Grausam, skrupellos, dem Kreml ein Dorn im Auge – und dennoch bereits kurz nach seinem Tod eine Legende: Jewgeni Prigoschin.Bild: imago images / ZUMA Wire
Analyse
30.08.2023, 09:1901.09.2023, 11:52
Jewgeni Prigoschin ist tot. Mit ihm starb auch die Hoffnung der Wagner-Söldner, wieder eine relevante Söldnergruppe in der russischen Gesellschaft zu werden – nachdem ihr Chef Prigoschin mit seiner Meuterei im Juni für einen Eklat gesorgt hatte. Seither waren die meisten Wagner-Kämpfer aus Russland verschwunden und bildeten belarussische Soldaten aus.
Die wenigsten Expert:innen gehen noch davon aus, dass die Gruppe Wagner in ihrer derzeitigen Form weiter bestehen kann. Einen geeigneten Anführer hat sie nicht – denn mit Prigoschin stürzte quasi die gesamte Führung des privaten Militärunternehmens in den Tod.
Neu: dein Watson-Update
Jetzt nur auf Instagram: dein watson-Update!
Hier findest du unseren
Broadcast-Channel, in dem wir dich mit den watson-Highlights versorgen. Und zwar nur einmal pro Tag – kein Spam und kein Blabla, versprochen! Probiert es jetzt aus. Und folgt uns natürlich gerne
hier auch auf Instagram.
Bleibt die Frage: Wer wird künftig die Machenschaften der Wagner-Gruppe übernehmen? Schließlich sind sie nicht bloß an der Front in der Ukraine aktiv gewesen, sondern in vielen Krisenregionen des afrikanischen Kontinents und auch in Zentralasien. Mit den Söldnern konnte sich Russland weltweit in Konflikte einmischen, ohne sich tatsächlich offiziell zu präsentieren. Diese Löcher müssen gestopft werden. Und zwar mit Männern aus der russischen PMC-Szene, also Mitarbeitern privater Sicherheits- und Militärunternehmen.
Ein Überblick über Russlands wichtigste Schattenarmeen.
Redut-Antiterror
Redut-Antiterror, auch bekannt als Center R, gründete sich 2008 aus mehreren kleineren privaten Militärgruppierungen und -organisationen heraus. Darunter auch die Gruppe Antiterror, die etwa im Irak kämpfte und als Sicherheitsdienst zugegen war. Reduts Entstehung geht auf eine Initiative von Veteranen des Auslandsnachrichtendienstes Sluschba wneschnei raswedki (SVR), der russischen Luftlandetruppen, des Militärnachrichtendienstes GRU und der Truppen des russischen Innenministeriums zurück.
Sie alle hatten bereits auf staatlicher Ebene tiefgreifende Erfahrungen mit militärischen Operationen und angeblichen friedenserhaltenden Missionen im Ausland sammeln können, bevor sie sich privatisierten. Die Gruppe nahm an Einsätzen auf dem Gebiet von Irak (Kurdistan), Syrien, Somalia, den Ländern des karibischen Beckens und dem ehemaligen Jugoslawien teil. Auch in der Ukraine soll Redut derzeit aktiv sein.
Die Wagner-Gruppe versuchte in Polen zu rekrutieren. Der Spruch "We are here, join us" wirkt nach Prigoschins Tod noch makaberer.Bild: imago images / NurPhoto
Zudem soll Redut in beratender Tätigkeit an dem russisch-georgischen Konflikt vom August 2008 aktiv gewesen sein, wo das Unternehmen die abchasischen Streitkräfte ausbildete.
Diese PMC war nach der Gruppe Wagner die wichtigste Privatarmee. Schon vor Prigoschins Putschversuch in Russland war sie die einzige, deren Bedeutung auch nur ansatzweise an die der Wagner PMC heranreichte.
RSB-Gruppe
Die 2005 gegründete RSB-Gruppe ist ebenfalls ein Zusammenschluss mehrerer kleinerer Organisationen. Offenbar verfügt diese PMC sogar über Niederlassungen und Büros in der Türkei, Deutschland, Italien und Senegal. Dem Vernehmen nach beteiligen sich Angestellte der RSB-Gruppe nicht an irgendwelchen Kampfhandlungen, sondern spezialisieren sich auf:
- Militärische Beratung
- Truppenhandwerks-Arbeiten
- Nachrichtenbeschaffung und -analyse
- Bewaffneter physischer Schutz von verschiedenen Objekten und Ladungen sowie von Seerouten.
Seit seiner Gründung hat das Unternehmen eigenen Angaben zufolge eine Vielzahl von Einsätzen durchgeführt – etwa in Hochrisikogebieten wie dem Golf von Aden, dem Golf von Guinea oder in Libyen.
Laut dem Russland-Experten Sergey Sukhankin vom US-amerikanischen Thinktank Jamestown Foundation könnte die RSB-Gruppe 2014 auch bei der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer Halbinsel Krim eine Rolle gespielt haben.
