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Wehrdienst: Jugend protestiert vor Bundestag und übt Kritik im Ausschuss

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Stiefel gehören in der Bundeswehr zum typischen Erscheinungsbild von Soldaten – und wurden nun als Protestmittel genutzt.Bild: dpa / Soeren Stache
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Wehrdienst: Jugend protestiert vor Bundestag und übt massive Kritik

Die Debatte um den Wehrdienst hält an. Nach Streitigkeiten innerhalb der Bundesregierung wurden am Montag verschiedene Expert:innen im Verteidigungsausschuss angehört. Eines hatten sie alle gemeinsam: Kritik am aktuellen Entwurf.
10.11.2025, 15:0710.11.2025, 15:07

Im Verteidigungsausschuss des Bundestags war am Montag das geplante Wehrdienstgesetz Thema. Neben Militärexpert:innen wie Sönke Neitzel und dem Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbands, André Wüstner, kam auch ein Jugendvertreter zu Wort: Quentin Gärtner von der Bundesschülerkonferenz.

Während Gärtner drinnen die mangelnde Beteiligung der Jugend bei der Gesetzgebung für den neuen Wehrdienst bemängelte und auch andere Expert:innen nicht mit Kritik sparten, formierte sich draußen ebenfalls Protest: Die Jugendorganisation von Greenpeace demonstrierte auf besondere Weise gegen die Einführung des Wehrdienstes – mit Schuhen.

Wehrpflicht-Protest vor Bundestag: "Stiefel ziehen wir uns nicht an"

Vor dem Reichstagsgebäude in Berlin stellten die Aktivist:innen 150 ausrangierte Bundeswehr-Stiefel auf die Stufen des Parlaments, um gegen die geplante Rückkehr zur Wehrpflicht zu demonstrieren. Auf Plakaten hieß es: "Diese Stiefel ziehen wir uns nicht an. Nein zur Wehrpflicht."

Wie die Umweltorganisation auf Instagram mitteilte, forderten die Aktivist:innen mit der Aktion die Bundesregierung auf, den umstrittenen Paragrafen 2a aus dem Entwurf zum Wehrpflichtgesetz zu streichen. Damit solle eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht endgültig ausgeschlossen werden.

Greenpeace prangerte die zahlreichen Missstände innerhalb der Bundeswehr an, die junge Menschen von einem freiwilligen Dienst abhalten. Marode Kasernen, unzuverlässiges Wlan, starre Hierarchien und Fälle von Rechtsextremismus, mangelnder Diversität sowie sexualisierter Gewalt seien nur einige der Probleme, die die Bundeswehr für junge Menschen unattraktiv machen würden, hieß es.

Die Aktivist:innen betonten, dass die Lösung nicht in Zwang, sondern in der Behebung dieser Missstände liege. Auch teure Werbekampagnen könnten die hohen Abbruchquoten im freiwilligen Wehrdienst nicht kompensieren.

Wehrdienstgesetz: Jugendvertreter kritisieren fehlende Einbindung

Quentin Gärtner, Bundesschülersprecher und Vertreter der Jugend, äußerte in der Anhörung laut AFP scharfe Kritik an der fehlenden Einbindung junger Menschen in den Gesetzgebungsprozess. "Man braucht junge Menschen, man braucht sie für den Dienst an ihrem Land, man braucht sie für die Landesverteidigung", erklärte Gärtner. "Trotzdem möchte man sie nicht einbeziehen. Das ist ein Fehler."

Gärtner bemängelte, dass die Politik bis zur Verabschiedung des Gesetzesentwurfs im Kabinett keinen Dialog mit Jugendvertreter:innen gesucht habe. Er betonte, dass Motivation nur durch aktive Beteiligung und die Übertragung von Verantwortung entstehen könne. Viele junge Menschen seien bereit, sich einzubringen, doch die Politik müsse ihnen auch die Möglichkeit dazu geben. Junge Menschen seien "keine seltsamen Wesen", die man nicht verstehen könne.

Gärtner hob hervor, dass es bei der Verteidigungsfähigkeit nicht nur um militärische, sondern auch um zivile Aufgaben gehe. "Unsere Schulen sind eine absolute Katastrophe", sagte Gärtner vor diesem Hintergrund und forderte mehr Investitionen in Bildung und die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. "Sie brauchen Leute, die resilient und belastbar sind", fuhr er fort.

Daniela Broda vom Deutschen Bundesjugendring machte laut AFP auf einen weiteren Punkt aufmerksam, der viele Jugendliche beim Thema Wehrdienst bewegt: "Warum nur die Jungen?" Auch Menschen zwischen 20 und 60 Jahren könnten ihre Bereitschaft zum Wehrdienst erklären.

Experten fordern klare Regelungen und mehr Entschlossenheit

Auch weitere Gäste äußerten sich kritisch zum Gesetzentwurf – jedoch mit teils entgegengesetzten Meinungen zur Jugend. Militärexperte Sönke Neitzel von der Universität Potsdam betonte angesichts der aktuellen Bedrohungslage, insbesondere durch Russland, dass die Zielgröße von 280.000 aktiven Soldat:innen und 200.000 Reservist:innen bis Mitte der 2030er Jahre mit Freiwilligkeit allein nicht zu erreichen sei.

Neitzel forderte daher die Wiedereinführung der Wehrpflicht, um den Kräftebedarf der Bundeswehr zu decken. Den aktuellen Gesetzentwurf der Regierung bezeichnete er als "Dokument des Zögerns und Zauderns". Auch André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbands, äußerte Zweifel daran, dass der freiwillige Wehrdienst ausreiche, um die Personalprobleme der Bundeswehr zu lösen.

Er forderte, bereits jetzt einen "Umschaltmechanismus" im Gesetz zu verankern, der eine schnelle Einführung der Wehrpflicht ermöglicht, falls nicht genügend Freiwillige gefunden werden. Wüstner betonte, dass die Bedrohungslage seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine zugenommen habe und die Verteidigungsfähigkeit des Landes dringend gestärkt werden müsse.

Die Debatte um das Wehrdienstgesetz bleibt damit kontrovers. Die Regierung ist sich weiterhin uneins, Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte am Montag jedoch die Hoffnung, dass eine Einigung in den nächsten Tagen erreicht werde.

(Mit Material von AFP)

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