zufolge, "einen 'besseren' kongolesischen Staat unter guter Regierungsführung zu errichten, in dem Tutsi nicht benachteiligt und stigmatisiert werden".

Die Volksgruppe wurde 1994 in Ruanda massiv verfolgt, etwa 500.000 bis 1.000.000 Menschen verloren laut Schätzungen dabei ihr Leben. Der Genozid, bei dem Hutu-Milizen gegen die Tutsi vorgingen, führte zu massiven Flüchtlingsbewegungen im Ostkongo und galt als einer der Hauptauslöser des Konflikts.

Auch deshalb will die M23 Verhandlungen mit der kongolesischen Regierung und sich damit Teilhabe an staatlichen Positionen und der Armee sichern. Das aber lehnt die Führung in der Hauptstadt Kinshasa ab, da die Sorge vor einer Infiltrierung durch Ruanda besteht.

Zudem will die M23, dass die Rebellengruppe FDLR und dazu gehörende Splittergruppen "ein für alle Mal" besiegt werden.

Mit diesen Positionen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, ist schwierig. Aktuell ist die Situation jedenfalls geprägt von Chaos und Gewalt. "Die Lage ist auch deshalb unübersichtlich, da es immer wieder Scharmützel in der Stadt Goma gibt", sagt der Experte.

Videos von zurückgelassenen Waffen, Uniformen und Material sowie Plünderungen kursierten auf Social Media. Auch Wechsel von Uniformen in Zivilkleidung seien zu sehen. Zudem habe es einen Gefängnisausbruch gegeben, sagt Kerstan. "Die Lage ist und bleibt unübersichtlich."

(Mit Material der dpa)

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