
Oha, Cops!Bild: dpa / Jacob Schröter
Analyse
Polizist:innen genießen in der Gesellschaft einen besonderen Status. Sie sollen als Teil der Exekutive das Gesetz umsetzen. Was aber, wenn es nicht den Eindruck macht, als würden sie hinter diesem stehen?
16.07.2025, 19:5216.07.2025, 19:52
Wo Sittlichkeit aufhört, beginnen Chatgruppen. Soziale Normen werden mit dem Gang ins Digitale abgestreift. Ruhige Personen drehen plötzlich frei, Lästereien machen die Runde, es wird gewettert, gemeckert, gehetzt. Grenzüberschreitungen gibt es nicht, schlicht, weil es keine Grenzen gibt. Insofern lassen Chatgruppen tief blicken.
So auch bei den vielen Fällen, in denen Polizeibeamt:innen Whatsapp-Gruppen als Hihi-Haha-Halde für rassistische, rechtsextreme, antisemitische – kurz, durch und durch menschenverachtende – Aussagen und Memes nutzten. Häufig bleibt es folgenlos, wenn das in die Öffentlichkeit schwappt.
Ein Gerichtsurteil aus Hessen zeigt, wie sehr es an Bereitschaft mangelt, hetzende Polizist:innen aktiv zu bekämpfen.
Polizei-Chatgruppe "Die Phalanx": Mobbing?
Es ist eine komplexe Geschichte. Eine, die sich in zwei Abschnitte teilt. Da wäre zunächst die Chatgruppe "Die Phalanx". Angesichts eines unerträglichen Arbeitsklimas zog sich rund die Hälfte einer südhessischen Ausbildungseinheit in eine Chatgruppe zurück, die sie nach einer Schlachtreihe aus dem antiken Griechenland benannten.
Mitglieder waren fünf Einsatztrainer und eine Trainerin, die ein halbes Jahr über ihre Kolleg:innen lästerten, "Spiegel" berichtete. Worte wie "Arschkrampen", "Hackfressen", "Pimmelkopf", "Fettes widerwärtiges Fettschwein" flogen dort durch die Gegend wie Gummigeschosse. Die bleiben aber nicht dauerhaft im geschlossenen Raum.
Ein Teil gelangte an die Öffentlichkeit, danach ging es rund. Polizei und Justiz in Hessen griffen hart durch. Es folgten Durchsuchungsbeschlüsse, Sicherstellungen, Disziplinarverfahren, Razzien, Handyauswertungen. Das volle Arsenal Ermittlungsarbeit kam zum Tragen.
Es folgten Geldstrafen und Versetzungen. Seit kurzem sind die Urteile dazu in Kraft, Anwälte der Betroffenen wollen dagegen vorgehen.
Der Staat griff hier mit voller Härte durch. Überraschend ist das, weil er beim "Itiotentreff", einer weiteren hessischen Polizei-Whatsapp-Gruppe, 2018 die Füße still hielt. Dort kursierten Hitler-Bilder, Nazisymbole, rassistische Gewaltfantasien, Freude über ertrunkene Flüchtlinge, das volle Faschismus-Programm also. Bis heute sind die Mitglieder straffrei.
Polizisten müssen selten Gerichtsverfahren fürchten
Zoomen wir aus Hessen raus, kristallisieren sich noch deutlich mehr Fälle heraus. In den vergangenen Jahren fielen Chatgruppen aus Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen ins Auge. Zu Verurteilungen kam es dabei nur selten. Stattdessen gibt es Disziplinarverfahren, die nicht zwangsläufig mit einem Ausschluss aus dem Dienst enden. Gerichtsverfahren enden zudem nur selten mit Verurteilungen.
Dafür gibt es mehrere Erklärungen, die sich zu einem Fundament für ein strukturelles Problem verdichten. "Einmal arbeiten Staatsanwält:innen sehr eng mit Polizist:innen zusammen, mitunter entstehen auch Freundschaften", sagt Autor Mohamed Amjahid, der sich im Buch "Alles nur Einzelfälle?" unter anderem intensiv mit rassistisch motivierter Polizeigewalt auseinandersetzte.
"Diese Freundschaften sorgen dafür, dass die Staatsanwaltschaft vor Gericht schon im Sinne der Polizei gebiast sein kann", sagt er. Aussagen würde so mitunter ungefragt abgenickt, auch wenn sie nicht den Darstellungen in den Akten entsprächen. Darüber hinaus gibt es gelegentlich einen Unwillen, rechtsextreme Äußerungen in den Chatgruppen ernst zu nehmen.
Ableistische, rassistische und gewaltverherrlichende Aussagen werden häufig vom Beruf entkoppelt und ins Private geschoben.
So etwa beim Fall Charlotte Knobloch. Ein Polizist war für den Schutz der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München zuständig. Dieser wünschte ihr in Chats, "vergast" zu werden. Weil die Aussagen in einem Privatchat fielen, folgte eine recht milde Strafe: die Herabstufung des Dienstgrades, wie unter anderem "taz" berichtete.
Polizeilicher Zusammenhalt: ein Problem
Dass Fälle so selten vor Gericht landen, hängt auch mit Korpsgeist zusammen. Schon in der Ausbildung werden viele gedrillt, zusammenzuhalten. "Ich habe Fälle erlebt, in denen Polizist:innen wegen rassistischer Beleidigungen hinschmissen, schlicht, weil sie keine Chance hatten, dagegen vorzugehen", sagt Amjahid. "Bei Beschwerden gab es vielmehr Vorwürfe von Vorgesetzten."
Wenn etwas diesen Zusammenhalt stört, zum Beispiel die Chatgruppe "Phallanx", könnte das ein deutlich heftigeres Beben auslösen als eine rechtsextreme Chatgruppe. "Dabei geht es hier um zwei Fragen: Mobbing ist kein Kavaliersdelikt, keine Frage. Eine rechtsextreme Haltung in der Polizei ist aber sicherheitsrelevant."
Polizist:innen haben ein Gewaltmonopol, tragen Dienstwaffen, haben spezifische Befugnisse. Kontrolle ist wichtig. "Damit diese vollumfänglich stattfindet, braucht es aber eine übergeordnete Behörde."
Solange die fehlt, besteht Gefahr, dass gegen mobbende Polizist:innen deutlich drastischer vorgegangen wird als gegen solche, die mindestens rechtsextreme Inhalte "witzig" finden. Und letztere bergen ein hohes Risiko für die Gesellschaft, sobald sich die Chatnachrichten in reale Handlungen übersetzen.
Die SPD soll drei Lobbyverbänden exklusiven Zugang zu einer internen Runde ihrer Klima-Verhandlungsgruppe gewährt haben. Dort ging es nicht nur um Meinungsaustausch, sondern um konkrete Formulierungen für den Koalitionsvertrag. Kritiker:innen sprechen von gezielter Einflussnahme.
Wer mitreden darf, wenn es um Milliarden für Klimaschutz geht, entscheiden nicht nur Wähler:innen. Recherchen zeigen jetzt: Drei Lobbyverbände waren bei den SPD-Verhandlungen zur Klima- und Energiepolitik dabei – und zwar exklusiv. Und das zu einem Zeitpunkt, als längst an konkreten Formulierungen gefeilt wurde.