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Elon Musk und die Bundestagswahl: Welche Rolle X spielen könnte

28.10.2024, Indonesien, Bandung: In dieser Fotoillustration wird das X-Kontoprofil von Elon Musk auf einem Smartphone mit einem X-Logo im Hintergrund angezeigt. Tech-Milliardär Elon Musk und andere pr ...
Durch der Plattform X besitzt Elon Musk viel Einfluss.Bild: ZUMA Press Wire / Algi Febri Sugita
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Elon Musk und sein einflussreicher X-Faktor für die Bundestagswahl

28.11.2024, 19:40
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Für 44-Milliarden-Dollar kaufte sich Tesla-Chef Elon Musk Twitter. Mit seiner Übernahme hat es sich ausgezwitschert, heute heißt die Plattform schlicht X. Musk entließ zahlreiche Angestellte und krempelte den Mikroblogging-Dienst komplett um.

Zu dessen Schaden, wie Kritiker:innen warnen. Der größte Vorwurf lautet, X gehe nun in einer Flut von Fake-News unter und Musk schaue untätig zu. Nicht ganz: Er selbst verbreitet immer wieder nachweislich Desinformation, auch im US-Wahlkampf.

July 24, 2023, Ahmedabad, Gujarat, India: In this photo illustration, the twitter s new logo seen displayed on a smartphone. Elon Musk has officially changed Twitter s logo from the iconic blue bird t ...
Aus Twitter wird X: Seit 2022 ist Elon Musk Besitzer der Plattform.Bild: imago images / Saurabh Sirohiya

USA: Elon Musk als große Hilfe für Donald Trump im US-Wahlkampf

Nach dem versuchten Attentat auf Donald Trump bekennt sich Musk öffentlich dazu, den Republikaner zu unterstützen. Auf X heizt er den ohnehin stark emotionalisierten US-Wahlkampf ordentlich zugunsten Trumps an.

Eine Untersuchung von Musks Reichweite auf X ergab: 87 seiner unwahren Behauptungen haben den Gegenwert einer millionenschweren Werbekampagne für Trump. Auf dieses Ergebnis kam die gemeinnützige Organisation Center for Countering Digital Hate (CCDH). Sie macht es sich zur Aufgabe, Hass und Falschinformationen im Internet zu bekämpfen. Musk nennt die Organisation "kriminell".

Der reichste Mann der Welt teilt seine Meinung nicht nur zur US-Politik. So bezeichnet er auf X Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als einen "Narren". Zu den Krawallen in Großbritannien im August meinte er, ein Bürgerkrieg sei unausweichlich und goss Öl ins Feuer mit Falschmeldungen.

Immer wieder wird die Kritik laut, Musk lasse X ungefiltert mit Desinformationen, Fake-News und KI-Fotos überfluten. Heißt: X ist zu einem einflussreichen Machtinstrument geworden, mit dem Musk ganze Wahlen beeinflussen kann.

Expertin warnt vor Elon Musks X-Content zur Bundestagswahl

"Es ist plausibel, dass er auch im Zusammenhang mit der kommenden Bundestagswahl Falschbehauptungen oder verzerrte Inhalte verbreitet, die potenziell ein Millionenpublikum erreichen", warnt Rechtsextremismusexpertin Karolin Schwarz auf watson-Anfrage. Sie ist Mitglied des Vereins "democ", der demokratiefeindliche Bewegungen beobachtet, dokumentiert und analysiert.

Laut Schwarz zeigen diverse Untersuchungen, dass hasserfüllte Inhalte und Desinformation auf X seit Musks Übernahme florieren und er selbst auch häufig mitmischt.

Gerade erst habe sich X für den notorischen Verschwörungsideologen Alex Jones starkgemacht. In der Vergangenheit interagierte der milliardenschwere Unternehmer laut Schwarz auch mehrfach mit rechten und rechtsextremen Akteur:innen aus Deutschland.

ARCHIV - 09.03.2020, USA, Washington: Elon Musk, Konzernchef des US-Elektroautohersteller Tesla, nimmt an der SATELLITE-Konferenz teil. (zu "Elon Musk k
Der Milliardär Elon Musk leitet SpaceX, Tesla und X.Bild: AP / Susan Walsh

Wie hoch die Zahl der deutschen X-Nutzenden aktuell noch ist, sei schwer zu sagen. "Dennoch hat Musk die Macht, Wut und Hass zu verbreiten und hat das besonders seit der Übernahme von Twitter vielfach getan", sagt sie.

Laut "World Population Review" nutzen vor allem die Menschen in den USA und Japan Musks Plattform. Von den etwa 84 Millionen deutschen Einwohner:innen besaßen im August etwa 17 Millionen einen X-Account. Im November landete X als Nachrichten-App auf Patz eins im App-Store in Deutschland.

Schwarz zufolge ist denkbar, dass sich Musk, wie bereits im US-Wahlkampf, auch bei der Bundestagswahl auf die Seite einer Partei schlägt. Doch wie kann sich Deutschland gegen den X-Faktor von Musk wappnen?

