Der FDP-Parteitag stand unter dem englischen Motto "Innovation Nation". Originell wollte man sein. Partei-Chef Christian Lindner versuchte es mit einer Anekdote. Und es ging nach hinten los
Lindner schilderte eine Alltagsbeobachtung, die er später einem zugewanderten Bekannten zuschreibt: Da bestellt sich einer beim Bäcker "mit gebrochenem Deutsch ein Brötchen" - und die Leute in der Schlange wissen nicht, "ob das der hoch qualifizierte Entwickler Künstlicher Intelligenz aus Indien ist oder eigentlich ein sich bei uns illegal aufhaltender, höchstens geduldeter Ausländer", sagt er in seiner Parteitagsrede am Samstag. Und das könne Angst auslösen.
Lindner löst auf dem Parteitag vor allem eines aus: Eine heftige Rassismus-Diskussion in sozialen Netzwerken.
In seiner Rede soll das Szenario die Forderung nach einer gut organisierte Einwanderungspolitik untermauern. Die brauche es, damit die Gesellschaft "befriedet" sei, damit die anderen den Fremden nicht "schief anschauen und Angst vor ihm haben", sagt Lindner. Dann könnten "alle sicher sein, dass jeder, der sich bei uns aufhält, sich auch legal bei uns aufhält."
Damit will Lindner zwei Botschaften gleichzeitig senden: Da gibt es eine verständliche Angst vor Fremden. Aber niemand soll sie haben (müssen).
Die Bäcker-Anekdote machte die Runde und das Netz tat, was es mit am besten kann: Es shitstormte. Und zwar so ungemütlich, dass Lindner sich genötigt sah, sich zu erklären.
Am Sonntag versucht Lindner, die Kontroverse um die "Bäcker"-Passage mit einer Videobotschaft einzufangen: "Wer in meinen Äußerungen Rassismus lesen will oder Rechtspopulismus, der ist doch etwas hysterisch unterwegs. Ich glaube, solche Debatten muss man nüchterner und vernünftiger führen." Grundlage seiner Äußerungen sei eine reale Situation, die ein zugewanderter Bekannter ihm geschildert habe, der in seiner Umgebung Ressentiments und Ängste beobachte.
Für Chris Pyak, der auch bei der europäischen liberalen Parteien-Dachorganisation Alde aktiv ist, Grund genug, die Partei zu verlassen.
Die FDP und die AfD kämpfen zum Teil um die gleichen Wähler, das ist kein Geheimnis. Dabei setzen die Freien Demokraten auf eine Doppelstrategie: Probleme ansprechen, Einwanderung regeln, gleichzeitig eine scharfe Trennlinie zu den Rechtspopulisten ziehen. Eine Gratwanderung, wie sich zeigt.
Dabei sollte dieser erste Bundesparteitag nach dem Scheitern der Verhandlungen mit CDU, CSU und Grünen doch vor allem eins: Aufbruchstimmung verbreiten. Eine Wachstumsstrategie will Lindner seiner Partei verordnen, als "zweistellige liberale Kraft" soll sie sich verankern. Stand der Dinge: Bei 7 bis 9 Prozent steht die FDP zurzeit in Umfragen. Viel Luft nach oben also.
Scharfe Attacken fuhr Lindner gegen CDU-Kanzlerin Angela Merkel:
Wenn Kanzler Helmut Kohl (CDU) und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) 1989 so zögerlich gehandelt hätten, dann "hätte es die deutsche Einheit niemals gegeben." Auch die CSU bekommt ihr Fett weg. Die "geht den Weg von (Viktor) Orbán", sagt Lindner. Er meint den rechtsnationalen ungarischen Regierungschef, der im Dauerclinch mit Brüssel liegt.
Und die Frauen? "Seit den 1970er Jahren haben wir hier ein ungehobenes Potential", sagt Lindner. Weniger als 22 Prozent der mehr als 63.000 Mitglieder sind Frauen, bei den Neuzugängen ist ihr Anteil noch niedriger. Manuel Höferlin, Beisitzer im FDP-Bundesvorstand, meint:
Nächstes Jahr trifft sich die FDP im April.
(pbl/dpa)