Wie viele Asylbewerber kommen wie ins Land? Und wer wird bereits jetzt an den Grenzen abgewiesen? Wir haben aus vielen Quellen die wichtigsten Zahlen zusammengetragen.
Bekannt sind Zahlen für die Ankünfte über die Seeroute aus Afrika und über die Ägäis: In den ersten fünf Monaten 2018 waren das 32.800 – sehr viel weniger als in den ersten fünf Monaten 2017 (71.950).
Kaum eine Bedeutung hatte in der Vergangenheit die östliche Landroute über Russland, Weißrussland oder die Ukraine in die EU. Allerdings könnten per Fan-Visum nach Russland eingereiste Fans aus afrikanischen Ländern oder dem Iran diesen Weg nutzen – dabei geht es um einige Tausend Menschen. Über Europol gab es einem "Bild"-Bericht zufolge Hinweise, dass Kontrollen verstärkt werden sollen.
Das Bamf berichtet von 54.790 Asylsuchenden in den ersten vier Monaten – das sind etwas weniger als im gleichen Zeitraum 2017 (60.872). Asylsuchende haben einer Behörde mitgeteilt, dass sie Asyl begehren, aber sie haben keinen Antrag gestellt. Im Mai waren es nach Informationen der "Welt" erstmals seit dem Jahr 2014 wieder unter 10.000 in diesem Monat.
Das Seehofer-Ministerium hat aktuell aber eine andere Zahl veröffentlicht – die höhere Zahl von Asylanträgen (12.494 im Mai). Die "Welt" nennt das einen Trick: In dieser Zahl stecken Menschen, die bereits länger in Deutschland sind, beim Stellen der Anträge gibt es einen Stau. Die Zahl der Asylsuchenden gibt deshalb die aktuelle Situation viel genauer wieder. 2017 waren es insgesamt 186.644 Asylsuchende, aber fast 200.000 Asyl-Erstanträge. Im viel zitierten Jahr 2015 wurden 890.000 Asylsuchende registriert, die Zahl der Asylanträge erreichte aber erst 2016 den Höchstwert.
In Deutschland leben die meisten Schutzsuchenden und Asylbewerber innerhalb der EU. Das Flüchtlingshilfswerk schätzt die Zahl in Deutschland auf 1,4 Millionen Ende 2017. Darunter sind Menschen, die dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen und solche, über deren Antrag noch nicht entschieden ist. In der Türkei leben 3,4 Millionen Geflüchtete.
Hochgerechnet auf die Einwohnerzahl haben in Deutschland überdurchschnittlich viele Menschen einen Asylantrag gestellt. Allerdings sind es pro eine Million Einwohner deutlich weniger als etwa in Griechenland, Luxemburg oder auch in Österreich.
Diese Informationen liegen nur für Asylanträge vor. Sie verraten also nicht, aus welchen Ländern in den vergangenen Monaten die meisten Menschen kamen. Von Januar bis Mai stellten Menschen aus Syrien (17.587 Anträge) rund ein Viertel aller Erstanträge. Es folgten der Irak (6.901), Nigeria (4.794), Afghanistan (4.210) und der Iran (3.598). Aus diesen fünf Ländern kam die Hälfte aller Asylbewerber. Die Anerkennungsquote ist unterschiedlich hoch – Syrer erhalten am häufigsten Schutz zugesprochen.
Informationen dazu gibt es von der Bundespolizei und vom Bamf. Die Daten der Bundespolizei gehen zurück auf die Kontrollen an Grenzen, in Zügen, an Flughäfen und in Grenznähe. Seit Februar 2017 gewinnt das Bamf Daten, weil ein Fünftel der Asylantragsteller ab 14 Jahren in den Ankunftszentren zu ihrem Reiseweg befragt werden. Die Angaben werden aber nicht überprüft, und es werden nur die Menschen aus den fünf Hauptherkunftsländern befragt – also aus Syrien, dem Irak, Nigeria, Afghanistan und dem Iran.
