Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt in New Hampshire.Bild: imago images / USA TODAY Network/ Jasper Colt
Analyse
Für viele Medien schien Donald Trump bei der Wahl im November gegen Joe Biden leichtes Spiel zu haben. Nun erkennen sie seine Schwächen. Ein vernünftiger Umgang mit ihm ist notwendig.
Peter Blunschi / watson.ch
Donald Trump ist nicht zu stoppen. Er dürfte am 5. November zum dritten Mal in Folge als Präsidentschaftskandidat der Republikaner zur Wahl antreten. Nikki Haley, seine letzte Rivalin, will nicht aufgeben. Doch nach der Niederlage bei der Vorwahl im Bundesstaat New Hampshire, wo sie unbedingt gewinnen wollte, hat sie kaum noch eine echte Chance.
Damit könnte Trump ein Kunststück wiederholen, das zuvor erst dem Demokraten Grover Cleveland gelungen war. Er war 1884 zum US-Präsidenten gewählt worden. Vier Jahre später musste er das Weiße Haus räumen, doch schon 1892 kam es zum Comeback. Für viele Medien galt es als nahezu sicher, dass dies auch Donald Trump gelingen würde.
In den letzten Monaten konnte man zahlreiche Berichte lesen, sehen und hören, wonach Trumps Wahlsieg gegen den "klapprigen" und ungeliebten Amtsinhaber Joe Biden mehr oder weniger Formsache sein wird. Trotz seiner Lügen, seiner hasserfüllten Parolen und der zahlreichen Gerichtsverfahren. Gegen Donald Trump schien kein Kraut gewachsen zu sein.
Eine neue Tonalität
Selbst ein eher nüchternes Blatt wie der britische "Economist" geriet ob solcher Aussichten regelrecht in Panik. Er riet den Demokraten, einen "Plan B" zu entwickeln, oder im Klartext Joe Biden aus dem Verkehr zu ziehen. Andernfalls werde ihn Trump "plattmachen". Dann aber kam New Hampshire, und plötzlich ist die Tonalität in den Medien eine ziemlich andere.
Auf einmal stellen sie fest, dass der polarisierende "Antipolitiker" kein Titan ist, sondern ein "Scheinriese", so der "Spiegel". Denn die Vorwahl legte seine Schwachpunkte offen. Dies liegt vor allem daran, dass an der republikanischen Primary auch Wählerinnen und Wähler teilnehmen durften, die sich mit keiner der großen Parteien identifizieren.
Wenig Erfolg bei Wechselwählern
Bei diesen "Independents" holte Trump laut einem Exit Poll von CNN nur 39 Prozent der Stimmen. 58 Prozent gingen an Nikki Haley. Die Wechselwähler im politischen Zentrum sind jedoch unerlässlich für einen Wahlsieg im November. Unter den Teilnehmern, die sich als moderat bis links einstuften, kam die frühere UNO-Botschafterin sogar auf 74 Prozent.
Trumps Konkurrentin Nikki Haley ist gerade bei Wechselwähler:innen beliebt.Bild: imago images / UPI Photo/ Amanda Sabga
Die "New York Times" hat drei Wählergruppen identifiziert, bei denen Donald Trump Mühe hat: Unabhängige, Menschen mit höherer Bildung – und "Republikaner, die nicht gewillt sind, seine juristischen Querelen auszublenden". Sie hätten "in großer Zahl" für Nikki Haley gestimmt. Die letzte Gruppe wird von Analysten und Korrespondenten oft ignoriert.
Mühe in den Suburbs
Dabei ist die fehlende Geschlossenheit in seiner Partei für Trump ein großes Problem. In einer "New York Times"-Umfrage vom letzten Sommer unter republikanischen Wählerinnen und Wählern sagten 25 Prozent, sie seien "nicht offen für Trump". Einige werden "umfallen", doch viele werden im November zu Hause bleiben oder sogar Biden wählen.
Diese Beispiele zeigen, dass der Ex-Präsident viel verwundbarer ist, als es seine pompösen Auftritte und die ihn anbetende Fangemeinde vermuten lassen. Selbst der "Economist" räumt ein, dass Trump sich in den "Suburbs", also den urbanen Agglomerationen, weiterhin schwertut. Genau dort hatte Joe Biden vor vier Jahren die Wahl gegen ihn gewonnen.
Bidens wacklige Koalition
Natürlich hat der Amtsinhaber ebenfalls Schwächen, unabhängig von den Vorbehalten wegen seines Alters. Auf dem linken Flügel der Demokraten sind viele verärgert über seine als zu proisraelisch empfundene Haltung im Nahostkonflikt. Der starke Migrationsdruck an der Südgrenze der USA könnte Biden ebenfalls wichtige Wählerstimmen kosten.
Auch für den amtierenden Präsidenten Joe Biden dürfte die Wahl aufreibend werden.Bild: IMAGO images/Greg Lovett/The Palm Beach Post
Der 81-jährige Präsident muss eine ziemlich wackelige Koalition zusammenhalten. Dafür gibt es kein besseres Mittel, als die Ängste vor einer Rückkehr von Donald Trump zu schüren. Bidens Wahlkampfteam hat auf das Ergebnis in New Hampshire sofort reagiert und die besagten Gruppen ins Visier genommen, unter anderem mit dem Thema Abtreibungen.
Volles Rohr gegen Trump
Joe Biden selbst wird erst in vier Wochen in South Carolina in den Wahlkampf einsteigen. Der südliche Bundesstaat mit seiner großen afroamerikanischen Bevölkerung hatte ihm 2020 faktisch den A… gerettet und ihn vor dem vorzeitigen Aus bewahrt. Mangels ernsthafter Konkurrenz konnte der Präsident seine Wahlkampfkasse bislang schonen.
Die Kampagne der Demokraten hat noch nicht richtig begonnen. Sie wird anders als Haley und Konsorten Donald Trump aus vollen Rohren attackieren und seine Schwachpunkte ins grellste Licht rücken: seine faschistoiden Anwandlungen, die zunehmenden Anzeichen von Senilität, oder die Tatsache, dass er mit mindestens einem Bein im Gefängnis steht.
Bis zum Herbst vergeht noch viel Zeit, und der Wahlkampf wird hässlich werden. Die mit KI gefakte Stimme von Joe Biden, die Menschen in New Hampshire mit sogenannten Robocalls vom Wählen abhalten wollte, liefert dafür einen Vorgeschmack. Und die meisten Amerikaner stöhnen beim Gedanken an ein erneutes Duell der beiden alten Männer auf.
In den nationalen Umfragen ist Donald Trump genauso unbeliebt wie Joe Biden. Er ist aber auch ein Phänomen, das viele Medienleute permanent überfordert. Sie neigen deshalb zum Schwarzweiß-Denken. Mal wird er als unbesiegbar geschildert, dann gilt er plötzlich als angeschlagen. Unterschätzen darf man ihn sicher nicht – aber auch nicht überschätzen.
Der Gazastreifen liegt in Schutt und Asche, das Sterben gehört dort zum Alltag, Kinder leiden massiv: Der Nahost-Konflikt und das brutale Agieren Israels im Gazastreifen spaltet die Gesellschaft. Es hagelt seit Monaten Kritik zur ungeheuren Brutalität, mit der das Land unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der Enklave vorgeht. Auch in Israel wird der Widerstand größer.