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Solingen-Anschlag: Olaf Scholz erklärt seine Politik – und was ihn ratlos macht

News Bilder des Tages Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, aufgenommen im Rahmen der Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt in Berlin, 28.08.2024. Berlin Deutschland *** Federal Chancellor Olaf Scholz, SPD , ...
Olaf Scholz will nichts "schönreden".Bild: imago images /photothek.de
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Scholz erklärt nach Solingen-Anschlag seine Politik – ein Punkt macht ihn ratlos

30.08.2024, 11:3930.08.2024, 11:48
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Vor rund zehn Monaten sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Interview mit dem "Spiegel": "Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben."

Doch seitdem ist wenig passiert. Stattdessen gibt es immer wieder terroristische Anschläge, wie kürzlich in Solingen. Anlass für den "Spiegel", um Scholz erneut zum Interview zu bitten – und zu fragen: Warum ist seit seiner Aussage so gut wie nichts passiert?

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Wie konnte der Anschlag in Solingen passieren? Scholz zeigt sich ratlos

"Veränderungen brauchen ihre Zeit. Die Zuständigkeiten sind auf viele Schultern verteilt", erklärte Scholz. Da sei es einfacher, in Sonntagszeitungen "markige Sprüche zu klopfen". Er sagte: "Sprüche klopfen entspricht nicht meinem Verständnis von Politik."

In seinem Verständnis habe sich bereits viel getan, der Deutschlandpakt im vergangenen Herbst zeige Wirkung. Zum Beispiel würden die Daten des Ausländerzentralregisters nun mit den Daten der lokalen Ausländerbehörden abgeglichen. "Klingt nach einer Kleinigkeit, war aber jahrelang nicht möglich, geht jetzt – und hilft."

Angesprochen auf den tödlichen Anschlag von Solingen sieht Scholz Versäumnisse bei den Behörden in Nordrhein-Westfalen. "Es muss jetzt ermittelt werden, warum jemand, der nach Bulgarien hätte abgeschoben werden sollen, von den Behörden vor Ort nicht abgeschoben wurde."

Auf die Frage, warum der mutmaßliche Täter noch in Deutschland gewesen sei, antwortete Scholz: "Das wüsste ich auch gern." Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, hätte eigentlich schon im vergangenen Jahr in das EU-Land Bulgarien abgeschoben werden sollen, wo er zuerst EU-Boden betreten hatte. Er wurde aber von den Behörden nicht in seiner Unterkunft angetroffen; weitere Versuche wurden offenbar nicht unternommen.

Es gehe nicht um Schuldzuweisungen, "sondern darum aufzuklären, was schiefgelaufen ist, um die nötigen Lehren zu ziehen, damit sich so was nicht wiederholt", sagte Scholz. Und weiter:

"Man kann doch niemandem vermitteln, warum es offenbar nur einen Versuch gab, den Mann in seiner Unterkunft aufzusuchen. Warum man nicht einfach wiedergekommen ist. Warum man nicht beantragt hat, die Frist zur Rückführung zu verlängern."

"Das geht nämlich." Scholz äußerte Verständnis dafür, dass die Bürger dies nicht mehr verstünden. "Ich verstehe es ja auch nicht. Wir haben Regeln geschaffen, die seine Abschiebung erleichtert hätten. Personen, von denen wir glauben, sie könnten sich der Abschiebung entziehen, können wir in Abschiebegewahrsam nehmen", sagte der Bundeskanzler. Mittlerweile sei dies für 28 Tage möglich.

Scholz will Ampel-Koalition "nicht schönreden" und gibt sich ehrlich

In dieser Woche hatte sich Scholz auch mit Oppositionsführer Friedrich Merz getroffen. Das Gespräch war schon lange geplant, doch in Anbetracht der Geschehnisse in Solingen, war das Thema für dieses Treffen klar. Scholz beschrieb es im Interview als "freundlich und konstruktiv". Er lobte die Bereitschaft der Opposition, mit der Bundesregierung bei diesem Thema zusammenarbeiten zu wollen.

Bei der inneren Sicherheit hätte die SPD es in der Regierung mit der Union einfacher als mit Grünen und FDP. "Zum Beispiel, wenn es darum geht, Computer oder Telefone von Verdächtigen auszuspähen. Wäre eine Koalition mit CDU und CSU da nicht besser als die Ampel?", wollte der "Spiegel" von Scholz wissen. "Meine Regierung ist gewählt, die bestehenden Probleme zu lösen. Da sind wir auf dem Weg", sagte er.

Seit gut zweieinhalb Jahren regiert Olaf Scholz als Bundeskanzler der Ampel-Koalition – doch so richtig ist er mit dem Bündnis offenbar noch nicht warm geworden. "Es mag ein Stück neue Realität sein, an das auch ich mich noch nicht ganz gewöhnt habe", sagte er. "Da geht es mir nicht viel anders als den Bürgerinnen und Bürgern."

Für den Kanzler ist die Arbeit in der Ampel demnach nicht leicht. SPD, Grüne und FDP hätten die Koalition "zustande gebracht", sagte er. "Das war mühselig und ist mühselig geblieben." Er wolle "hier gar nichts schönreden – da war nicht alles ein Ruhmesblatt", sagte Scholz.

Ob er gerne noch einmal mit der Ampel regieren wolle, wurde er gefragt. Die Antwort:

"Es wäre naiv zu glauben, dass andere Konstellationen zu weniger Diskussionen führen würden. Sie, ich, Ihre Leserinnen und Leser, wir alle lernen gerade, wie Koalitionen auf absehbare Zeit bei uns wohl aussehen werden."

Aufgrund der Veränderungen in unserer Gesellschaft und in der politischen Landschaft würden künftig Parteien miteinander eine Koalition bilden, die nicht schon immer davon geträumt haben, miteinander zu regieren, erklärte Scholz. "Da sind wir kein Sonderfall. Blicken Sie zu unseren Nachbarn, da ist das auch so. Die Zeiten, in der eine große mit einer kleinen Partei regiert, scheinen erst mal vorbei."

(mit Material der dpa und afp)

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