Los Angeles ist dieser Tage die Arena gleich mehrerer Auseinandersetzungen. Da wären einmal die Bilder von Flaschenwürfen, Gummigeschossen und brennenden Mülltonnen: Kämpfe der Demonstrant:innen, die – zum Teil friedlich, zum Teil mit radikalen Mitteln – gegen die krasse Abschiebepolitik der Trump-Regierung aufbegehren, mittlerweile aber von Militär-Streitkräften gewaltsam zurückgedrängt werden sollen.
Doch über allem schwebt ein weiterer Kampf, genauer gesagt eine Schlammschlacht zwischen US-Präsident Donald Trump und dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom. Letzterer sprach zuletzt von "gestörten" Fantasien eines "diktatorischen Präsidenten" und kündigte Klagen gegen Trumps Vorgehen an. Der Republikaner wiederum warb für eine Festnahme Newsoms.
Dass Trump ausgerechnet in der selbsternannten "Sanctuary City", einem Zufluchtsort für Minderheiten, in großem Maße eskaliert, hat eine Vorgeschichte. Doch Trumps Einschalten des Militärs ist nicht nur für Los Angeles eine Bedrohung, befürchten Expert:innen.
Gerade Trumps Migrationspolitik ist nach wie vor eines seiner wichtigsten Steckenpferde. Zu seinem Wahlsieg verhalfen Trump zu einem großen Teil auch seine rassistischen Botschaften und harte Agenda: "Aliens" statt Migrant:innen und Geflüchtete, illegale Massenabschiebungen statt Integration, Segregation statt Miteinander.
Gegen all das steht in den USA aber kaum ein State mehr als Kalifornien – und kaum eine Stadt mehr als das weltoffene Los Angeles. Die Metropole im Südwesten der USA gilt zudem als "Hochburg der Demokraten", erklärt Politikwissenschaftler Christian Lammert gegenüber watson. Sie stehe daher "symbolisch für progressive Politik, die Trumps konservativer Agenda entgegensteht".
Das Gleiche gilt laut Lammert auch für den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom. Er sei einer der "prominentesten demokratischen Gouverneure" und habe sich bereits "öffentlichkeitswirksam" gegen Trump positioniert.
Die Konfrontation mit Newsom und Los Angeles nutze Trump "strategisch", um seine Wähler:innen zu mobilisieren, mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen und die USA weiter zu polarisieren, erläutert Lammert. Damit wolle er sein Narrativ "von einem angeblich 'gescheiterten' liberalen System" stärken.
Nach den ausufernden, jedoch nicht unkontrollierbaren Demonstrationen gegen Razzien der US-Einwanderungsbehörde ICE, sandte Trump zunächst ohne Newsoms Zustimmung 2000 kalifornische Nationalgardisten zur Unterstützung der Polizei nach Los Angeles. Nun wurde diese Zahl sogar nochmal verdoppelt, zudem wurden 700 Militär-Streitkräfte angefordert.
Trump übernahm die Autorität über Kaliforniens Nationalgarde ohne Newsoms Zustimmung unter dem Vorwand einer drohenden Rebellion gegen die US-Regierung. Auf welcher Grundlage wiederum auch Marine-Infanterist:innen, die zum US-Militär gehören, nach Los Angeles geschickt werden, bleibt unklar.
In einem Schreiben genehmigte die Regierung, dass die Nationalgarden dort aktiviert werden könnten, wo "Proteste stattfinden oder wahrscheinlich stattfinden werden" – jedoch nicht ausschließlich in Los Angeles. Rechtsexpert:innen warnten daher gegenüber dem US-Portal "Fortune" davor, dass die Regel nun auch willkürlich im Rest der USA angewendet werden könnte.
Lammert zufolge besteht Sorge, dass die "Einsetzung von Militär oder Bundesbeamten in Städten wie Los Angeles als Präzedenzfall genutzt werden könnte, um ähnliche Maßnahmen landesweit durchzusetzen". Damit könne die Trump-Regierung versuchen, ihre Autorität gegenüber den Bundesstaaten zu stärken, "insbesondere in Regionen, die nicht mit Trumps Politik übereinstimmen".
Dabei gehe es "auch um Machtdemonstration und die Einschüchterung politischer Gegner". Dennoch sei es unklar, ob es wirklich zu militärischen Einsätzen in mehreren Städten kommt. Dies sei zwar unwahrscheinlich, "solange es keine massive Eskalation oder Gewalt gibt". Dennoch bestehe die Gefahr, dass die Regierung ihre Befugnisse ausweitet.
Kalifornien hat bereits Klage gegen Trumps Nationalgarde-Entscheidung an Newsom vorbei eingereicht, dem Gouverneur zufolge soll auch gegen das Militär-Eingreifen geklagt werden. Laut Lammert kann ein Richterspruch jedoch unter Umständen auch Wochen bis Monate dauern.
Selbst dann ist unklar, wie sich Trump verhält. Sein Vize JD Vance teilte einmal mehr via X die Auffassung der Trump-Regierung, dass Richter die "legitime Macht der Exekutive nicht kontrollieren" dürften – obwohl genau das sogar durch die Verfassung gedeckt und vorgesehen ist.
Was also, wenn Trump den Rechtsstaat ignoriert und sich über Gerichtsentscheidungen hinwegsetzt? Dann drohe eine "Verfassungskrise", erklärt Lammert gegenüber watson. Er warnt außerdem: US-Gerichte könnten zwar Sanktionen wie Geldstrafen oder Haft verhängen. Deren Umsetzung würde in den USA jedoch "stark" von der Exekutive abhängen – "also letztlich auch von Trumps eigenem Justizministerium" und den US-Behörden.
Gerichte hätten in solchen Fällen "nur begrenzte Machtmittel". Daher seien laut Lammert "die effektivsten Kontrollmechanismen politischer Natur". Bundesstaaten, Beamten:innen, Medien, Wähler:innen: Letztlich liege es "an der demokratischen Kultur und den politischen Institutionen, den Rechtsstaat zu verteidigen" – und an der Bevölkerung, die Druck durch Wahlen und Proteste ausüben könne.