Nach einer Debatte um eine als antisemitisch kritisierte Karikatur hat sich die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) von ihrem Zeichner Dieter Hanitzsch getrennt. "Grund hierfür sind unüberbrückbare Differenzen zwischen Herrn Hanitzsch und der Chefredaktion darüber, was antisemitische Klischees in einer Karikatur sind", teilte die SZ-Chefredaktion am Donnerstag mit. "Dies hat sich nicht nur in der veröffentlichten Karikatur selbst, sondern auch in Gesprächen mit Herrn Hanitzsch gezeigt."
Hanitzsch hatte in einer Karikatur vom Dienstag die israelische ESC-Gewinnerin Netta mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu verschmelzen lassen. Über Netanjahu schwebte eine Sprechblase mit den Worten "Nächstes Jahr in Jerusalem!", in seiner Hand war eine Rakete mit aufgemaltem Davidstern zu sehen.
Nach der Veröffentlichung in der Dienstagsausgabe der "Süddeutschen Zeitung" wurde massive Kritik laut. Die Karikatur sei klar antisemitisch und verwende judenfeindliche Stereotype.
Einige Kritiker verglichen die Karikatur mit der antisemitischen Propaganda des "Dritten Reichs".
Als Reaktion auf die Kritik veröffentlichte die SZ eine Entschuldigung ihres Chefredakteurs Wolfgang Krach. Die Karikatur habe innerhalb der SZ-Redaktion für Diskussionen gesorgt.
Kurzum: Das war alles gar nicht so gemeint, wir entschuldigen uns aber dafür, dass Leute die Zeichnung missverstehen konnten.
Dem Karikaturisten Dieter Hanitzsch ging selbst das offenbar zu weit. In einem Interview mit der "Jüdischen Allgemeinen" sagte er:
Der Vorwurf treffe ihn nicht, sagte der Zeichner weiter. Er habe es nicht antisemitisch gemeint. Und: "Die Politik Netanjahu möchte ich kritisieren können, auch als Deutscher."
Wie die Zeitung "Jüdische Allgemeine" berichtet, befasst sich mittlerweile auch der Deutsche Presserat mit der Karikatur und will ein Prüfverfahren einleiten.
In der "Süddeutschen Zeitung" werden derartige Karikaturen Hanitzschs in Zukunft nicht mehr erscheinen. Der renommierte Zeichner war bereits seit den 1980er-Jahren für die Zeitung tätig.
Hanittsch Ausfall war allerdings nicht das erste Mal, dass sich die "SZ" mit Vorwürfen konfrontiert sah, antisemitische Stereotype durch Karikaturen, Texte oder Bildauswahl zu befeuern.
Die SZ kündigte am Donnerstag an, sie werde ihre redaktionsinternen Abläufe bei der Veröffentlichung von Karikaturen überprüfen und gegebenenfalls verändern.
Diese Erklärung wiederum lässt bei Kennern redaktioneller Abkäufe erhebliche Zweifel an den Abläufen der zuständigen Redakteure im SZ-Meinungsressort aufkommen. Die Süddeutsche Zeitung hatte erst zu Jahresbeginn ihre Politressorts umgestellt, weitere Umbauarbeiten stehen in den nächsten Jahren, nachdem der damalige Chefredakteur Hans-Werner Kilz seine Organisationsreform nicht umsetzen konnte. Das Meinungsressort wird seit Jahresbeginn vom renommierten Publizisten Heribert Prantl geführt. Kilz sitzt im Aufsichtsrat des Lokalzeitungsverlags DuMont Schauberg.
(fh/dpa)