Dazu wurden 5.492 Flüchtlinge von Januar bis März befragt. Die größte Gruppe gab an, per Zug ins Land gekommen zu sein, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD hervorgeht. 1.813 (33 Prozent) nannten den Zug, das Flugzeug als Reisemittel nannten 1.662 Personen (30 Prozent). Erst seit März wird auch gefragt, wo die Menschen in den Flieger gestiegen sind.
Die Bundesregierung erklärt aber, die Zahlen seien statistisch nicht repräsentativ. Es ist also im Detail nicht bekannt. Was sich sagen lässt: Allein Grenzkontrollen an Autobahnen, wie die CSU sie gerade intensivieren will, werden viele Flüchtlinge gar nicht erfassen.
Die genaue Anzahl der illegal Eingereisten ist letztlich nicht zu beantworten, erklärt eine Sprecherin des Bamf. Bei Flüchtlingen ist es die Regel, dass sie nicht die Möglichkeit haben, sich entsprechende Papiere zu besorgen. Es gibt allerdings auch Asylantragsteller, die legal mit Visum einreisen.
14.731 unerlaubte Einreisen wurden in den ersten vier Monaten 2018 festgestellt. Die Zahl hat aber wenig Aussagekraft: Es ist ja nur die Zahl derjenigen, die bei Kontrollen der Bundespolizei aufgefallen sind. In dieser Gruppe stellten aus den Hauptherkunftsländern von Asylbewerbern laut Bundespolizei Menschen aus Nigeria die größte Gruppe (743 Personen) vor den Afghanen (557), Pakistanern (215) und Irakern (211). Und nicht alle, die bei der unerlaubten Einreise angetroffen wurden, wollten auch in Deutschland Asyl. Das zeigt sich bei der nächsten Frage.
Wer ein Asylgesuch stellt, kann bislang einreisen. Zurückweisungen sind möglich, wenn jemand ohne die notwendigen Einreisepapiere einreisen und keinen Antragin Deutschland stellen will. Nach einer Weisung des früheren Innenministers Thomas de Maizière kommen auch solche Migranten bisher in das Asylverfahren. Einreisen dürfen auch Menschen, die in anderen EU-Ländern bereits registriert sind. 2018 traf das in Deutschland bis Mitte Juni auf 18.349 Asylsuchende zu, die bereits in der europäischen Fingerabdruckdatei Eurodac erfasst und damit in einem anderen EU-Land registriert waren.
Seehofer will eine Zurückweisung, wenn der Antragsteller laut Eurodac-Datenbank in einem anderen EU-Land bereits Asyl beantragt hat. Nach deutschem Recht ist das möglich. Nach EU-Recht könnten sich juristische Gründe ergeben, den Antragsteller doch in Deutschland zu behalten, obwohl ein anderes Land als Ersteintrittsland gilt. Das könnte etwa der Fall sein, wenn die Familie des Asylsuchenden bereits in Deutschland lebt.
Ein geändertes Vorgehen Deutschlands könnte aber auch dazu führen, dass andere Ländern nicht mehr registrieren, sondern durchwinken.
Die bereits in anderen EU-Staaten registrierten Personen können im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens dorthin zurückgebracht werden. Laut dem Bundesinnenministerium waren das 2018 bis zum 31. Mai insgesamt 4.092 Überstellungen. Das Problem: Die anderen Länder kommen den Ersuchen oft nicht nach. Italien sollte 2017 fast 22.700 Menschen zurücknehmen, überstellt wurden 2.110.
