Die Nationalmannschaft ist seit Langem ein Hassobjekt der extremen Rechten. Zu bunt, zu migrationshintergründig, zu flach die Hierachien.
Und spätesten, als sich Toni Kroos im Bundestagswahlkampf 2017 den seltenen Luxus leistete, eine eigene Meinung zu haben, war für so manchen Apokalyptiker die Beweisführung perfekt: Das sind Merkels Jungs da unten auf dem Platz.
Für den AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag, Björn Höcke, war die "Transformation" der Nationalmannschaft "vollendet", als sich der DFB ein neues Logo gab und die Marke "Die Mannschaft" ausrief. Er sprach von einer "politischen Umdeutung der Sportereignisse" von Seiten des DFB. Es ist die in neurechten Kreisen so beliebte These der Umvolkung sportpolitisch verpackt. Der "deutsche" Deutsche stirbt erst auf, dann neben dem Platz.
Das Erdogan-Gate um Mesut Özil und Ilkay Gündogan wirkte dann wie Brandbeschleuniger. Dass sich zwei Fußballer mit einem ultrarechten Autokraten ablichten ließen, der auf bestem Weg ist, die Türkei in eine Diktatur umzubauen, war und ist bescheuert. Daraus aber ein Symbol dafür zu machen, dass Integration per se nicht funktionieren kann, hat mit kausalen Zusammenhängen so viel zu viel zu tun wie der HSV mit Liga 1.
Plötzlich stellte nicht mehr Joachim Löw auf, sondern die AfD höchst selbst. Dass Mesut Özil im zweiten Gruppenspiel auf der Bank saß, wertete Alice Weidel als Zeichen dafür, dass die AfD wirke.
Auf das WM-Aus folgte schließlich die Genugtuung.
Kurzum: Die Fußballnationalmannschaft blieb unter ihren Möglichkeiten und schied zum ersten Mal in der Vorrunde aus. Das sind die Fakten.
Was AfD und Co. daraus machen. Geschenkt. Wenn politische Beobachter jetzt aber auf den AfD-Untergangszug aufspringen, aus einer sportlichen Niederlage eine gesellschaftspolitische machen, sie zu einer "Bestandsaufnahme des ganzen Landes" erklären, ein "Sinnbild für das Deutschland im Jahr 2018" herbeirufen, weil ihnen die unterkomplexen Metaphern ausgehen.
Wenn sie Integration für gescheitert erklären, weil eine Fußballmannschaft zwei Spiele verloren hat, und den Sport derart politisch überhöhen, weil es gerade so herrlich in Zeitgeist und Weltbild passt, ist das nicht allein Ausdruck bahnbrechender analytischer Fantasielosigkeit. Nein, dann wirkt die AfD tatsächlich.