Es ist ein offengelegtes Geheimnis, dass in den vergangenen Jahren Betrüger:innen erhebliche Summen an EU-Geldern missbrauchten. Vor allem Mehrwertsteuerbetrug spielte dabei eine Rolle. Ebenso ist bekannt, dass Gelder in menschenrechtlich höchst problematische Projekte flossen, wir denken an das katastrophale Flüchtlingslager Moria in Griechenland.
Doch da hört es nicht auf. Einem Bericht zufolge sind Hunderte Millionen aus EU-Mitteln in Projekte geflossen, die die Rechte marginalisierter Gesellschaften verletzten. In sechs Ländern sei das der Fall gewesen. Vor allem gesellschaftliche Isolation spielte dabei eine Rolle.
Der Bericht fußt auf Informationen von acht NGOs aus Europa, darunter das Europäische Netzwerk für unabhängiges Leben, und verweist auf Initiativen wie die getrennte Unterbringung von Roma, Wohneinrichtungen für Kinder mit Behinderungen und Aufnahmezentren für Asylbewerber. Insgesamt umfasst er 63 Projekte in sechs Ländern, die eine Finanzspritze von mehr als einer Milliarde Euro erhalten haben sollen.
Ein Beispiel ist eine Einrichtung für Kinder mit Behinderungen in Rumänien. 2,5 Milliarden Euro Fördermittel flossen dort hinein. Das Problem: Die Kinder wurden darin verfrachtet, statt dass sie Unterstützung bekamen, um bei ihren Familien zu bleiben. "Das ist sehr besorgniserregend. Es ist das Recht aller Kinder, ob behindert oder nicht, in ihren Familien aufzuwachsen", sagte Ines Bulic vom Europäischen Netzwerk für unabhängiges Leben.
Ein weiteres Beispiel ist der Bau einer Wohnsiedlung für Roma, ebenfalls in Rumänien. Jedoch findet sich diese am Stadtrand, weit entfernt von jeglicher öffentlicher Versorgung, bestehend aus alten Werfcontainern, die nicht die Mindestanforderungen an Wärme- und Schalldämmung sowie Hygiene erfüllen.
Griechenland nutzte hingegen die Gelder, um mehrere Aufnahmezentren für Asylsuchende zu errichten. Alle in abgelegener Lage und alle nicht menschenrechtskonform.
Die Autor:innen des Berichts beschäftigten sich auch mit der Frage, warum Millionen für diskriminierende Projekte verwendet werden. Eine Antwort: "Mangelndes Verständnis" für Grundrechte in einigen Regierungen und Teilen der EU.
Einer der Autoren sagte, es sei wichtig, eine gemeinsame Sichtweise und ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln, dass der Bau einer getrennten Schule für Roma-Kinder eine Verletzung der Grundrechte darstellt.
Das gelte auch für den Bau einer Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderungen oder die Unterbringung von Menschen in Aufnahmezentren, wie es in Griechenland geschieht.
Menschenrechtswidrige Flüchtlingsaufnahmezentren und die Segregation behinderter Menschen ist in vielen EU-Mitgliedsstaaten bitterer Normalzustand, wie eine EU-Agentur sowie zivilgesellschaftliche Organisationen feststellten.
Auf Anfrage vom "Guardian" zum aktuellen Bericht teilte die Europäische Kommission mit, sie wolle die Ergebnisse prüfen. "Es ist wichtig hervorzuheben, dass die Kommission keine Organisationen finanziert, die Grundrechte und -werte nicht vollständig respektieren", sagte demnach ein Sprecher. Sollte es zu Verstößen kommen, habe die Kommission die Möglichkeit, das Geld zurückzufordern.