Brett Kavanaugh hat es geschafft. Trotz massiver Vorwürfe sexueller Belästigung ist der konservative Jurist in der Nacht zu Sonntag als Richter des US-Verfassungsgerichts vereidigt worden. Damit feiert auch Präsident Donald Trump wenige Wochen vor den Kongresswahlen im November einen wichtigen Sieg, denn Kavanaugh ist sein Mann. Ungeachtet aller Vorwürfe von sexuellen Belästigungen und Übergriffen.
Der 53-Jährige kann an dem mächtigen Gericht nun die Gesetzgebung mitprägen. Hunderte Menschen protestierten gegen Kavanaughs Ernennung. Trump reagierte erfreut: "Ich applaudiere und gratuliere dem Senat für die Bestätigung unseres hervorragenden Kandidaten", twitterte er. Zugleich machte er sich über die "kleine Menge" an Gegendemonstranten lustig.
Die Senatoren hatten am Donnerstag Einsicht in einen vertraulichen Bericht der Bundespolizei FBI erhalten, der den Vorwürfen gegen den 53-jährigen Kavanaugh erneut nachging. Republikanern zufolge brachte die Untersuchung keine neuen Erkenntnisse oder entlastete Trumps Richterkandidaten gar. Demokraten widersprachen dem. In der Nacht zu Sonntag stimmte der Senat dann Kavanaughs Berufung zu. Er wurde umgehend eingeschworen.
Kavanaugh ist der zweite von Trump vorgeschlagene Richter am Supreme Court. Der US-Präsident hatte seinem Kandidaten in der wochenlangen Debatte Rückendeckung gegeben und öffentlich die Glaubwürdigkeit der Frauen angezweifelt, die schwere Vorwürfe erhoben. Den Demonstranten, die in den vergangenen Tagen gegen Kavanaugh auf die Straße gegangen waren, unterstellte Trump, bezahlt worden zu sein. Am Samstag sprach Trump bei Twitter von einem "wütenden, linksgerichteten Mob".
In Washington und anderen Städten demonstrierten auch am Samstag wieder hunderte Menschen gegen die Bestätigung des Richters. Dutzende Demonstranten, die auf die Treppe des Kapitols vorgedrungen waren, wurden festgenommen. Auch vor dem nahe gelegenen Obersten Gericht gab es eine Demonstration. Die Teilnehmer hielten auf den Treppen des Gerichts ein Transparent mit der Aufschrift: "Der November wird kommen." Viele trugen den Slogan auch auf T-Shirts.
Die Polizei nahm Berichten zufolge mehr als 300 Menschen fest. Ihnen wurde vorgeworfen, in einem Bürogebäude des Senats illegal demonstriert zu haben.
Kavanaugh warb vor der Personalentscheidung in einem Zeitungsbeitrag für sich selbst: "Ich bin ein unabhängiger, unparteiischer Richter", schrieb er im "Wall Street Journal", das am Donnerstag erschien. Zwar sei er bei der Anhörung im Justizausschuss des Senats zu den Missbrauchsvorwürfen "zu emotional" gewesen, seine Aussagen seien aber einer überwältigenden Enttäuschung geschuldet. Er sei fälschlich eines schrecklichen Verhaltens angeklagt worden, das völlig uncharakteristisch für ihn sei, schrieb der Jurist.
Auch Trump selbst war für Kavanaugh in den Ring gestiegen, und verhöhnte am Dienstag während einer Wahlkampfveranstaltung in Southaven (Mississippi) eine Zeugin, die Kavanaugh Vergewaltigungsvorwürfe gemacht hatte.
Zuvor hatte Trump im Zusammenhang mit Vorwürfen sexueller Übergriffe gegen drei Frauen von einer "beängstigenden Zeit für junge Männer in Amerika" gesprochen. Die Demokraten im US-Senat forderten, Trump müsse sich umgehend entschuldigen.
Am Samstag verlief die Abstimmung erneut weitgehend nach Parteilinie. Die Republikanerin Lisa Murkowski, die ursprünglich mit Nein stimmen wollte, enthielt sich ihrer Stimme. Seit 1881 war kein Kandidat für den Supreme Court mit einer so knappen Mehrheit bestätigt worden wie Kavanaugh. Damals war der von Präsident James Garfield vorgeschlagene Jurist Stanley Matthews mit 24 zu 23 Stimmen bestätigt worden.
Anfang November finden in den USA die Kongresswahlen statt. Sie sind zwei Jahre nach Trumps Wahl zum Präsidenten ein wichtiger Stimmungstest. Trump hat nun gezeigt, dass er Mehrheiten bilden kann. Die Demokraten seien "zu extrem und zu gefährlich" um zu regieren, twitterte Trump und forderte zur Wahl der Republikaner auf.
Kavanaughs Berufung steht für Trumps Durchhaltevermögen. Die Proteste zeigen aber auch: Die USA bleiben gespalten.
(sg/dpa/rtr)