Merkel verhandelt, Europa bleibt stur und irgendwo ruft jemand "Soldaten!"
Der Zeitdruck steigt, während Bundeskanzlerin Angela Merkel weiter um eine europäische Lösung für den erbitterten Asylstreit in der Union kämpft. Am Sonntag stand dann ein EU-Sondertreffen in Brüssel an. Doch auch danach präsentierte Merkel noch keine konkreten Lösungsansätze. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) glaubt auch nicht daran, dass dies bis zum EU-Gipfel am Donnerstag klappt. Er forderte die CSU auf, der Kanzlerin mehr Zeit zu geben.
Der CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer will am 1. Juli im Alleingang registrierte Flüchtlinge an deutschen Grenzen zurückweisen, falls bis dahin keine europäische Lösung gefunden ist. Dies könnte die Zukunft der großen Koalition, aber auch den Zusammenhalt in der EU gefährden.
Oettinger sagte dem "Reutlinger General-Anzeiger" (Montag):
Die CSU solle deshalb den Druck rausnehmen: "Ich glaube, dass die Kanzlerin gute Argumente hat, um eine weitere Beratung auf europäischer Ebene durchzubringen", sagte Oettinger.
Der CDU-Spitze dürfte am Montagmorgen über die Ergebnisse des EU-Sondertreffens in Brüssel beraten. Daran nahmen 16 der 28 EU-Länder teil. Die vier in Asylfragen besonders kritischen Visegrad-Staaten fehlten aber.
Merkels Motto: Think positive!
Merkel gab sich danach trotzdem optimistisch, sprach von gutem Willen und einer guten Debatte. Konkrete Fortschritte konnte sie allerdings nicht vermelden. Vor Beginn des Treffens hatte Merkel noch von Absprachen mit einzelnen EU-Ländern gesprochen, um das Weiterziehen der Migranten zu begrenzen. Italien – eines der Hauptankunftsländer am Mittelmeer – will sich darauf aber auf die Schnelle nicht einlassen, wie es aus italienischen Regierungskreisen hieß.
Der neue Ministerpräsident Giuseppe Conte forderte stattdessen eine umfassende Lösung und einen radikalen Wandel in der europäischen Asylpolitik. Das bisherige sogenannte Dublin-Systems solle aufgegeben werden, heißt es in einem Zehn-Punkte-Plan Contes. Wenn überhaupt, ließe sich eine so umfassende Reform keineswegs schnell durchsetzen.
Abschottung und Zurückweisung – notfalls mit schwerem Geschütz
Immer mehr EU- wie CDU-Politiker sprechen sich für wenig zimperliche Maßnahmen aus:
- noch striktere Abschottung der Außengrenzen
- mögliche Sammellager für Migranten, entweder auf EU-Gebiet oder auch außerhalb der EU, zum Beispiel in Nordafrika
- Einsatz der EU-Grenzschutzagentur Frontex auf libyschem Festland, womöglich sogar mit einer Beteiligung deutscher Soldaten, wie es sich der ehemalige Nato-General Egon Ramms vorstellen kann:
- CDU-Innenpolitiker Armin Schuster forderte eine europäische Grenzpolizei mit bewaffneter Küstenwache – dazu gehöre "natürlich ein Einsatz in Nordafrika, um Schlepper und Schleuser zu stoppen"
- CDU-Außenpolitiker Elmar Brok sprach sich im Kampf gegen Schlepper für einen Einsatz von Frontex gemeinsam mit UN-Blauhelmsoldaten in Libyen aus.
(sg/dpa)