Seit dem 19. Juni werden auf Anweisung von Innenminister Horst Seehofer auch Personen abgewiesen, die mit einer Wiedereinreisesperre belegt sind. Sie kommen jetzt auch nicht mehr ins Land, wenn sie Asyl beantragen wollen. Dabei geht es aktuell um rund 100 Menschen im Monat mit Wiedereinreisesperre und Aufenthaltsverbot, erklärt die Bundespolizei. Sie müssen seit dieser Woche an der Grenze abgewiesen werden. Es ist wahrscheinlich, dass sie die Einreise an einer weniger kontrollierten Grenze als an der österreichischen versuchen.
Das Innenministerium erklärte am Montag, seit Inkrafttreten der Regelung seien zwei Menschen an der Grenze zurückgewiesen worden.
Doch, manchmal. Die Bundespolizei kann in solchen Fällen Menschen auch direkt abweisen, wenn sie keine neuen Asylgründe erkennt. 2017 wurden an Land- und Seegrenzen 35 Menschen mit Einreisesperre abgewiesen, darunter waren drei Nigerianer und zwei Syrer, Afghanen oder Iraker waren aber nicht darunter. 509 Zurückweisungen wegen bestehender Einreisesperren erfolgten an Flughäfen, betrafen aber kaum Menschen aus den Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen. Wenn die Bundespolizei trotz Einreisesperre bei einer solchen Person mögliche neue Fluchtgründe sieht, übernimmt das Bamf die weitere Prüfung.
In diesem Jahr waren es bis zum April 3.900 Personen, die die Bundespolizei nicht einreisen ließ. Darunter fielen etwa auch Menschen aus Nicht-EU-Ländern, die zum Arbeiten nach Deutschland wollten und Migranten, die in Skandinavien oder England Asyl beantragen und deshalb in Deutschland keinen Antrag stellen wollen. Die größte Gruppe waren Albaner: 515. Nach Zurückgewiesenen aus den Hauptherkunftsländern von Schutzsuchenden war Nigeria (411 Menschen) an der Spitze.
Aufs Jahr 2017 gesehen kamen am häufigsten Nigerianer (1.124) nicht ins Land, gefolgt von Albanern (1.069), Afghanen (951), Syrern (690) und Irakern (569). An der Grenze zu Österreich wurden 2017 rund 7.000 Menschen zurückgewiesen. Befürworter einer rigideren Politik verweisen auf Frankreich: An der Grenze zu Italien schickte das Land 2017 rund 87.000 Flüchtlinge zurück, berichtet die "Tagesschau".
Am einfachsten ist das bei Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze und an Flughäfen bei Flügen aus Nicht-Schengen-Ländern. Aber auch bei anderen Kontrollen sind Zurückweisungen in Teilen möglich: Wer auf deutschem Hoheitsgebiet ist, ist deshalb noch nicht zwingend in Deutschland eingereist. Das führt etwa in Zügen dazu, dass Menschen bis zum ersten Bahnhof hinter der Grenze nicht als eingereist gelten. Ähnlich ist es mit Kontrollen auf Straßen, die direkt von der Grenze kommen. Wer dann aber sagt, dass er Asyl haben möchte, kann bisher einreisen.
Im Jahr 2017 schob Deutschland 21.904 Menschen per Flieger und 2.062 Menschen auf dem Land- oder Seeweg ab. Fast die Hälfte der Abschiebungen auf dem Luftweg im Jahr 2017 erfolgte auf den Balkan (Albanien, Kosovo, Serbien, Mazedonien, Montenegro, Kroatien). Nach Italien wurden 2.321 Menschen abgeschoben. Nach Afghanistan waren es 121, nach Nigeria 110 in den Irak 14. Abschiebungen nach Syrien gab es nicht, 502 Syrer wurden aber in andere Länder abgeschoben. Auf dem Landweg wurden die meisten Menschen 2017 nach Polen (1.025), Belgien (201), Tschechien und Österreich (je 196) abgeschoben.
