Die Parteichefs von CDU, SPD und BSW in Thüringen haben sich am vergangenen Freitag auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Nachdem Sahra Wagenknecht ihre Zustimmung für die sogenannte Brombeer-Koalition gegeben hatte, muss jetzt nur noch die SPD-Basis zustimmen.
Dafür läuft seit dieser Woche eine Online-Abstimmung, an der die Thüringer SPD-Mitglieder bis zum 9. Dezember teilnehmen können. Es gilt als die letzte Möglichkeit, durch die eine solche Koalition noch verhindert werden könnte.
Die Jugendorganisation der Thüringer SPD (Jusos) will die Abstimmung nutzen, um genau das zu erreichen. Ihre Vorsitzende Melissa Butt kündigte eine Kampagne gegen die Brombeer-Koalition an. So will sie auf Social Media und bei den zehn Regionalkonferenzen in Thüringen Stimmung machen.
Am Wochenende kritisierte Butt den Koalitionsvertrag scharf. Die Brombeer-Koalition schränke die Rechte von Arbeitnehmer:innen und Geflüchteten ein. Bei der Bildungspolitik katapultiere der Vertrag Thüringen zurück in die 1990er Jahre.
Zudem kritisierte sie, dass die Koalition nur 44 der 88 Sitze im Landtag – und damit keine Mehrheit – hat. "Offensichtlich kann Georg Maier nicht rechnen, wenn er von einer 'stabilen Regierung für Thüringen' spricht", sagte sie der "Thüringer Allgemeinen".
Mit dem Eintritt in eine solche Koalition würde die SPD-Spitze gegen die Beschlusslage der eigenen Partei verstoßen. Auch auf Instagram vertraten die Jusos diese Kritik und nannten die Koalition spöttisch "Brom Bäh".
700 der 3400 Thüringer SPD-Mitglieder gehören zu den Jusos. Damit könnten sie in der Online-Abstimmung zum entscheidenden Faktor werden. Das besorgt den konservativen Flügel der Partei – den sogenannten Seeheimer Kreis.
Die Sprecherin des Parteiflügels in Thüringen, Katja Böhler, sagte der "Bild": "Bei dem überwiegend digitalen Verfahren steht zu befürchten, dass Menschen nicht mit abstimmen, die sich weniger gut mit den digitalen Medien oder QR-Codes auskennen."
Aber nicht nur bei den Jusos gibt es Zweifel an der Koalition. Beim Landesparteitag vor zwei Wochen wurde der Thüringer SPD-Chef Georg Maier mit nur 62 Prozent wiedergewählt – und das, obwohl es keinen Gegenkandidaten gab.
Schon vor dieser Wahl kritisierte Juso-Chefin Butt die Parteiführung in Erfurt: "Die Partei ist in den vergangenen Jahren hierarchischer geworden", schrieb sie in einem Antrag. "Anstatt Inhalte gemeinsam vor Ort und in den legitimierten Gremien zu erarbeiten, werden Mitglieder und gewählte Gremien über neue Positionen aus der Presse informiert."
Die SPD-Landesvize Antje Hochwind-Schneider kritisiert die Kampagne der Jusos gegen die Brombeer-Koalition. Sie sei "ein persönlicher Rachefeldzug" von Butt gegen Maier, sagte sie der "Thüringer Allgemeinen": "Ich halte diese Wortmeldung für unsäglich." Der Koalitionsvertrag trage an vielen Stellen eine deutliche Handschrift der SPD.
Bei den umstrittenen Themen Frieden und der Stationierung von Mittelstreckenraketen einigten sich CDU, BSW und SPD auf Kompromisse. Wer welches Ministerium übernimmt, ist noch offen. Klar ist nur, dass die CDU neben dem Ministerpräsidenten vier weitere Ministerien bekommen soll. Das BSW bekommt drei und die SPD, die bei der Wahl nur auf 6,1 Prozent kam, zwei.