Musk und X: Kampf gegen Fake-News ist ein Marathon

Der Kampf gegen Desinformation und für Fakten und Wahrheit sei kein Sprint, sondern ein Marathon, sagt Schwarz. Besonders organisierte Akteur:innen, die politisch oder finanzielle Motive verfolgen, haben laut Schwarz zum Ziel, allgemein Verwirrung zu stiften, Hass und Angst zu schüren und Misstrauen zu säen.

Es gehe ihnen aber auch darum, konkrete Narrative im Kopf zu verankern, etwa wenn es um das Vertrauen in die Wahlen oder um die Ukraine geht. "Vor und während Wahlen gibt es immer wieder sehr ähnliche Falschbehauptungen, die verbreitet werden. Über die kann jetzt schon informiert werden, damit die Gesellschaft entsprechend gewappnet ist", rät die Expertin.

Zudem seien einfach auffindbare, verlässliche Informationen ein wichtiger Baustein. "Wir brauchen außerdem Ausbildungsangebote, zum Beispiel Menschen in Institutionen, von der Polizei über die Schulen, Bürgerämter bis zu Gesundheitsbehörden", meint Schwarz. Dort fehle es immer noch häufig an einem Bewusstsein für mögliche Folgen von Desinformation und an Werkzeugen, um etwas dagegen zu unternehmen.

Und wie sollten deutsche Politiker:innen selbst auf Musk und seine Plattform reagieren? Einige bevorzugen es, X zu verlassen, andere wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kehren zurück.

Verändert Robert Habecks Rückkehr auf X etwas?

Nach langer Abwesenheit setzte Habeck am 7. November wieder einen Post auf X ab – einen Tag nach Trumps Sieg in den USA und dem Ampel-Aus in Deutschland.

Im Profilbild krempelt er sich die Ärmel hoch: Habeck kehrt als Kanzlerkandidat für den Wahlkampf der vorgezogenen Neuwahlen am 23. Februar 2025 auf X zurück. Er wolle Orte wie diesen nicht den "Schreihälsen und Populisten" überlassen.

Schön und gut, aber die Realität sieht laut Schwarz anders aus.

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"Habecks Statement, das Feld nicht den 'Schreihälsen und Populisten' überlassen zu wollen, funktioniert schlicht nicht, wenn einer von ihnen am längsten Hebel der Plattform sitzt und Algorithmus und Moderation frei nach Belieben steuert", sagt sie. Wenn europäische Länder dagegen vorgehen wollen, stehen sie offenbar vor großen Herausforderungen.

Als "Best Buddy" von Trump und zukünftiger Leiter der neuen US-Behörde für Regierungseffizienz weitet sich Musks Macht aus. So drohte etwa US-Vize J.D. Vance, die USA könnten ihre Unterstützung für die Nato einstellen, wenn Europa versucht, X zu regulieren.

President-elect Donald Trump greets Elon Musk before the launch of the sixth test flight of the SpaceX Starship rocket Tuesday, Nov. 19, 2024 in Boca Chica, Texas. (Brandon Bell/Pool via AP)
Elon Musk und Donald Trump wollen die USA wieder "great" machen.Bild: Pool Getty Images North America / Brandon Bell

Auch während des anstehenden Blitz-Wahlkampfes in Deutschland rechnet Schwarz damit, dass auf X bestimmte "Dauerbrenner"-Themen bespielt werden, um Einfluss zu nehmen.

Desinformationen in Deutschland: Einige Themen besonders beliebt

Dazu zählen Migration und Flucht, die Klimakrise und auch Falschbehauptungen über einzelne Politiker:innen, die oft besonders heftig angefeindet werden, meint die Expertin. Hinzu kommen Themen, die Deutschland gerade sehr prägen, wie die Kriege in der Ukraine und in Gaza.

Zudem spiele das Thema Corona und auch Impfungen in einigen Kreisen noch immer eine erhebliche Rolle für die Verbreitung von Desinformation und verzerrten Informationen.

Die Unterschiede zwischen X und Plattformen, die sich gezielt an Rechte und Verschwörungsgläubige richten, nehmen deutlich ab, warnt Schwarz. Sie würde sich wünschen, dass diese Tatsachen und ihre Folgen, insbesondere für Menschen, die Diskriminierungen ausgesetzt sind, ernsthafter diskutiert und berücksichtigt werden.

"Die Plattform zu verlassen kann auch ein Akt der Solidarität sein", meint sie.

Abstimmung zu Schwangerschafts-Abbrüchen: Bundestag trägt historische Verantwortung

Sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als auch andere Abgeordnete von SPD und Grünen halten es für sinnvoll, Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland bis zur zwölften Woche zu legalisieren. Eine entsprechende Empfehlung hatte auch eine Kommission an Expert:innen im April in einem Bericht geäußert.

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