Die Zahlen dazu sagen wenig aus. Rund die Hälfte der 14.731 Fälle in den ersten Monaten 2018 geht auf die sporadischen Kontrollen im Hinterland zu Grenzen ohne Grenzkontrollen zurück – auf Straßen und in Zügen aus Nachbarländern. An der Grenze zu Österreich, wo es drei von der EU erlaubte stationäre Grenzkontrollen gibt, wurden 4.073 illegale Einreisen festgestellt (27,7 Prozent). 3.019 Menschen (20,5 Prozent) wurden an Flughäfen bei der unerlaubten Einreise erwischt. Weil es Hinweise auf viele illegale Einreisen aus Griechenland gab, wurden vom 12. November 2017 bis zum 12. Mai 2018 gezielt Passagiere dieser Flüge kontrolliert.
Was sich daraus ableiten lässt: Flüchtlinge an einigen wenigen Grenzkontrollen an der Autobahn abzuweisen, dürfte insgesamt keine sehr wirkungsvolle Maßnahme sein. Menschen werden dann eher über andere Länder einreisen – etwa die Schweiz oder Tschechien.
An der 840 Kilometer langen deutsch-österreichischen Grenze wird vergleichsweise intensiv kontrolliert, die deutschen Außengrenzen sind aber insgesamt fast 3.800 Kilometer lang. An anderen Grenzen werde "lageangepasst und flexibel" kontrolliert, so die Bundespolizei. Um klarere Auskünfte drückt sie sich. Die Gewerkschaft schätzt, dass für durchgehende Kontrollen wie nach Österreich rund 4.300 zusätzliche Stellen geschaffen werden müssten. Es gibt nur vereinzelte Hinweise: Die Aachener Bundespolizei berichtete am 12. Juni von einer Woche verstärkter Fahndungsmaßnahmen in der Grenzregion zu Belgien und den Niederlanden. Da wurden 70 Busse, circa 40 Reisezüge und mehr als 250 Pkw kontrolliert und mehr als 100 Personen festgestellt, die in den sieben Tagen aus Belgien und den Niederlanden unerlaubt eingereist waren.
Auf der A3 bei Passau, einem von drei Kontrollpunkten an der deutsch-österreichischen Grenze, sind es aktuell im gesamten Monat etwa 150 unerlaubte Einreisen, sagte ein Sprecher der dortigen Bundespolizei am Freitag, 15. Juni. Am gleichen Tag entschied das Bundespolizeipräsidium in Potsdam, dass die örtlichen Dienststellen keine Anfragen mehr beantworten. An anderen Grenzorten gibt es keine festen Kontrollpunkte.
Wieder gibt es nur die Zahlen zu denen, die bei den Kontrollen im Hinterlandangetroffen wurden: 1.688 Menschen wurden registriert, die von Januar bis April 2018 unerlaubt aus der Schweiz eingereist waren. Tschechien (1.522) und Frankreich(1.305) folgen. Aber auch aus Dänemark kamen 678 Menschen unerlaubt nach Deutschland. Aus Belgien und den Niederlanden wurden zusammen 1.256 gezählt.
Zwei Prozent der Personen, die in den ersten vier Monaten bei unerlaubter Einreise erwischt werden, waren der Bundespolizei zufolge schon einmal aufgefallen. Völlig unklar ist, wie viele es bei einem wiederholten Versuch schaffen.
Es gibt auch Zurückschiebungen, für die Menschen in Zurückschiebehaft genommen werden können. Wer keinen Asylantrag stellt in Deutschland oder bereits rechtskräftig als Asylbewerber abgelehnt wurde, kann zurückgeschoben werden. 2017 betraf das 1.707 Menschen.
Zum Jahresende 2017 gab es in Deutschland insgesamt 118.704 Personen mit einem abgelehnten Asylantrag. 29.278 Menschen davon hatten auch keine Duldung mehr. Die anderen sind auch ausreisepflichtig, ihre Abschiebung ist aber vorübergehend ausgesetzt. Meist liegt das daran, dass keine Reisedokumente oder Passersatzpapiere aus dem Herkunftsland vorliegen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf t-online.de