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Merkel weist Dobrindt im Streit um Flüchtlingspolitik zurecht

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Merkel widerspricht Dobrindt: 3 Hintergründe zum Streit um die Flüchtlingspolitik

07.05.2018, 14:2607.05.2018, 17:02
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Die CDU fordert ein härteres Vorgehen in der Flüchtlingspolitik. Gleichzeitig muss die SPD sich gegen ihre beiden Koalitionspartner behaupten. Und die CSU-Politiker machen mit Blick auf den bayerischen Landtagswahlkampf mit lautem Populismus von sich reden.

"Die Möglichkeiten des Rechtsstaats können natürlich genutzt werden."
Angela Merkel, Bundeskanzlerin​

Mit Blick auf die steigende Zahl von Klagen abgelehnter Asylbewerber hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zuletzt von einer "Anti-Abschiebe-Industrie" gesprochen. Kritik kam nicht nur von Flüchtlingsorganisationen, der Opposition und dem Regierungspartner SPD, sondern auch von Angela Merkel. Es sei klar, "dass natürlich die Möglichkeiten des Rechtsstaats genutzt werden können", wies Merkel Dobrindt zurecht.

Zwei Treffen der Parteien bieten jetzt neue Gelegenheiten für Zoff:

In Frankfurt treffen sich die Fraktionschefs der Union aus Bund und Ländern, an der Zugspitze beraten die Fraktionschefs der Groko. Vor allem die geplanten Ankerzentren für Flüchtlinge sind Thema.

Das wollen CDU und CSU:

  • Die Union will abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben.
  • Dafür wollen CDU und CSU möglichst schnell "zentrale Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen" einführen – die sogenannten Ankerzentren.
  • Außerdem fordern die CDU- und CSU-Fraktionschefs bei ihrem Treffen einen Werteunterricht für Flüchtlingskinder. Dessen Zeil soll sein, "dass Flüchtlinge sich in unserem Werte-/Rechtsstaatssystem besser zurechtfinden können und ihnen gleichzeitig die Grenzen und Verpflichtungen unseres Rechtsstaates vermittelt werden".
  • Gefordert wird auch die schnellere Identifizierung von Asylbewerbern, die nach Deutschland kommen.
  • Außerdem solle die Liste der "Sicheren Herkunftsstaaten" ausgeweitet werden. Geht es nach den Unions-Politikern stehen dort künftig alle Länder drauf, deren Bürger unter fünf Prozent Anerkennungsquote bei Asylverfahren in Deutschland haben.

Schon seit Tagen dringen Unionspolitiker auf schnellere Reformen, angestoßen vor allem durch die Vorfälle in Ellwangen, als sich ein aus Togo stammender Mann seiner Abschiebung widersetzte. Aus der Union kamen dabei Forderungen, die Rücknahme abgelehnter Asylbewerber mit der Entwicklungshilfe für die betreffenden Herkunftsstaaten zu verbinden.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach mit Blick auf Flüchtlingsanwälte und Klage gar von einer "Anti-Abschiebe-Industrie". 

Kanzlerin Angela Merkel erinnerte ihn nun dezent an die Gepflogenheiten in einem Rechtsstaat. Es sei klar, "dass natürlich die Möglichkeiten des Rechtsstaats genutzt werden können", sagte sie nach einem Treffen mit Unions-Innenpolitikern in Frankfurt am Main. 

Darum hagelt es Kritik:

Linken-Chefin Katja Kipping sieht in den geplanten Ankerzentren ein vorsätzliches Hindernis für die Integration Geflüchteter. Diese Einrichtungen bedeuteten in erster Linie, "dass Begegnungen und Austausch zwischen Geflüchteten und Einheimischen behindert und der Zugang zu Rechtsberatung für viele unterbunden werden", sagte Kipping. "Das ist de facto eine Behinderung der Umsetzung von rechtsstaatlichen Prinzipien –Integration wird damit sabotiert, nicht befördert."

Und das sagt der Anwalt des Asylbewerbers, der aus Ellwangen abgeschoben werden soll:

Die Zusammenarbeit in der Koalition werde nicht einfacher, wenn die CSU wegen der Landtagswahl Mitte Oktober von einer "permanenten Profilneurose" befallen sei, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Carsten Schneider, am Montag im SWR. Sogar die CDU-Generalsekretärin ging auf Distanz: Es gebe in Deutschland ein gut ausformuliertes Asylrecht und auch die Rechtswege dazu. Man könne sich nicht darüber beklagen, dass die Rechtswege auch genutzt würden.

Das bedeutet das Vorpreschen der Union für die Stimmung in der Groko:

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hatte der Union am Wochenende vorgeworfen, Debatten über die Flüchtlingspolitik zu provozieren. Der Koalitionsvertrag biete gute Voraussetzungen für neue Akzente. CDU und CSU stritten aber schon wieder über die Integrationspolitik, sagte Schwesig der "Welt am Sonntag".

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer auf, ein Konzept vorzulegen, um einen erneuten Vorfall wie in Ellwangen zu verhindern. Man brauche "ein schlüssiges Konzept, das verhindert, dass die Menschen dort ohne Perspektiven und ohne sinnvolle Beschäftigung sich selbst überlassen werden", sagte Klingbeil der "Heilbronner Stimme".

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sprach am Montag im SWR-Interview von "großen inhaltlichen Unterschieden" innerhalb der großen Koalition. Er hoffe daher, dass das zweitägige Treffen der Fraktionsspitzen von CDU, CSU und SPD zu einem "professionellen, fairen und geordneten Umgang" beitrage.

Nicht nur die Flüchtlingsdebatte sorgt für Zoff in der Groko:

Das Vorpreschen von CSU-Politikern in der Flüchtlingsdebatte sorgt nicht nur für Unmut beim Koalitionspartner SPD, sondern erzeugt auch äußeren Druck auf die Sozialdemokraten. 

Der Deutsche Anwaltverein wertete die letzten Äußerungen Dobrindts etwa als schweren Angriff auf den Rechtsstaat. Vereinspräsident Ulrich Schellenberg wandte sich deswegen direkt an SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Sie müsse sich bei der Klausurtagung der Fraktionsführungen von Union und SPD klar dagegen positionieren. 

"Kein Demokrat kann das einfach so stehen lassen."
Ullrich Schellenberg über die Aussagen Alexander Dobrindts

Auch Angela Merkel stellte sich nun gegen Dobrindt. Lange hatte die Kanzlerin zuletzt zu den CSU-Sticheleien in der Flüchtlingspolitik geschwiegen. Mit ihrer Kritik an Dobrindts Äußerungen zeigt sie nun: Die unionsinterne Debatte um ihre Flüchtlingspolitik ist noch beendet - auch in bayerischen Wahlkampfzeiten.

(fh/dpa/afp/tol)

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