Ähnlich unoriginell wie schlechte Friedrich-Merz-Namenswitze (Merz kommt zurück – und das im Oktober) sind Sprachfiguren, die aus Merz das Gegenstück zu Angela Merkel schlechthin basteln. Der "Anti-Merkel" titelte beispielsweise der "Spiegel" diese Woche.
Okay, es liegt ja auch irgendwie auf der Hand: Merz ging vor einem Jahrzehnt als konservativer Wirtschaftsliberaler mit Bierdeckelsteuervision. Und vor allem: Er ging wegen Merkel. Kaum kündigt die an, nicht wieder für den CDU-Vorsitz zu kandidieren, taucht Merz dann auf.
Friedrich Merz ist die Zikade unter den Politikern:
Das mögliche Merz-Comeback macht vor allem die AfD nervös. "Anti-Merkel" ist bekanntlich ihr Markenkern. Entsprechend gibt es innerhalb der Partei laut "Bild" bereits eine Art AfD-internes Anti-Merz-Papier, für den Fall, dass Merz im Dezember zum neuen Vorsitzenden gewählt würde.
Dabei ist es gar nicht so sehr das Anti-Merkel-Etikett, was viele in der AfD so aufschrecken lässt. Die Ablehnung gegen Merz ist viel grundsätzlicher. Merz hat das Potential, zum neuen Feindbild der Post-"Merkel-muss-Weg"-Ära aufzusteigen. Und das hat Gründe:
Er grenzt sich ab
Die AfD sei "offen nationalsozialistisch" und eine Partei, die durch antisemitische Untertöne auffalle. Das hat gesessen. Gesagt hat das Merz dem "WDR 5". Ein Bündnis mit der AfD schloss er aus. Und: Bereits im Sommer lehnte Merz den Ludwig-Erhard-Preis ab, weil der Stiftungsvorsitzende Roland Tichy auf dem Blog "Tichys Einblicke" regelmäßig die Grenze zum Rechtspopulismus überschreitet. Verziehen haben sie ihm das im AfD-Milieu nicht.
Er flirtet mit grün
Eigentlich eine ziemlich einfache Regel: Wer im rechtspopulistischen Milieu Freunde sucht, der macht eines ganz sicher nicht: Er lobt die Grünen. Denn: Die AfD sieht sich als Gegenbewegung zu einem vermeintlich links-grünen Zeitgeist. Es gilt in AfD-Augen, politisch und kulturell zurückzudrehen, was mit der 68er-Bewegung begonnen habe. Naturgemäß hat jeder noch so kleine AfD-Ortsverein Hasskarten mit Claudia Roth, Renate Künast oder Anton Hofreiter in der Schublade.
Und Merz? Der will gar nicht Anti-Merkel sein.
"Ich bin Vieles, aber kein Anti-Merkel", sagte er dem "WDR 5".Bild: imago stock&people
Und was macht Merz? Der denkt gar nicht daran, sich an den Grünen abzuarbeiten. Im Gegenteil: Die Grünen von heute seien "sehr bürgerlich, sehr offen, sehr liberal und sicherlich auch partnerfähig", sagte Merz der "Bild am Sonntag". Das Kalkül dahinter dürfte klar sein: Eine Mehrheit jenseits der ungeliebten Großen Koalition ist in näherer Zukunft ohne die Grünen nicht realisierbar.
Er lobt Europa
Und dann das: Bei einem Auftritt in Arnsberg bekannte sich Merz zu einem weiteren Feindbild der AfD – der EU. „Wir müssen das allerhöchste Interesse haben, dass diese Europäische Union auch im 21. Jahrhundert zusammensteht", ließ Merz wissen. Und: Deutschland müsse bereit sein, „einen überproportionalen Beitrag für Europa zu leisten“. Er könne nicht verstehen, warum Deutschland keine Antwort auf Emmanuel Macrons Vorschläge gefunden habe, sagte Merz. Mehr noch: „Glauben wir wirklich, dass es noch einen besseren französischen Präsidenten geben wird?“
Er verkörpert neurechte Feindbilder
Neben einem Bekenntnis zu Europa, einem Flirt mit den Grünen und deftiger AfD-Kritik hat die Abneigung gegen Merz in AfD-Kreisen aber noch eine weitaus tiefere Ursache. Die liegt in der Ideologie neurechter Bewegungen begründet.
Schon Ende des 19. Jahrhundert stritten auch Rechte um die soziale Frage. Die AfD, einst als Professoren- und Anti-Euro-Partei gestartet, hat als politischer Arm der neuen Rechten längst die Kapitalismuskritik für sich wiederentdeckt. Vor allem Alexander Gauland und Björn Höcke werben heute um die sogenannten "kleinen Leute".
Das geht sogar soweit, dass Neurechte auch nicht davor zurückschrecken, auf Karl Marx zurückgreifen. (In diesen Kreisen wolle man, „einen ‚rechten’ Zugang zum Kapital” finden und veröffentlicht Bücher wie „Marx von rechts”.)
Was aber hat das mit Friedrich Merz zu tun?
Nun: Merz bekennt sich zu den USA, zur Marktwirtschaft und sieht sich als Liberaler. Während seiner politischen Abwesenheit saß er in diversen Aufsichtsräten. Als Aufsichtsratschef beim größten Vermögensverwalter "Blackrock" zum Beispiel, über den das "Handelsblatt" schreibt, er nutze das sogenannte "Cum-Cum-Modell": dubiose Deals, die Staaten um Steuereinahmen bringen.
Im AfD-Milieu offenbar Beweis genug, um aus Merz eine Art "Marionette des Kapitals" zu machen.
Das sieht dann so aus:
Merz, der US-hörige Kapitalist, der fremdgesteuerte Verräter, der nicht im Auftrag der Deutschen handelt, so die Botschaft.
Auf Verschwörungstheorie folgt dann Verschwörungstheorie:
Andere Kommentatoren wiederum sehen keinen Zufall darin, dass Merz so plötzlich wieder aufgetaucht sei. Und schließen auf ein "abgekartetes Spielchen des Systems".
Und genau das macht diese rechte Spielart der Kapitalismus- und Globalisierungskritik so gefährlich. Dass sie einen Plan suggeriert, eine Macht dahinter. Dass sie in einem zweiten Schritt oftmals zwischen gutem und bösem ("schaffendem" und "raffendem") Kapital unterscheidet. Dass sie sich an Personen und Gruppen abarbeitet und das "Böse" nicht selten bei der Bankiersfamilie Rothschild, bei George Soros oder der Unternehmerfamilie Rockefeller verortet. Der Schritt zu einer von der „jüdischen Ostküste“ gesteuerten US-Weltverschwörung ist dann nur noch einen schmutzigen Gedanke entfernt.
Auch in den Kommentaren ist Soros schnell Thema:
Kurzum: Friedrich Merz ist vor allem deshalb so unbeliebt im AfD-Milieu, weil er drei grobschablonige Reflexe neurechter Ideologien auslöst: Antikapitalismus, Antiamerikanismus und die Feindschaft zum Liberalismus.
Absolut Ideologie frei: Weihnachtsfan gegen Weihnachtshater...
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