Während internationale Sanktionen Russland in vielen Bereichen stark einschränken, bleibt der Waffenhandel ein lukratives Geschäft für Machthaber Wladimir Putin und sein Land. Ein umfangreicher Daten-Leak deckt nun auf, wie Moskau weiterhin Milliarden durch Rüstungsexporte verdient.
Saudi-Arabien spielt dabei eine nicht untergeordnete Rolle, trotz des Krieges in der Ukraine. Dies sollte offenbar verschleiert werden, wie eine neue Recherche zeigt.
Eine umfassende Sammlung interner E-Mails und Dokumente des russischen Rüstungskonzerns Roselectronics enthüllt Details über einen geheimen Vertrag zwischen Russland und Saudi-Arabien, berichtet "Kyivindependent". Demnach zahlte das saudische Verteidigungsministerium über zwei Milliarden Euro für die Lieferung von Luftabwehrsystemen vom Typ Pantsir-S1M. Trotz der russischen Invasion in der Ukraine, die im Februar 2022 begann.
Saudi-Arabien hätte den 2021 geschlossenen Vertrag aufgrund geopolitischer Spannungen oder des Risikos von US-Sanktionen kündigen können. Doch dazu kam es nicht. Stattdessen floss weiter Geld in russische Rüstungsunternehmen. Auch in jene, die international sanktioniert sind.
Russland exportiert schon seit Langem Waffen in großem Umfang. Nach Öl und Gas zählen Rüstungsexporte zu den wichtigsten Einnahmequellen des Landes. Doch seit Beginn des Krieges in der Ukraine 2022 und den damit verbundenen Sanktionen hat sich das Volumen der Exporte erheblich verringert. Dennoch blieb Russland auch im Jahr 2023 der drittgrößte Waffenexporteur der Welt.
Neben Saudi-Arabien gibt es weitere große Käufer russischer Waffen, darunter Indien, China und Algerien. Diese Länder haben keine Sanktionen gegen Moskau verhängt und unterstützen damit indirekt Russlands Kriegsmaschine.
Der unter dem Code "82P" geführte Vertrag mit Saudi-Arabien ist besonders heikel. Die Dokumente zeigen, dass dieser Deal bewusst verschleiert wurde: Interne Schreiben verwendeten nicht den Ländernamen, sondern codierte Bezeichnungen wie "Auslandskunde 682". Das Abkommen umfasste die Lieferung von 39 Kampffahrzeugen, zehn Kommandoposten und 20 Ladefahrzeugen sowie hunderten Raketen, neun Funkbefehlsfahrzeugen und Zehntausenden Munitionseinheiten.
Der am 8. April 2021 unterzeichnete Vertrag sollte bis 2026 laufen. Die erste Lieferung war für Ende 2023 geplant. Eine Anzahlung in Höhe von 326 Millionen Euro erfolgte bereits im August 2021, wenige Monate vor dem Beginn des Ukraine-Krieges.
Das Geld aus Saudi-Arabien floss direkt in Russlands staatlich kontrollierte Rüstungskonzerne, die unter dem Dach des Rostec-Konzerns operieren. Dazu gehören Hersteller wie Shipunov Design Bureau, KAMAZ und Sozvezdie Concern, die für unterschiedliche Komponenten der Pantsir-Systeme verantwortlich sind. Viele dieser Unternehmen stehen aufgrund ihrer Rolle im Ukraine-Krieg unter internationalen Sanktionen.
Die Rüstungsgüter wurden über den staatlichen Exporteur Rosoboronexport abgewickelt. Diese Organisation nimmt eine zentrale Rolle ein: Sie verwaltet Zahlungen, behält eine Kommission ein und verteilt das Geld an die beteiligten Unternehmen.
Brisant daran ist nicht nur die finanzielle Verquickung, sondern auch das Risiko, dass Russland durch die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien Zugang zu westlicher Militärtechnologie erhält, wie "Kyivindependent" berichtet. Saudi-Arabien ist ein Großabnehmer von US-Waffen, darunter Patriot-Raketensysteme. Analyst:innen warnen, dass russische Spezialist:innen, die die Integration der Pantsir-Systeme in das saudische Verteidigungssystem übernehmen, wertvolle Erkenntnisse über westliche Technologien gewinnen könnten.
Ähnliches spielte sich bereits 2020 ab, als die USA Sanktionen gegen die Türkei verhängten. Der Grund: Der Nato-Staat hatte russische S-400-Systeme gekauft.
Russlands anhaltende Waffenexporte mitten im laufenden Ukraine-Krieg könnten widersprüchlich wirken, doch zum einen bringen diese Deals hohe Einnahmen, die in die heimische Rüstungsindustrie fließen. Zum anderen dienen sie als geopolitisches Werkzeug, um Allianzen zu stärken.
Ein lukratives, aber schrumpfendes Geschäft.
Trotz prominenter Käufer wie Saudi-Arabien ist das Volumen russischer Waffenexporte in den vergangenen Jahren gesunken. Ein Grund dafür sind die Schwierigkeiten, westliche Komponenten für die Rüstungsproduktion zu beschaffen. Zudem gibt es Berichte, wonach Russland für die Ukraine-Front Waffen einsetzt, die eigentlich für den Export bestimmt waren.
Expert:innen betonen, dass Russland durch Waffenlieferungen Einfluss gewinnt. "Russland betrachtet Waffenverkäufe als ein weiteres Instrument der Staatskunst. Es ist eine Taktik", erklärt etwa die Analystin Anna Borshchevskaya vom Washington Institute for Near East Policy dem "Kyivindependent".
Die Auswirkungen zeigen sich auch im Fall von Saudi-Arabien: Das Land enthielt sich etwa bei mehreren UN-Abstimmungen zu Russlands Krieg in der Ukraine. Gleichzeitig unterstützte Saudi-Arabien jedoch humanitäre Hilfen für Kiew in Höhe von 400 Millionen Dollar.