Heute beginnt in New York City der erste Strafprozess gegen einen ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Donald Trump sitzt auf der Anklagebank und schreibt Geschichte.
Dabei hat der Republikaner wohl genug um die Ohren mit seinem Wahlkampf. Im November wird er voraussichtlich erneut gegen Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl antreten. Doch zunächst muss sich Trump dem historischen Gerichtsverfahren wegen Verheimlichung einer Schweigegeldzahlung stellen.
Zum Hintergrund: Trump ist angeklagt, Geschäftsdokumente gefälscht zu haben, weil er eine Schweigegeldzahlung von 130.000 Dollar an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels geheim halten wollte. Stormy Daniels hatte nach eigener Schilderung eine Affäre mit Trump, was dieser bestreitet.
Was der Prozess für Trump bedeutet, schätzt für watson der USA-Experte Thomas Greven vom Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin ein.
Vor allem dürfte der Prozess für Trump sehr lästig sein, meint Greven. Denn laut ihm muss der 77-Jährige ab heute jede Woche vier Tage im Gerichtssaal verbringen. Laut dem Experten ist ein Schuldspruch wahrscheinlich, die Faktenlage scheint eindeutig. "Aber bis zu einem rechtskräftigen Urteil wird es noch dauern", führt er aus.
Der Prozess begann am Montag gegen 15.30 Uhr deutscher Zeit mit der Auswahl der zwölf Geschworenen. Die von Richter Juan Merchan einberufenen Bürger:innen müssen eine Reihe von Fragen beantworten, unter anderem dazu, ob sie rechtsextremen Gruppen angehören. Dieser Vorgang kann sich tage- oder sogar wochenlang hinziehen.
Laut Greven reicht Trump ein einziges Jury-Mitglied, das Zweifel anmeldet. Hinzu kommen Verzögerungs- und Berufungsmöglichkeiten für den Ex-Präsidenten und seine Anwälte, daher rechne der Politikwissenschaftler nicht mit einem rechtskräftigen Urteil vor der Wahl im November.
Das Gerichtsverfahren werde Trump auch zu seinen Gunsten nutzen.
Gerade weil etwa seine Bewegungsfreiheit durch die Anwesenheitspflicht eingeschränkt sei, könne Trump die Verhandlung und die Verhandlungspausen dazu nutzen, um das bewährte Narrativ der Hexenjagd zu pflegen. "Das nützt ihm bei seinen Anhängern, um die Reihen zu schließen und Finanzmittel einzuwerben", sagt Greven.
Bisher sei aber noch unklar, wie sich das Gerichtsverfahren auf das Wahlverhalten der noch "unentschlossenen" US-Amerikaner:innen auswirkt. Laut Greven kommt es auf die Details an: Kann er etwa ernsthafte Zweifel an den Beweisen der Staatsanwälte wecken?
Dazu sagt der USA-Experte weiter:
Trump hat mit der Maga-Bewegung einen Personenkult in den USA erschaffen. Maga steht für seinen Wahlspruch "Make America Great Again". In den Augen seiner Anhänger:innen kann der Republikaner keine Fehler begehen, Kritik an ihm und seiner Politik bleiben aus, Fakten werden verdreht oder ignoriert.
Diese Hardcore-Trumper:innen könne nichts, "was Trump sagt oder tut oder weswegen er verurteilt wird, davon überzeugen, dass er doch nicht der Heilsbringer ist, für den sie ihn halten", meint Greven.
Doch Trump ist am Ende auf die Stimmen der noch "Unentschlossenen" angewiesen, vor allem in den sogenannten Swing States, wo der Ausgang der Wahl nicht vorhersehbar ist. Sprich, die Republikaner oder Demokraten haben gleich gute Chancen. Allgemein zeigen Prognosen: Das voraussichtliche Rennen zwischen Trump und Biden wird erneut eine sehr knappe Sache.
Greven zufolge wird es bei der Wahl auf eine vergleichsweise kleine Zahl von Unentschlossenen in einer kleinen Zahl von Staaten ankommen, wie etwa in Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin. "Dort würde mutmaßlich Biden von einem Schuldspruch profitieren", meint der USA-Experte.
Doch was droht Trump bei einem Schuldspruch?
Jeder einzelne der 34 Anklagepunkte kann mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden – das würde sich auf 136 Jahre summieren. Expert:innen zufolge ist es aber unwahrscheinlich, dass der bisher strafrechtlich nicht vorbestrafte Ex-Präsident eine Haftstrafe wirklich antreten müsste. Eine Haftstrafe könnte zur Bewährung ausgesetzt werden. Trump hat auf nicht schuldig plädiert.
Trump bestreitet die Affäre und die Fälschungsvorwürfe, sein Wahlkampf-Team bezeichnete den Prozess als "Frontalangriff auf die amerikanische Demokratie". "Die Vorwürfe sind frei erfunden, um die Wahl zu beeinflussen", erklärt sein Team. Angesichts der mehrheitlich demokratischen Wählerschaft in New York City sagt Trump zudem, ihn erwarte kein fairer Prozess.
"Ich wurde öfter angeklagt als Al Capone, der größte Gangster aller Zeiten", sagt Trump am Samstag vor jubelnden Anhänger:innen in Pennsylvania. Trump ist in drei weiteren Fällen strafrechtlich angeklagt, unter anderem wegen seiner Versuche, seine Wahlniederlage gegen den heutigen US-Präsidenten Biden von 2020 nachträglich zu kippen. Wann diese Prozesse beginnen könnten, ist noch unklar.
(Mit Material der afp)