Moran Security Group
Die Moran Security Group gründete sich 2011. Anders als die anderen PMCs ist sie keine Firma, die aus dem Zusammenschluss mehrerer Organisationen hervorging, sondern besteht aus vielen kleineren, noch immer existierenden Unternehmen. Wie der Experte Sukhankin schreibt, sind ihre Aufgaben und Fachgebiete viel breiter gefächert als die "Standardpakete", die von ähnlichen Unternehmen angeboten werden.
Spezialisiert hat sich die Gruppe auf:
- Zoll- und Grenzkontrollen
- Rettungseinsätze (einschließlich Geiselbefreiung und Marineoperationen zur Bekämpfung von Piraten)
- Vorbereitung von Militäroperationen
- Personenschutz für VIPs. Angeblich soll der syrische Machthaber Bashar al Assad einer der Kunden des Unternehmens gewesen sein
Auf ihrer Website stellt die Moron Security Group sogar Bilder von Einsätzen bereit. Bild: Moran Security Group
2012 war die Gruppe in einen massiven Skandal verwickelt: Die Besatzung eines ihrer Schiffe wurde in Nigeria wegen des Verdachts auf Waffenschmuggel festgenommen. Die Behörden durchsuchten die Fracht und fanden 14 AK 47-Gewehre (mit 3643 Stück Munition) und 22 Benelli MR1-Gewehre (mit 4955 Stück Munition).
Doch nicht der bloße Fund dieser Waffen war der Skandal – sondern die Reaktion der PMC: Die Verantwortlichen des Unternehmens erklärten, man könne den nigerianischen Streitkräften ohne jegliche Unterstützung durch russische Regierungsinstitutionen entgegentreten. Man warte nur auf die Entscheidung der russischen Regierung.
Nach 2014 verschwand die Moran Security Group gänzlich aus der Öffentlichkeit, was aber nicht bedeutet, dass sie nicht aktiv ist. Man geht davon aus, dass versucht wurde und wird, die Beteiligung am syrischen Bürgerkrieg und an den Kampfhandlungen im Südosten der Ukraine (vorrangig der Krim) zu verschleiern.
Viele kleinere Gruppen
Die drei oben genannten PMCs sind bei weitem nicht die einzigen privaten Militärunternehmen. Vor allem seit dem vollumfänglichen Einmarsch in die Ukraine haben sich immer wieder neue Söldnertrupps gegründet, die an verschiedenen Flanken der Front zugegen waren und sind. Allein wären sie definitiv nicht in der Lage, die Wagner-Gruppe zu ersetzen, dennoch spielen sie in ihrer Gesamtheit eine große Rolle für Russland und könnten Lücken, die die Wagners hinterlassen, an verschiedenen Stellen schließen.
Da wären zum Beispiel Truppen, die von dem russischen Gaskonzern Gazprom gegründet wurden und bis heute von ihm finanziert werden. Der bekannteste Trupp ist das Potok Bataillon, das sich im April eine heftige verbale Auseinandersetzung mit der Wagner-Gruppe lieferte. Dabei ging es um taktische Ungereimtheiten, die sich die beiden Kämpfertrupps in und um Bachmut gegenseitig vorwarfen. Mittlerweile soll sich Potok allerdings der Redut-Antiterror PMC angeschlossen haben.
Der russische Konzern Gazprom hat mehrere private Militärunternehmen gegründet.Bild: dpa / Stringer
Weitere Freiwilligentrupps, die Gazprom gründete und bezahlt, sind Fakel und Plamya. Beide sollen allerdings nun dem russischen Verteidigungsministerium unterstellt sein.
Die Zarenwölfe wurden 2014 gegründet – und zwar, um zu versuchen, die russische Beteiligung an den Kämpfen im Donbass zu verschleiern. Die Gruppe besteht aus Militärberatern und Experten, die den ukrainischen Separatisten militärisch-technische Unterstützung leisteten. Diese Gruppe kommt derzeit während der ukrainischen Gegenoffensive an vorderster Front zum Einsatz.
Das Uran-Bataillon wird von der russischen Raumfahrtbehörde Roscosmos betrieben. Mitte Juni 2023 wurde der Trupp international bekannt, als er ein Rekrutierungsvideo veröffentlichte.
Die Einheit ist nach dem Planeten Uranus benannt und hat ihre Loyalität gegenüber dem russischen Staat betont, um Kämpfer der Wagner-Gruppe nach der Rebellion zu überzeugen, sich ihr anzuschließen.
Bisher hat Uran noch nicht an vorderster Front gekämpft, bereitet sich allerdings wohl gerade darauf vor.
Susan Wiles wird die mächtigste Frau Washingtons. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump gegen die Demokratin Kamala Harris tüftelt er bereits fleißig an der Aufstellung seines Kabinetts. Seine Wahlkampfleiterin Susan Wiles ernennt er zur Stabschefin des Weißen Hauses. Damit ist sie die erste Frau, die diesen Posten übernimmt.