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Ukraine-Krieg: Russische Propagandisten glauben nicht an Russland-Sieg

HANDOUT - 25.09.2025, ---, --: Auf diesem Foto aus einem Video, das vom Pressedienst des russischen Verteidigungsministeriums via AP am Donnerstag, 25. September 2025, verbreitet wurde, schießen russi ...
Die russische Offensive in der Ukraine läuft längst nicht so erfolgreich, wie der Kreml es kommuniziert.Bild: Russian Defense Ministry Press S / Uncredited
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Ukraine-Krieg: Selbst Propagandisten glauben nicht mehr an Russland-Sieg

Immer mehr Stimmen stellen Moskaus Kriegspropaganda infrage, auch in Russland. Selbst bekannte Kreml-Figuren sprechen inzwischen offen von einer Pattsituation an der Front und warnen vor einer drohenden Niederlage.
30.09.2025, 16:3630.09.2025, 16:36

Über drei Jahre nach Beginn der großangelegten Invasion in der Ukraine ist ein Ende des Krieges nicht in Sicht: Während der russische Machthaber Wladimir Putin das Nachbarland ursprünglich innerhalb von drei Tagen einnehmen wollte, sind die bisherigen russischen Erfolge überschaubar. Ganz im Gegensatz zur Propaganda-Kommunikation vonseiten des Kremls.

Doch nun mehren sich auch in Russland Stimmen, die den Zustand der russischen Armee ernüchternd bewerten. Was lange Zeit undenkbar schien, wird jetzt öffentlich geäußert – sogar von kremlnahen Figuren.

Propagandisten zweifeln offen an Russland-Übermacht

"Die Russen müssen aufwachen und die Realität akzeptieren. Viele Menschen sterben und sie haben nicht viel vorzuweisen", erklärte US-Vizepräsident J.D. Vance am 28. September. Wenige Tage zuvor hatte US-Präsident Donald Trump betont, Russland habe "Millionen und Abermillionen Dollar für Bomben, Raketen, Munition und Menschenleben, ihre Leben, ausgegeben und praktisch kein Land gewonnen."

Sie sind nicht die Einzigen, die sich damit entgegen ihren früheren Aussagen äußern.

Wie der "Kyiv Independent" berichtet, gehen inzwischen selbst propagandistische Wortführer:innen auf Distanz zu den offiziellen Siegesmeldungen. Demnach sprach Tatjana Montjan, eine bekannte Kreml-Propagandistin, bereits am 22. September offen von fehlender Schlagkraft: Falls es im laufenden Feldzug keinen entscheidenden Durchbruch gebe, müsse Präsident Wladimir Putin wohl eine neue Mobilisierungswelle anordnen.

Noch deutlicher wurde Dmitri Rogosin, Senator für die besetzte Region Saporischschja. Er räumte am 21. September ein, dass die Front festgefahren sei: "Es ist unmöglich, vorzurücken. Es gibt eine Pattsituation an der Front."

Russischer Separatistenführer: "gleichbedeutend mit Niederlage"

Auch Pawel Gubarew, früherer Separatistenführer im Donbass, schlug in dieselbe Kerbe. Die russischen Verluste seien "unvergleichbar schwer", weil Moskau ständig im Angriff sei, während die Ukraine defensiv agiere. Gubarew ging noch weiter:

"In Wirklichkeit ist die aktuelle Situation bereits gleichbedeutend mit einer Niederlage für uns. Russland hat nicht die Fähigkeit, die sogenannte Spezialoperation mit den gesetzten Zielen und einem Sieg unter dem kolonialen System der derzeitigen Regierung abzuschließen."

Zudem hätten ukrainische Angriffe auf russische Raffinerien Kiew eine strategisch bessere Ausgangslage verschafft, während die Staatsmedien der Bevölkerung weiterhin den baldigen Zusammenbruch der Ukraine vorgaukelten.

Dass Russlands Armee trotz hoher Verluste nur minimale Geländegewinne verzeichnet, belegen Daten der ukrainischen Monitoring-Gruppe Deep State. Demnach besetzten russische Truppen zwischen Juni und August 2025 1548 Quadratkilometer neu – das entspricht gerade einmal 0,003 Prozent des gesamten ukrainischen Territoriums. Dafür fielen im gleichen Zeitraum rund 94.810 Soldaten, also durchschnittlich mehr als 1000 pro Tag.

Selbst in Kreml-Medien kommen zweifelnde Stimmen zu Wort

Sogar im staatlich kontrollierten Fernsehen kam es jüngst zu offenen Zweifeln. In der Talkshow "Mesto Vstrechi" stellte ein Gast laut "Kyiv Independent" die offiziellen Angaben über angebliche ukrainische Verluste infrage:

"Mit Ausbruch der Kämpfe hatte die ukrainische Armee bis zu 800.000 Soldaten. Danach kamen jährlich 100.000 bis 120.000 hinzu. Deshalb kann es keine 1,7 bis 2 Millionen Verluste geben – sonst gäbe es die ukrainische Armee schlicht nicht mehr."

Auf die Nachfrage des Moderators, ob das Verteidigungsministerium also lüge, antwortete er demnach: "Nicht nur unseres. Es ist ein riesiger Fehler, die ukrainische Armee zu unterschätzen."

Für den ehemaligen Offizier des ukrainischen Geheimdienstes SBU, Iwan Stupak, sind solche Worte mehr als nur Rhetorik. Gegenüber dem "Kyiv Independent" erklärte er: "Propagandisten reden so lange, wie man sie lässt. Wenn sie die Wahrheit sagen und Schaden anrichten, wird man es an den Reaktionen der Behörden sehen."

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