"Bettelte Habeck um französischen AKW-Strom?" So lautet die Überschrift eines Artikels der "Bild" vom vergangenen Mittwoch. Die Zeitung bekam Zugang zu Briefen zwischen dem deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und der französischen Energieministerin Agnès Pannier-Runacher aus dem Jahr 2022.
In einem der Briefe fragte Habeck seine französische Kollegin, wie viel Atomkraftwerks-Leistung Frankreich zur Verfügung haben wird. Pannier-Runacher bestätigte Habeck die Kapazitäten Frankreichs. Die Frage aus der Überschrift kann man also mit "Nein" beantworten.
Der CDU-Politiker Jens Spahn kam jedoch zu einem anderen Schluss. Auf X kritisierte er die Grünen: "Um Atomstrom aus Frankreich betteln. Aber Kernkraftwerke in Deutschland abschalten", schrieb er. "Die grüne Energiepolitik ist voller Widersprüche und hat unserer Wirtschaft nachhaltig geschadet! Das Schreiben an die franz. Energieministerin zeigt deutlich, dass bei der Abschaltung der Kernkraftwerke grüne Parteiideologie über den Interessen des Landes stand."
Das Wirtschaftsministerium ließ das nicht auf sich sitzen und widersprach Spahns Darstellung öffentlich. "Genau andersrum ist es richtig: Es ging nicht um den Import von französischem Strom nach Deutschland, sondern um die Frage des Exports nach Frankreich, um die französische Stromversorgung zu sichern", schrieb das Ministerium auf X. Habeck hätte demnach berechnen müssen, wie viel Strom Deutschland im Winter 2022/23 nach Frankreich liefern müsste, um Ausfälle von französischen Atomkraftwerken zu kompensieren.
Tatsächlich geht sogar aus dem Artikel der "Bild" hervor, dass Deutschland 2022 mehr Strom nach Frankreich exportiert hatte – als importiert. Erst seit April 2023 ist das Verhältnis umgekehrt.
Von User:innen erntete Spahn viel Spott für seinen Post. Einer schrieb etwa: "Wie kann man die Chuzpe haben, Bundesminister werden zu wollen, wenn jeder zweite Tweet einem Faktencheck unterzogen werden muss, weil er Bullshit ist? Meine Verachtung für Politiker wie Dich ist grenzenlos."
Spahn kündigte an, in einer CDU-geführten Bundesregierung wieder Minister werden zu wollen. "Ich würde gerne mitmachen in dem Team, das da regieren könnte", sagte er in einem Podcast von "Table Media". Unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war Spahn von 2018 bis 2021 Bundesminister für Gesundheit. Damit war er der jüngste Minister in Merkels viertem Kabinett.
Er könne sich aber auch ein anderes Ministerium vorstellen. "Ich fände auch eine andere Aufgabe spannend", betonte er. Zum CDU-Parteichef Friedrich Merz habe er ein gutes Verhältnis. Der Kanzlerkandidat sei ein "modernerer Mann als er medial gezeichnet wird".
Spahn glaubt, mit Merz könnten CDU und CSU bei der kommenden Bundestagswahl eine absolute Mehrheit erreichen, erklärte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. "Ich werbe dafür, dass wir den Deutschen jetzt klar sagen: Wenn ihr so einen Politikwechsel wollt, dann müsst ihr die Union richtig stark machen. Eine eigene bürgerliche Mehrheit ist möglich", sagte er demnach.